Der Blog der Herausgeber zur Publikation:http://geschichte-nachhaltigen-designs.deEin Auszug aus dieser Publikation:»Nachhaltiges Design gab es schon, bevor sich dieser Begriff dafür eingebürgert hat. Eine solchermaßen nachträgliche Etikettierung ist nichts Ungewöhnliches. Für die Geschichtswissenschaft gehört es zum Tagesgeschäft, ein Phänomen im nachhinein durch einen Begriff zu kennzeichnen, welchen seine Zeitgenossen nicht verwendet haben. Zum Beispiel wurde 1851 in London eine Ausstellung von noch nie dagewesener Art gezeigt. Sie wurde The Great Exhibition genannt. Ihr Titel traf den Kern der Sache ziemlich genau auf den Punkt: Die Besucher erwartete ein Glashaus, das sechsmal so groß war wie die Londoner St Paul‘s Cathedral und in dessen Hallen die unvorstellbare Masse von einer Million Maschinen und maschinell erzeugten Waren aus vielen Nationen zu sehen waren. Heute ist diese Schau unter einem ganz anderen als dem zeitgenössischen Begriff berühmt: Wir bezeichnen sie als die erste Weltausstellung. Eine Darstellung der Geschichte des nachhaltigen Designs bedarf also der Klärung, was mit diesem Begriff gemeint sei. Eine eindeutige, trennscharfe Definition gibt es nicht, weder für Nachhaltigkeit noch für Design. Denn das Phänomen Design besteht substanziell aus widersprüchlichen Facetten. Deshalb ist auch der Begriff missverständlich. Er wird sogar immer unschärfer, je mehr der Blick zu den Bedeutungsrändern schweift, zu den Übergängen an angrenzende Phänomene, etwa zur Kunst oder zum Handwerk, um nur zwei davon willkürlich herauszugreifen. Im Kern handelt es sich bei Design um Gestaltung innerhalb eines kommerziellen, arbeitsteiligen und industriellen Zusammenhangs, dessen Ziel in einer Serienproduktion besteht. Das Ergebnis, die Produkte, sind Botschaften und Waren. Zu einer vollständigen Definition des Phänomens Design zählen zweifellos noch viel mehr Aspekte. Die Gestaltung von Handlungen und Abläufen beispielsweise (sog. Servicedesign) ist darin vollkommen unberücksichtigt. Allerdings scheinen es diese vier genannten Kriterien des Kontextes von Gestaltung (kommerziell, arbeitsteilig, industriell, seriell) zu sein, die allgemein als Charakteristika des Designs akzeptiert werden – während über alle weiteren Aspekte gestritten wird. Es handelt sich also bei dieser Definition des Bedeutungskerns von Design um nichts mehr als um den kleinsten gemeinsamen Nenner der Verständigung darüber, worüber wir eigentlich reden, wenn wir über Design reden. Wenn wir uns auf diese (nur eingeschränkt hilfreiche) Definition verständigen, beginnt die Geschichte des Designs zwangsläufig mit der Industrialisierung. Design wird deshalb hier als eine Erscheinung der industrialisierten Gesellschaft verstanden. Der Buchdruck Johannes Gutenbergs hingegen wird demzufolge als Handwerk begriffen, weil sich sein maschinell vervielfältigtes Buch substanziell von einem industriell produzierten unterscheidet. Es wäre falsch, beides »Design« zu nennen und dadurch die Unterschiede unkenntlich zu machen, weil die Systeme (Texterzeugung, Bilderzeugung, Gestaltung, Druck, Bindung, Verbreitung, Rezeption), innerhalb derer sie existierten, fundamental unterschiedlich gewesen sind – ganz abgesehen von den jeweiligen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhängen. Das Etikett nachhaltig muss ebenfalls erläutert werden. Ebenso wenig, wie Designer sich im Jahr 1880 als Designer bezeichnet haben, haben sie von nachhaltigem Design gesprochen. Der Begriff Design benennt beide Aspekte der Tätigkeit: Sowohl den Prozess des Hervorbringens und Erzeugens also auch das fertige Ergebnis. Wenn heute rückblickend von nachhaltigem Design avant la lettre gesprochen wird, dann kann sich diese Qualifizierung nachhaltig nur auf zwei Dimensionen des Designs beziehen. Entweder wird damit das Produkt so bewertet, dass es heutigen Maßstäben, die mit der Forderung nach Nachhaltigkeit verbunden sind, genügt. Es kann sich etwa um einen Stuhl handeln, für dessen Herstellung besonders wenig Energie und Wasser benötigt werden; dessen Material aus wenigen, sortenreinen Rohstoffen besteht, die natürlichen Ursprungs sind und aus der Umgebung der Fabrik stammen; der nicht unnötig schwer, aber dafür vielseitig und lange nutzbar ist und im Schadensfall einfach repariert werden kann; für dessen gesamten Produktions-‐ und Verkaufsprozess möglichst wenig Lieferketten und möglichst kurze Transportwege unterhalten werden; dessen herstellendes