Das Spannendste am Design ist meistens nicht, welche äußere Form ein Objekt erhält, sondern wie es nach seiner Fertigstellung von den Menschen tatsächlich genutzt wird. Erst die Kreativität der Nutzer entfaltet das volle Potential, das in jedem Ding steckt, und das ist vom Designer nicht vorhersehbar: Wenn zum Beispiel ein Stuhl nicht nur zum Sitzen verwendet wird, sondern auch als Leiter, Garderobe und Ablage. Das gilt auch für den Kaugummistreifen. Er ist ein Stückchen Rohmasse für die individuelle Kreativität jedes Käufers und Kauers. Bevor Kaugummi aus petrochemischen Grundstoffen hergestellt werden konnte, steckten sich die Menschen Harzstückchen verschiedener Bäume in den Mund. Die Mayas und Azteken zum Beispiel zapften den Breiapfelbaum an, um seinen gummihaltigen, geschmacklosen Milchsaft zu gewinnen und darauf zu kauen. Sie nannten diesen Rohstoff Chicle. Eine Tonne davon brachte der mexikanische General und Präsident Antonio López de Santa Anna 1845 nach Staten Island, im Süden New York Citys. Dort fand er einen wagemutigen Käufer: Thomas Adams, der sich bislang schon in verschiedenen Handelsgeschäften und der jungen Fotografie versucht hatte. Adams dachte daran, durch Vulkanisieren einen besseren Gummi für Stiefel, Spielzeug und Wagenräder zu entwickeln. Aber er scheiterte damit und stand schon kurz davor, den übrig gebliebenen Rest vor Zorn in den East River zu feuern, als er auf der Straße hörte, wie ein Mädchen beim Drogeristen für einen Penny Kaugummi kaufte. Kaugummi bestand damals meist aus Fichtenharz und Paraffinwachs und wurde als unverpackte Kugeln verkauft. Thomas Adams experimentierte in seiner Küche, erhielt ein Patent für eine Kaugummimaschine und brachte im Februar 1871 »Adam‘s New York Gum No. 1« in New Jersey auf den Markt. Zuerst fertigte er die üblichen Kugeln, die er lose und unverpackt in Schachteln an Drogerien verkaufte. Aber schnell gab er seinem Genussmittel eine neue Form: Er presste den Gummi in dünne Barren mit Einkerbungen, von denen der Händler leicht einzelne Streifen zu je einem Penny Verkaufspreis abbrechen konnte. Das ganze Produkt war in buntes Papier eingewickelt. Diese Chickle-Streifen hatten die Konsistenz von Sahnebonbons und waren deshalb angenehmer zu kauen als andere Kaugummis, aber sie hatten noch keinen eigenen Geschmack. Dann nach vier Jahren verkaufte ein Konkurrent Produkte mit dem Geschmack von Hustensaft. Adams sprang auf diesen Zug auf und brachte 1884 den Lakritz-Kaugummi »Black Jack« heraus. Es war der erste Kaugummi, der fertig eingewickelt in einzelnen Streifen verkauft wurde. 1888 ließ Adams auch die ersten Kaugummiautomaten an New Yorker U-Bahn-Stationen aufstellen. Fast ein Jahrhundert lang verkaufte sich »Black Jack« blendend. Erst in den 1970er Jahren mochten die Menschen nicht mehr auf Lakritz kauen. Dann hatten sich weltweit die fruchtigen und die Pfefferminzprodukte eines gewissen William Wrigley durchgesetzt. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [219]
Das Spannendste am Design ist meistens nicht, welche äußere Form ein Objekt erhält, sondern wie es nach seiner Fertigstellung von den Menschen tatsächlich genutzt wird. Erst die Kreativität der Nutzer entfaltet das volle Potential, das in jedem Ding steckt, und das ist vom Designer nicht vorhersehbar: Wenn zum Beispiel ein Stuhl nicht nur zum Sitzen verwendet wird, sondern auch als Leiter, Garderobe und Ablage. Das gilt auch für den Kaugummistreifen. Er ist ein Stückchen Rohmasse für die individuelle Kreativität jedes Käufers und Kauers. Bevor Kaugummi aus petrochemischen Grundstoffen hergestellt werden konnte, steckten sich die Menschen Harzstückchen verschiedener Bäume in den Mund. Die Mayas und Azteken zum Beispiel zapften den Breiapfelbaum an, um seinen gummihaltigen, geschmacklosen Milchsaft zu gewinnen und darauf zu kauen. Sie nannten diesen Rohstoff Chicle. Eine Tonne davon brachte der mexikanische General und Präsident Antonio López de Santa Anna 1845 nach Staten Island, im Süden New York Citys. Dort fand er einen wagemutigen Käufer: Thomas Adams, der sich bislang schon in verschiedenen Handelsgeschäften und der jungen Fotografie versucht hatte. Adams dachte daran, durch Vulkanisieren einen besseren Gummi für Stiefel, Spielzeug und Wagenräder zu entwickeln. Aber er scheiterte damit und stand schon kurz davor, den übrig gebliebenen Rest vor Zorn in den East River zu feuern, als er auf der Straße hörte, wie ein Mädchen beim Drogeristen für einen Penny Kaugummi kaufte. Kaugummi bestand damals meist aus Fichtenharz und Paraffinwachs und wurde als unverpackte Kugeln verkauft. Thomas Adams experimentierte in seiner Küche, erhielt ein Patent für eine Kaugummimaschine und brachte im Februar 1871 »Adam‘s New York Gum No. 1« in New Jersey auf den Markt. Zuerst fertigte er die üblichen Kugeln, die er lose und unverpackt in Schachteln an Drogerien verkaufte. Aber schnell gab er seinem Genussmittel eine neue Form: Er presste den Gummi in dünne Barren mit Einkerbungen, von denen der Händler leicht einzelne Streifen zu je einem Penny Verkaufspreis abbrechen konnte. Das ganze Produkt war in buntes Papier eingewickelt. Diese Chickle-Streifen hatten die Konsistenz von Sahnebonbons und waren deshalb angenehmer zu kauen als andere Kaugummis, aber sie hatten noch keinen eigenen Geschmack. Dann nach vier Jahren verkaufte ein Konkurrent Produkte mit dem Geschmack von Hustensaft. Adams sprang auf diesen Zug auf und brachte 1884 den Lakritz-Kaugummi »Black Jack« heraus. Es war der erste Kaugummi, der fertig eingewickelt in einzelnen Streifen verkauft wurde. 1888 ließ Adams auch die ersten Kaugummiautomaten an New Yorker U-Bahn-Stationen aufstellen. Fast ein Jahrhundert lang verkaufte sich »Black Jack« blendend. Erst in den 1970er Jahren mochten die Menschen nicht mehr auf Lakritz kauen. Dann hatten sich weltweit die fruchtigen und die Pfefferminzprodukte eines gewissen William Wrigley durchgesetzt. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.