Es gibt kaum ein zweites Beispiel für Design, das ebenso viele vermeintlich typisch deutsche Attribute und Facetten in sich vereint wie der Frankfurter Stuhl: Er wurde nicht entworfen, um die Welt zu verschönern, sondern um einfacher und günstiger hergestellt zu werden. Es handelt sich um ein grundsolides, extrem praktisches und sachliches Stück Alltag. Und er ist sowohl mit dem Nationalsozialismus als auch mit dem deutschen Wirtschaftswunder verbunden. Der Name seines Urhebers ist heute kaum noch bekannt: Max Stoelcker. Er war kein Architekt, Künstler oder Designer, sondern Chef einer holzverarbeitenden Fabrik im nordhessischen Frankenberg. Sein Vater, Otto Stoelcker, hatte aus einer badischen Spielzeug-Werkstatt ein Unternehmen gemacht, das unter dem Namen »Bombenstabil« an zwei Standorten Möbel produzierte. 1934 beginnt Max Stoelcker, sich Gedanken darüber zu machen, wie die Fertigung von Holzstühlen in dem von ihm geleiteten Werk rationalisiert werden kann. Es geht ihm nicht um eine grundsätzlich neue Entwicklung, sondern er will die einfachen Bugholz-Stühle optimieren, die damals von vielen Herstellern in sehr ähnlicher Weise angeboten werden. Die Beine viereckig, die beiden vorderen gerade Stäbe, die Hinterbeine etwas zurückgebogen. Eine abgerundete Leiste auf Schulterhöhe formt die Rückenlehne. Die Sitzhöhe mit 46 cm: hoch. Dieser weitverbreitete Typ ist als »Frankfurter Stuhl« bekannt, seit er 1926 in einer Ausstellung der sogenannten Frankfurter Küche zu sehen war. An der Erscheinung des Frankfurter Stuhls ändert Max Stoelcker nur wenig. Er vereinfacht aber die Produktionstechnik so wesentlich, dass er dafür 1935 einen Gebrauchsmusterschutz erhält. Er nennt seinen Stuhl »Modell 2200«. Als ersten Großauftrag stattet er damit 1936 alle Mannschaftsunterkünfte der Olympischen Spiele in Berlin aus. In der Folge wird die gesamte Deutsche Wehrmacht mit dem Stuhl von »Bombenstabil« beliefert, und auch für die Reichspost, die Reichsbahn und viele Behörden wird seine Anschaffung vorgeschrieben. Bis weit in die Siebziger Jahre ist er überall dort allgegenwärtig, wo der deutsche Staat seinen Bürgern einen Stuhl anbietet. Und wann immer diese darauf Platz zu nehmen haben, erwarten sie kleinliche Haarspalterei oder peinliche Korrektheit: In Schulen, bei vielen Behörden, bei der Bundesbahn, der Bundeswehr und der Bundespost. Dadurch wird dieser Bundesstuhl zum typisch deutschen Amtssitz. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [225]
Es gibt kaum ein zweites Beispiel für Design, das ebenso viele vermeintlich typisch deutsche Attribute und Facetten in sich vereint wie der Frankfurter Stuhl: Er wurde nicht entworfen, um die Welt zu verschönern, sondern um einfacher und günstiger hergestellt zu werden. Es handelt sich um ein grundsolides, extrem praktisches und sachliches Stück Alltag. Und er ist sowohl mit dem Nationalsozialismus als auch mit dem deutschen Wirtschaftswunder verbunden. Der Name seines Urhebers ist heute kaum noch bekannt: Max Stoelcker. Er war kein Architekt, Künstler oder Designer, sondern Chef einer holzverarbeitenden Fabrik im nordhessischen Frankenberg. Sein Vater, Otto Stoelcker, hatte aus einer badischen Spielzeug-Werkstatt ein Unternehmen gemacht, das unter dem Namen »Bombenstabil« an zwei Standorten Möbel produzierte. 1934 beginnt Max Stoelcker, sich Gedanken darüber zu machen, wie die Fertigung von Holzstühlen in dem von ihm geleiteten Werk rationalisiert werden kann. Es geht ihm nicht um eine grundsätzlich neue Entwicklung, sondern er will die einfachen Bugholz-Stühle optimieren, die damals von vielen Herstellern in sehr ähnlicher Weise angeboten werden. Die Beine viereckig, die beiden vorderen gerade Stäbe, die Hinterbeine etwas zurückgebogen. Eine abgerundete Leiste auf Schulterhöhe formt die Rückenlehne. Die Sitzhöhe mit 46 cm: hoch. Dieser weitverbreitete Typ ist als »Frankfurter Stuhl« bekannt, seit er 1926 in einer Ausstellung der sogenannten Frankfurter Küche zu sehen war. An der Erscheinung des Frankfurter Stuhls ändert Max Stoelcker nur wenig. Er vereinfacht aber die Produktionstechnik so wesentlich, dass er dafür 1935 einen Gebrauchsmusterschutz erhält. Er nennt seinen Stuhl »Modell 2200«. Als ersten Großauftrag stattet er damit 1936 alle Mannschaftsunterkünfte der Olympischen Spiele in Berlin aus. In der Folge wird die gesamte Deutsche Wehrmacht mit dem Stuhl von »Bombenstabil« beliefert, und auch für die Reichspost, die Reichsbahn und viele Behörden wird seine Anschaffung vorgeschrieben. Bis weit in die Siebziger Jahre ist er überall dort allgegenwärtig, wo der deutsche Staat seinen Bürgern einen Stuhl anbietet. Und wann immer diese darauf Platz zu nehmen haben, erwarten sie kleinliche Haarspalterei oder peinliche Korrektheit: In Schulen, bei vielen Behörden, bei der Bundesbahn, der Bundeswehr und der Bundespost. Dadurch wird dieser Bundesstuhl zum typisch deutschen Amtssitz. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.