Unternehmen auf faire Bezahlung, gesundheitlich unbedenkliche Arbeitsplätze und soziale Unterstützung seiner eigenen Mitarbeiter und der Mitarbeiter seiner Lieferanten und Handelspartner Wert legt; und dessen äußere Beschaffenheit (Form, Materialien, Farben, Proportionen, Verarbeitung) vielen Menschen jahre-‐ und jahrzehntelang gefällt. Wie wichtig all diese Faktoren sind, wissen wir heute. In der Vergangenheit haben die Designer jedoch nur vereinzelt ihren Blick auf sie gerichtet, weil für die Gesellschaft, in der sie lebten, das Thema Nachhaltigkeit in seiner umfassenden Komplexität keine Rolle spielte. Deshalb kann das Etikett »nachhaltig« sinnvollerweise auch nur eingeschränkt für die Anfänge des Designs verwendet werden: Wenn einzelne Aspekte im nachhinein als nachhaltig bewertet werden. Etwa wenn die äußere Form des Stuhls seit 160 Jahren im wesentlichen unverändert ist, wie es beim berühmten Kaffeehausstuhl von Michael Thonet der Fall ist. Formalästhetisch kann man hierbei von nachhaltigem Design sprechen. Aber diese Aussage wäre lediglich ein oberflächliches Urteil, weil das gesamte System, das für seine Herstellung notwendig ist, unberücksichtigt bleibt. Oder es wird der Prozess qualifiziert, der zum fertigen Design geführt hat. Ein wesentlicher Aspekt dieses Prozesses ist die Absicht des Einzelnen, der diesen Prozess vorantreibt – ganz gleich, ob es sich dabei um Designer, Architekten, Künstler, Unternehmer, Beamte oder Politiker handelt (meist war es auch nicht nur ein Einzelner, sondern es waren mehrere, und keineswegs nur Männer, sondern oft auch Frauen). Sucht diese Antriebskraft nur einen kurzfristigen kommerziellen Erfolg oder will sie ein langfristig erfolgreiches Produkt entwickeln? Konzentriert sie sich nur auf das Äußere des Produktes oder bemüht sie sich darum, einen Beitrag zum gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Kontext ihrer Zeit zu liefern? Um diesen Kriterien zu genügen, muss man nicht den Begriff »nachhaltig« verwenden. Die Entwicklung des Designs erhält von Anfang an Schub durch viele Antriebskräfte, deren Absichten aus heutiger Sicht als nachhaltig bezeichnet werden können, auch wenn die Zeitgenossen dafür andere Worte gewählt haben. Deshalb ist es legitim, eine Geschichte des nachhaltigen Designs zu schreiben, obwohl dieses Vorhaben auf den ersten Blick wie ein Anachronismus erscheinen mag.« […] Den vollständigen Beitrag finden Sie im Buch. Wenn Sie diese Publikation kommentieren oder mehr wissen möchten,können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [334]
Der Blog der Herausgeber zur Publikation:http://geschichte-nachhaltigen-designs.de Ein Auszug aus dieser Publikation:»Nachhaltiges Design gab es schon, bevor sich dieser Begriff dafür eingebürgert hat. Eine solchermaßen nachträgliche Etikettierung ist nichts Ungewöhnliches. Für die Geschichtswissenschaft gehört es zum Tagesgeschäft, ein Phänomen im nachhinein durch einen Begriff zu kennzeichnen, welchen seine Zeitgenossen nicht verwendet haben. Zum Beispiel wurde 1851 in London eine Ausstellung von noch nie dagewesener Art gezeigt. Sie wurde The Great Exhibition genannt. Ihr Titel traf den Kern der Sache ziemlich genau auf den Punkt: Die Besucher erwartete ein Glashaus, das sechsmal so groß war wie die Londoner St Paul‘s Cathedral und in dessen Hallen die unvorstellbare Masse von einer Million Maschinen und maschinell erzeugten Waren aus vielen Nationen zu sehen waren. Heute ist diese Schau unter einem ganz anderen als dem zeitgenössischen Begriff berühmt: Wir bezeichnen sie als die erste Weltausstellung. Eine Darstellung der Geschichte des nachhaltigen Designs bedarf also der Klärung, was mit diesem Begriff gemeint sei. Eine eindeutige, trennscharfe Definition gibt es nicht, weder für Nachhaltigkeit noch für Design. Denn das Phänomen Design besteht substanziell aus widersprüchlichen Facetten. Deshalb ist auch der Begriff missverständlich. Er wird sogar immer unschärfer, je mehr der Blick zu den Bedeutungsrändern schweift, zu den Übergängen an angrenzende Phänomene, etwa zur Kunst oder zum Handwerk, um nur zwei davon willkürlich herauszugreifen. Im Kern handelt es sich bei Design um Gestaltung innerhalb eines kommerziellen, arbeitsteiligen und industriellen Zusammenhangs, dessen Ziel in einer Serienproduktion besteht. Das Ergebnis, die Produkte, sind Botschaften und Waren. Zu einer vollständigen Definition des Phänomens Design zählen zweifellos noch viel mehr Aspekte. Die