Was wir nicht gebrauchen können, das treten wir in die Tonne. Mit diesem Sprachbild des In-die-Tonne-Tretens beschreiben wir anschaulich das Befördern in den Mülleimer. Das ist insofern eigentümlich, als die Füße doch eigentlich beim Wegwerfen überhaupt nicht benötigt werden. Aber tatsächlich gibt es ein mittlerweile klassisches Produkt, das eine unerwartete und doch naheliegende Verbindung zwischen dem Tritt und dem Müll herstellt: Der Tretmülleimer, den der Däne Holger Nielsen 1939 erfindet und den er »Vipp« nennt wegen des wippenden Geräusches, das der Deckel beim Öffnen macht. Holger Nielsen, geboren 1915, ist Medalldreher und betreibt einen eigenen Betrieb, seit er 17 Jahre alt ist. Mit 24 heiratet er. Seine Frau Marie Axelsen ist Friseurin und möchte 1939 einen Damensalon im dänischen Ort Randers eröffnen. Auf historischen Aufnahmen sieht man, dass der frisch eröffnete Salon grandios modern eingerichtet ist: Der Raum wirkt hell und licht, vor allem dank der chromblitzenden Stahlrohrmöbel. Die Stühle, Tische, Stehlampen und Haartrockner verbreiten eine Atmosphäre technischer Präzision und Klarheit. Zur Ergänzung wünscht sich die junge Ehefrau von ihrem Handwerks-Gatten einen stilistisch passenden Mülleimer. Holger Nielsen erfüllt ihr diesen Wunsch und fertigt für sie einen etwa 65 cm hohen Zylinder mit einem zweistufigen flachen Sockel wie bei einer Säule. Dieser Corpus ist cremeweiß lackiert. Der wellig abgestufte Deckel hingegen ist verchromter Stahl und fügt sich damit perfekt in die umgebende Ästhetik der übrigen Stahlrohrmöbel ein. Um ihn zu öffnen, braucht die Friseurin ihre Hände nicht, dafür genügt ihr ein Tritt auf ein diskret angebrachtes Pedal am Sockel des Eimers. Den Kundinnen gefällt diese Objekt so gut, dass sie es für die Einrichtung der Arzt- und Zahnarztpraxen ihrer Gatten bei Holger Nielsen in Auftrag geben. So beginnt die flächendeckende Verbreitung des schweren und doch so leicht wirkenden Metall-Treteimers in dänischen Arztpraxen. Holger Nielsen tauft ihn auf den Namen »Vipp«, nimmt die Serienfertigung auf und entwickelt das Metallprodukt behutsam weiter. 1949 ist der sichtbarste Unterschied zum Ur-Eimer, dass der Deckel nicht mehr wellig geformt ist, sondern eine schlichte abgeflachte Kuppel bildet. Dadurch hat er seine bis heute gültige Form gefunden. Bis zum Tod des Firmengründers 1992 bleibt der Treteimer eine Branchenspezialität insbesondere der Ärzte. Erst seine jüngste Tochter, Jette Eglund, die nun die Firmenleitung übernimmt, erkennt das Potential des Eimers zum Kult-Objekt. Sie entwickelt Varianten fürs Badezimmer und die Küche, lässt mehrere Farbserien auflegen, arbeitet mit internationalen Star-Designern zusammen und präsentiert die Produkte im Louvre und in New York. Dadurch etabliert sie Vipp als einen Markenartikel, dessen Qualität mehr wert ist als weniger ausgefeilte Plagiate. So bestätigt diese Firmengeschichte letztlich, dass Handwerk goldenen Boden hat. Auch wenn es am Grund eines Mülleimers zu suchen ist. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [231]
Was wir nicht gebrauchen können, das treten wir in die Tonne. Mit diesem Sprachbild des In-die-Tonne-Tretens beschreiben wir anschaulich das Befördern in den Mülleimer. Das ist insofern eigentümlich, als die Füße doch eigentlich beim Wegwerfen überhaupt nicht benötigt werden. Aber tatsächlich gibt es ein mittlerweile klassisches Produkt, das eine unerwartete und doch naheliegende Verbindung zwischen dem Tritt und dem Müll herstellt: Der Tretmülleimer, den der Däne Holger Nielsen 1939 erfindet und den er »Vipp« nennt wegen des wippenden Geräusches, das der Deckel beim Öffnen macht. Holger Nielsen, geboren 1915, ist Medalldreher und betreibt einen eigenen Betrieb, seit er 17 Jahre alt ist. Mit 24 heiratet er. Seine Frau Marie Axelsen ist Friseurin und möchte 1939 einen Damensalon im dänischen Ort Randers eröffnen. Auf historischen Aufnahmen sieht man, dass der frisch eröffnete Salon grandios modern eingerichtet ist: Der Raum wirkt hell und licht, vor allem dank der chromblitzenden Stahlrohrmöbel. Die Stühle, Tische, Stehlampen und Haartrockner verbreiten eine Atmosphäre technischer Präzision und Klarheit. Zur Ergänzung wünscht sich die junge Ehefrau von ihrem Handwerks-Gatten einen stilistisch passenden Mülleimer. Holger Nielsen erfüllt ihr diesen Wunsch und fertigt für sie einen etwa 65 cm hohen Zylinder mit einem zweistufigen flachen Sockel wie bei einer Säule. Dieser Corpus ist cremeweiß lackiert. Der wellig abgestufte Deckel hingegen ist verchromter Stahl und fügt sich damit perfekt in die umgebende Ästhetik der übrigen Stahlrohrmöbel ein. Um ihn zu öffnen, braucht die Friseurin ihre Hände nicht, dafür genügt ihr ein Tritt auf ein diskret angebrachtes Pedal am Sockel des Eimers. Den Kundinnen gefällt diese Objekt so gut, dass sie es für die Einrichtung der Arzt- und Zahnarztpraxen ihrer Gatten bei Holger Nielsen in Auftrag geben. So beginnt die flächendeckende Verbreitung des schweren und doch so leicht wirkenden Metall-Treteimers in dänischen Arztpraxen. Holger Nielsen tauft ihn auf den Namen »Vipp«, nimmt die Serienfertigung auf und entwickelt das Metallprodukt behutsam weiter. 1949 ist der sichtbarste Unterschied zum Ur-Eimer, dass der Deckel nicht mehr wellig geformt ist, sondern eine schlichte abgeflachte Kuppel bildet. Dadurch hat er seine bis heute gültige Form gefunden. Bis zum Tod des Firmengründers 1992 bleibt der Treteimer eine Branchenspezialität insbesondere der Ärzte. Erst seine jüngste Tochter, Jette Eglund, die nun die Firmenleitung übernimmt, erkennt das Potential des Eimers zum Kult-Objekt. Sie entwickelt Varianten fürs Badezimmer und die Küche, lässt mehrere Farbserien auflegen, arbeitet mit internationalen Star-Designern zusammen und präsentiert die Produkte im Louvre und in New York. Dadurch etabliert sie Vipp als einen Markenartikel, dessen Qualität mehr wert ist als weniger ausgefeilte Plagiate. So bestätigt diese Firmengeschichte letztlich, dass Handwerk goldenen Boden hat. Auch wenn es am Grund eines Mülleimers zu suchen ist. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.