Am 22. Juli 1952 reicht der amerikanische Designer Raymond Stegeman einen Antrag auf Erteilung eines Patents ein, in dem er nichts anderes schützen lassen will als die äußere Form eines Brillengestells. Weitere Angaben, etwa zu Material, zu Maßen, Farben oder Konstruktionsdetails macht er nicht. Das Papier zeigt lediglich die Form der Brille. Es ist eine eigentümliche Ansicht, die der Brillenträger seinem Gegenüber damit bietet: Die beiden Glashalterungen haben zwar die Grundform eines Trapezes. Doch an den äußeren Kanten wirken die Trapeze wie spitz nach oben über die Ohren gezogen, und an den Innenseiten verlaufen sie dafür weicher und runder. Sie passen damit perfekt zum modischen Stil-Repertoire der frühen 1950er Jahre: Zu Pettycoat, Kitchen-Aid und Cadillac mit Haifischflossenheck. Insofern schreibt Raymond Stegeman mit seiner eigentümlichen Formgebung einer Brille Designgeschichte. Außerdem handelt es sich bei diesem Entwurf für die Marke Ray Ban um die erste Brille, die vollständig aus Kunststoff hergestellt wird. Auch dies ein Zeichen der Zeit, denn Kunststoff verkörpert in den 50er Jahren den unerschütterlichen Glauben an den technischen Fortschritt und die Verbesserung des allgemeinen Wohlstands durch billigen Konsum. Das bisherige Erfolgsmodell von Ray Ban, die metallene Pilotenbrille »Aviator« mit den typischen tropfenförmigen Gläsern, verkauft sich schon seit 20 Jahren glänzend bei Männern. Deshalb sind Männer, insbesondere Piloten, natürlich die geplante Zielgruppe für das neue Brillenprodukt mit dem Namen »Wayfarer«. Aber die Männer sind ja schon gut versorgt. Ein ganz anderer Markt ergibt sich aber, als sich die Stars aus Hollywood mit der neuen Brille zeigen. Und zwar die Frauen. Sexsymbole wie Kim Novack und Marylin Monroe machen den Anfang. Dann folgt die Stil-Ikone Audrey Hepburn: Weltberühmt ist ihr Abbild aus dem Film »Frühstück bei Tiffany‘s«, das sie am Schaufenster des Juweliers mit hoch gesteckter Frisur, kleinem Schwarzen und eben dieser schwarzen, etwas überdimensionierten Sonnenbrille zeigt. Es ist bis heute eines der am meisten reproduzierten und zitierten Fotos, und die »Wayfarer« wird zum Pflicht-Accessoire für den modebewussten modernen Menschen der 1960er Jahre. Weil auch zunehmend die Avantgarde aus Musik und bildender Kunst, von Bob Dylan bis Andy Warhol, die Wayfarer aufsetzt, wenn sie sich in die Öffentlichkeit begibt, assoziiert man mit dieser Sonnenbrille auch begehrte Eigenschaften wie Lässigkeit, intelligente Aufsässigkeit und Geschmack. Das ist bis heute so geblieben, wenn auch nicht ununterbrochen. Wellenförmig steigt und sinkt ihre Popularität: Auf den ersten Gipfel der 60er Jahre folgt ein zweiter in den 80er Jahren, eingeläutet durch den Musikfilm »Blues Brothers« und verstärkt durch die Fernsehserie »Miami Vice«. Ihren dritten Frühling erlebt sie nun seit wenigen Jahren. Sie gilt als die am häufigsten verkaufte Sonnenbrille der Welt. Doch im Unterschied zu den meisten »Must-haves« der Mode ist ihr Verkaufspreis so moderat, dass sich jeder am Strand und in der Fußgängerzone als Filmstar fühlen kann, ohne dafür zum Plagiat greifen zu müssen. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [207]
Am 22. Juli 1952 reicht der amerikanische Designer Raymond Stegeman einen Antrag auf Erteilung eines Patents ein, in dem er nichts anderes schützen lassen will als die äußere Form eines Brillengestells. Weitere Angaben, etwa zu Material, zu Maßen, Farben oder Konstruktionsdetails macht er nicht. Das Papier zeigt lediglich die Form der Brille. Es ist eine eigentümliche Ansicht, die der Brillenträger seinem Gegenüber damit bietet: Die beiden Glashalterungen haben zwar die Grundform eines Trapezes. Doch an den äußeren Kanten wirken die Trapeze wie spitz nach oben über die Ohren gezogen, und an den Innenseiten verlaufen sie dafür weicher und runder. Sie passen damit perfekt zum modischen Stil-Repertoire der frühen 1950er Jahre: Zu Pettycoat, Kitchen-Aid und Cadillac mit Haifischflossenheck. Insofern schreibt Raymond Stegeman mit seiner eigentümlichen Formgebung einer Brille Designgeschichte. Außerdem handelt es sich bei diesem Entwurf für die Marke Ray Ban um die erste Brille, die vollständig aus Kunststoff hergestellt wird. Auch dies ein Zeichen der Zeit, denn Kunststoff verkörpert in den 50er Jahren den unerschütterlichen Glauben an den technischen Fortschritt und die Verbesserung des allgemeinen Wohlstands durch billigen Konsum. Das bisherige Erfolgsmodell von Ray Ban, die metallene Pilotenbrille »Aviator« mit den typischen tropfenförmigen Gläsern, verkauft sich schon seit 20 Jahren glänzend bei Männern. Deshalb sind Männer, insbesondere Piloten, natürlich die geplante Zielgruppe für das neue Brillenprodukt mit dem Namen »Wayfarer«. Aber die Männer sind ja schon gut versorgt. Ein ganz anderer Markt ergibt sich aber, als sich die Stars aus Hollywood mit der neuen Brille zeigen. Und zwar die Frauen. Sexsymbole wie Kim Novack und Marylin Monroe machen den Anfang. Dann folgt die Stil-Ikone Audrey Hepburn: Weltberühmt ist ihr Abbild aus dem Film »Frühstück bei Tiffany‘s«, das sie am Schaufenster des Juweliers mit hoch gesteckter Frisur, kleinem Schwarzen und eben dieser schwarzen, etwas überdimensionierten Sonnenbrille zeigt. Es ist bis heute eines der am meisten reproduzierten und zitierten Fotos, und die »Wayfarer« wird zum Pflicht-Accessoire für den modebewussten modernen Menschen der 1960er Jahre. Weil auch zunehmend die Avantgarde aus Musik und bildender Kunst, von Bob Dylan bis Andy Warhol, die Wayfarer aufsetzt, wenn sie sich in die Öffentlichkeit begibt, assoziiert man mit dieser Sonnenbrille auch begehrte Eigenschaften wie Lässigkeit, intelligente Aufsässigkeit und Geschmack. Das ist bis heute so geblieben, wenn auch nicht ununterbrochen. Wellenförmig steigt und sinkt ihre Popularität: Auf den ersten Gipfel der 60er Jahre folgt ein zweiter in den 80er Jahren, eingeläutet durch den Musikfilm »Blues Brothers« und verstärkt durch die Fernsehserie »Miami Vice«. Ihren dritten Frühling erlebt sie nun seit wenigen Jahren. Sie gilt als die am häufigsten verkaufte Sonnenbrille der Welt. Doch im Unterschied zu den meisten »Must-haves« der Mode ist ihr Verkaufspreis so moderat, dass sich jeder am Strand und in der Fußgängerzone als Filmstar fühlen kann, ohne dafür zum Plagiat greifen zu müssen. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.