Techniker und Wissenschaftler lassen sich jeden Tag etwas einfallen, was wir neudeutsch dann »Innovationen« nennen. Und in der Regel werden dann solche Innovationen von eben jenen Technikern aufeinander getürmt. Nur manchmal gelingt es anderen Menschen, die keine Techniker oder Wissenschaftler sind, Einzelteile aus diesem Turm heraus zu pflücken und sie einem praktischen, alltäglichen Sinn zuzuführen. Designer zum Beispiel tun sowas häufig. Als 1972 in Düsseldorf in der Zentrale des Henkel-Konzerns zwei Techniker miteinander sprachen, sagten sie vermutlich etwas wie »Selbstklebefolie trifft Fettlösekraft«. Technisch richtig, aber unverständlich. Was sie meinten war: »Prilblume«. Das Spülmittel Pril gab es da schon seit mehr als 20 Jahren: 1951 kam es als Pulver auf den Markt, 8 Jahre später wurde es flüssig. Es entwickelte sich rasch zu einem erfolgreichen Produkt, weil es das Fett von Tellern und Pfannen besser lösen konnte als die Konkurrenz und dabei noch verträglicher für die Haut war. Berühmt wurde das Bild der Ente, die 1952 bis zum Hals in Wasser eintauchte, das Pril enthielt, weil das Spülmittel den körpereigenen Fettfilm der Ente auflöste. Geboren war die Pril-Ente. Zwanzig Jahre lang genügte diese Übersetzung der Innovation in einen Nutzen für den Verkauf. Doch die Modernisierung der deutschen Gesellschaft machte auch nicht vor der Küche halt. Wer 1972 zur Spülbürste griff, konnte weder mit den gesellschaftlichen Werten, noch mit den Werbefiguren der Elterngeneration etwas anfangen. Die Marketing-Abteilung von Henkel überlegte sich, wie sie junge Familien erreichen könnte. Der Hausfrau sollte eine kleine Freude bereitet werden, warum nicht ein Strauß Blumen? Unbeschwerte Fröhlichkeit sollte auch beim Abwasch in den deutschen Küchen einziehen, passend zum Motto von den »heiteren« olympischen Spielen in München. Das Ergebnis waren stilisierte, 3 Zentimeter große Blumen in den Farben Blau, Gelb, Orange und Grün. Die Rückseite der Spülmittelflaschen eigneten sich hervorragend als Träger für die neu auf den Markt gekommenen Selbstklebefolien. Aus einem kleinen Werbe-Gag wurde ein riesiger Erfolg. Die Prilblumen überfluteten nicht nur Kacheln in der Küche, sondern verzierten 12 Jahre lang alles, was sich bekleben ließ. 1984 beendete der Hersteller diese Dreingabe. Er reagierte damit auf das Phänomen, das auch der Beliebtheit der Aufkleber zugrunde lag: Sie verkörperten perfekt das Lebensgefühl einer Generation, und das hatte sich in den 80er Jahren erneut grundlegend gewandelt. Wer sich heute mit nostalgisch angehauchter Ironie an Prilblumen erinnert, braucht keinen Aufkleber mehr: Priblumen gibt es als Bildschirm-Schoner, und diese verschwinden garantiert ohne mühsames Scheuern. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [177]
Techniker und Wissenschaftler lassen sich jeden Tag etwas einfallen, was wir neudeutsch dann »Innovationen« nennen. Und in der Regel werden dann solche Innovationen von eben jenen Technikern aufeinander getürmt. Nur manchmal gelingt es anderen Menschen, die keine Techniker oder Wissenschaftler sind, Einzelteile aus diesem Turm heraus zu pflücken und sie einem praktischen, alltäglichen Sinn zuzuführen. Designer zum Beispiel tun sowas häufig. Als 1972 in Düsseldorf in der Zentrale des Henkel-Konzerns zwei Techniker miteinander sprachen, sagten sie vermutlich etwas wie »Selbstklebefolie trifft Fettlösekraft«. Technisch richtig, aber unverständlich. Was sie meinten war: »Prilblume«. Das Spülmittel Pril gab es da schon seit mehr als 20 Jahren: 1951 kam es als Pulver auf den Markt, 8 Jahre später wurde es flüssig. Es entwickelte sich rasch zu einem erfolgreichen Produkt, weil es das Fett von Tellern und Pfannen besser lösen konnte als die Konkurrenz und dabei noch verträglicher für die Haut war. Berühmt wurde das Bild der Ente, die 1952 bis zum Hals in Wasser eintauchte, das Pril enthielt, weil das Spülmittel den körpereigenen Fettfilm der Ente auflöste. Geboren war die Pril-Ente. Zwanzig Jahre lang genügte diese Übersetzung der Innovation in einen Nutzen für den Verkauf. Doch die Modernisierung der deutschen Gesellschaft machte auch nicht vor der Küche halt. Wer 1972 zur Spülbürste griff, konnte weder mit den gesellschaftlichen Werten, noch mit den Werbefiguren der Elterngeneration etwas anfangen. Die Marketing-Abteilung von Henkel überlegte sich, wie sie junge Familien erreichen könnte. Der Hausfrau sollte eine kleine Freude bereitet werden, warum nicht ein Strauß Blumen? Unbeschwerte Fröhlichkeit sollte auch beim Abwasch in den deutschen Küchen einziehen, passend zum Motto von den »heiteren« olympischen Spielen in München. Das Ergebnis waren stilisierte, 3 Zentimeter große Blumen in den Farben Blau, Gelb, Orange und Grün. Die Rückseite der Spülmittelflaschen eigneten sich hervorragend als Träger für die neu auf den Markt gekommenen Selbstklebefolien. Aus einem kleinen Werbe-Gag wurde ein riesiger Erfolg. Die Prilblumen überfluteten nicht nur Kacheln in der Küche, sondern verzierten 12 Jahre lang alles, was sich bekleben ließ. 1984 beendete der Hersteller diese Dreingabe. Er reagierte damit auf das Phänomen, das auch der Beliebtheit der Aufkleber zugrunde lag: Sie verkörperten perfekt das Lebensgefühl einer Generation, und das hatte sich in den 80er Jahren erneut grundlegend gewandelt. Wer sich heute mit nostalgisch angehauchter Ironie an Prilblumen erinnert, braucht keinen Aufkleber mehr: Priblumen gibt es als Bildschirm-Schoner, und diese verschwinden garantiert ohne mühsames Scheuern. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.