Die Industrie der Moderne hat die erstaunliche Möglichkeit hervorgebracht, dass ein Produkt eigentlich jede äußere Form, selbst die phantasievollste, erhalten kann. Meist jedoch haben sich die Designer gegen die völlige Freiheit ihrer Formgebung und statt dessen für die strenge Geometrie des rechten Winkels, des gleichschenkligen Dreiecks und des Kreises entschieden. Wie ein Plädoyer für die gestalterische Freiheit wirkt dagegen die Savoy-Vase des finnischen Architekten und Designers Alvar Aalto. Ihr Grundriss ist gerade nicht kreisrund oder quadratisch, sondern wellenförmig, außerhalb der euklidischen Geometrie. Sie hat weich geschwungene große und kleine Ausbuchtungen, so dass die Blumen, die in ihr stecken, immer wieder anders arrangiert werden können. Es wird oft gesagt, die Vase erinnere an die mäandernden Küstenlandschaft Finnlands, aus der Luft betrachtet. Alvar Aalto selbst soll erklärt haben, der sanft gewölbte Faltenwurf eines traditionellen ledernen Kleidungsstücks der Eskimofrauen habe ihn zum Entwurf inspiriert. Der organische Schwung entspricht auch dem weichen Fluss des gebogenen Holzes, das er für Stühle verarbeitete. Unverkennbar ist ebenfalls, dass seine geschwungene Linienführung perfekt zur abstrakten Kunst der 1920er und 30er Jahre von Hans Arp und Juan Miró paßt. Alvar Aalto entwirft die Glasvase 1936. Er ist damals 38 Jahre alt und auf dem Sprung zu internationalem Ruhm. Seit 1921 hat er schon ein Dutzend größerer Bauwerke geplant, auch außerhalb Finnlands: etwa ein Krankenhaus in Zagreb oder die Einrichtung des legendären Corso-Theaters in Zürich, einem Treffpunkt der tonangebenden internationalen Gestalter-Avantgarde. Mit einigen ihrer Protagonisten und Propagandisten wie Le Corbusier, Moholy-Nagy und Gropius ist er gut bekannt. Hinter Alvar Aalto stehen einflussreiche Fürsprecher, die ihm die Türen öffnen: Das Industriellen-Ehepaar Maire und Harry Gullichsen. Der Vorstandsvorsitzende des Ahlström-Konzerns und seine Gattin bringen den jungen, ehrgeizigen Architekten nicht nur in Kontakt mit finnischen Kapital- und Auftraggebern. Als der Konzern für die Innenstadt Helsinkis einen Industriepalast plant mit einem Restaurant namens Savoy auf dem Dach, erhält Alvar Aalto den Auftrag, dessen Inneneinrichtung zu entwerfen. Hierfür gestaltet er unter anderem Geschirr und die Savoy-Vase. Sie wird produziert von dem finnischen Hersteller Karhula-Iittala, der Teil des Ahlström-Konzern ist. 1937 erlangt Alvar Aalto mit der Savoy-Vase Weltruhm, als sie auf der Pariser Weltausstellung präsentiert wird. Der finnische Pavillon für die Weltausstellung zwei Jahre später, 1939 in New York, nimmt diesen ästhetischen Erfolg auf und überträgt den Wellenschwung der kleinen Vase auf den großen Maßstab der Pavillonwände. Eine einleuchtende Erklärung für diese Formgebung wird allerdings meist verschwiegen: Aalto bedeutet im Finnischen »Welle«. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [222]
Die Industrie der Moderne hat die erstaunliche Möglichkeit hervorgebracht, dass ein Produkt eigentlich jede äußere Form, selbst die phantasievollste, erhalten kann. Meist jedoch haben sich die Designer gegen die völlige Freiheit ihrer Formgebung und statt dessen für die strenge Geometrie des rechten Winkels, des gleichschenkligen Dreiecks und des Kreises entschieden. Wie ein Plädoyer für die gestalterische Freiheit wirkt dagegen die Savoy-Vase des finnischen Architekten und Designers Alvar Aalto. Ihr Grundriss ist gerade nicht kreisrund oder quadratisch, sondern wellenförmig, außerhalb der euklidischen Geometrie. Sie hat weich geschwungene große und kleine Ausbuchtungen, so dass die Blumen, die in ihr stecken, immer wieder anders arrangiert werden können. Es wird oft gesagt, die Vase erinnere an die mäandernden Küstenlandschaft Finnlands, aus der Luft betrachtet. Alvar Aalto selbst soll erklärt haben, der sanft gewölbte Faltenwurf eines traditionellen ledernen Kleidungsstücks der Eskimofrauen habe ihn zum Entwurf inspiriert. Der organische Schwung entspricht auch dem weichen Fluss des gebogenen Holzes, das er für Stühle verarbeitete. Unverkennbar ist ebenfalls, dass seine geschwungene Linienführung perfekt zur abstrakten Kunst der 1920er und 30er Jahre von Hans Arp und Juan Miró paßt. Alvar Aalto entwirft die Glasvase 1936. Er ist damals 38 Jahre alt und auf dem Sprung zu internationalem Ruhm. Seit 1921 hat er schon ein Dutzend größerer Bauwerke geplant, auch außerhalb Finnlands: etwa ein Krankenhaus in Zagreb oder die Einrichtung des legendären Corso-Theaters in Zürich, einem Treffpunkt der tonangebenden internationalen Gestalter-Avantgarde. Mit einigen ihrer Protagonisten und Propagandisten wie Le Corbusier, Moholy-Nagy und Gropius ist er gut bekannt. Hinter Alvar Aalto stehen einflussreiche Fürsprecher, die ihm die Türen öffnen: Das Industriellen-Ehepaar Maire und Harry Gullichsen. Der Vorstandsvorsitzende des Ahlström-Konzerns und seine Gattin bringen den jungen, ehrgeizigen Architekten nicht nur in Kontakt mit finnischen Kapital- und Auftraggebern. Als der Konzern für die Innenstadt Helsinkis einen Industriepalast plant mit einem Restaurant namens Savoy auf dem Dach, erhält Alvar Aalto den Auftrag, dessen Inneneinrichtung zu entwerfen. Hierfür gestaltet er unter anderem Geschirr und die Savoy-Vase. Sie wird produziert von dem finnischen Hersteller Karhula-Iittala, der Teil des Ahlström-Konzern ist. 1937 erlangt Alvar Aalto mit der Savoy-Vase Weltruhm, als sie auf der Pariser Weltausstellung präsentiert wird. Der finnische Pavillon für die Weltausstellung zwei Jahre später, 1939 in New York, nimmt diesen ästhetischen Erfolg auf und überträgt den Wellenschwung der kleinen Vase auf den großen Maßstab der Pavillonwände. Eine einleuchtende Erklärung für diese Formgebung wird allerdings meist verschwiegen: Aalto bedeutet im Finnischen »Welle«. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.