Gestaltung von Handlungen und Abläufen beispielsweise (sog. Servicedesign) ist darin vollkommen unberücksichtigt. Allerdings scheinen es diese vier genannten Kriterien des Kontextes von Gestaltung (kommerziell, arbeitsteilig, industriell, seriell) zu sein, die allgemein als Charakteristika des Designs akzeptiert werden – während über alle weiteren Aspekte gestritten wird. Es handelt sich also bei dieser Definition des Bedeutungskerns von Design um nichts mehr als um den kleinsten gemeinsamen Nenner der Verständigung darüber, worüber wir eigentlich reden, wenn wir über Design reden. Wenn wir uns auf diese (nur eingeschränkt hilfreiche) Definition verständigen, beginnt die Geschichte des Designs zwangsläufig mit der Industrialisierung. Design wird deshalb hier als eine Erscheinung der industrialisierten Gesellschaft verstanden. Der Buchdruck Johannes Gutenbergs hingegen wird demzufolge als Handwerk begriffen, weil sich sein maschinell vervielfältigtes Buch substanziell von einem industriell produzierten unterscheidet. Es wäre falsch, beides »Design« zu nennen und dadurch die Unterschiede unkenntlich zu machen, weil die Systeme (Texterzeugung, Bilderzeugung, Gestaltung, Druck, Bindung, Verbreitung, Rezeption), innerhalb derer sie existierten, fundamental unterschiedlich gewesen sind – ganz abgesehen von den jeweiligen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhängen. Das Etikett nachhaltig muss ebenfalls erläutert werden. Ebenso wenig, wie Designer sich im Jahr 1880 als Designer bezeichnet haben, haben sie von nachhaltigem Design gesprochen. Der Begriff Design benennt beide Aspekte der Tätigkeit: Sowohl den Prozess des Hervorbringens und Erzeugens also auch das fertige Ergebnis. Wenn heute rückblickend von nachhaltigem Design avant la lettre gesprochen wird, dann kann sich diese Qualifizierung nachhaltig nur auf zwei Dimensionen des Designs beziehen. Entweder wird damit das Produkt so bewertet, dass es heutigen Maßstäben, die mit der Forderung nach Nachhaltigkeit verbunden sind, genügt. Es kann sich etwa um einen Stuhl handeln, für dessen Herstellung besonders wenig Energie und Wasser benötigt werden; dessen Material aus wenigen, sortenreinen Rohstoffen besteht, die natürlichen Ursprungs sind und aus der Umgebung der Fabrik stammen; der nicht unnötig schwer, aber dafür vielseitig und lange nutzbar ist und im Schadensfall einfach repariert werden kann; für dessen gesamten Produktions-‐ und Verkaufsprozess möglichst wenig Lieferketten und möglichst kurze Transportwege unterhalten werden; dessen herstellendes Unternehmen auf faire Bezahlung, gesundheitlich unbedenkliche Arbeitsplätze und soziale Unterstützung seiner eigenen Mitarbeiter und der Mitarbeiter seiner Lieferanten und Handelspartner Wert legt; und dessen äußere Beschaffenheit (Form, Materialien, Farben, Proportionen, Verarbeitung) vielen Menschen jahre-‐ und jahrzehntelang gefällt. Wie wichtig all diese Faktoren sind, wissen wir heute. In der Vergangenheit haben die Designer jedoch nur vereinzelt ihren Blick auf sie gerichtet, weil für die Gesellschaft, in der sie lebten, das Thema Nachhaltigkeit in seiner umfassenden Komplexität keine Rolle spielte. Deshalb kann das Etikett »nachhaltig« sinnvollerweise auch nur eingeschränkt für die Anfänge des Designs verwendet werden: Wenn einzelne Aspekte im nachhinein als nachhaltig bewertet werden. Etwa wenn die äußere Form des Stuhls seit 160 Jahren im wesentlichen unverändert ist, wie es beim berühmten Kaffeehausstuhl von Michael Thonet der Fall ist. Formalästhetisch kann man hierbei von nachhaltigem Design sprechen. Aber diese Aussage wäre lediglich ein oberflächliches Urteil, weil das gesamte System, das für seine Herstellung notwendig ist, unberücksichtigt bleibt. Oder es wird der Prozess qualifiziert, der zum fertigen Design geführt hat. Ein wesentlicher Aspekt dieses Prozesses ist die Absicht des Einzelnen, der diesen Prozess vorantreibt – ganz gleich, ob es sich dabei um Designer, Architekten, Künstler, Unternehmer, Beamte oder Politiker handelt (meist war es auch nicht nur ein Einzelner, sondern es waren mehrere, und keineswegs nur Männer, sondern oft auch Frauen). Sucht diese Antriebskraft nur einen kurzfristigen kommerziellen Erfolg oder will sie ein langfristig erfolgreiches Produkt entwickeln? Konzentriert sie sich nur auf das Äußere des Produktes oder bemüht sie sich darum, einen Beitrag zum gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Kontext ihrer Zeit zu liefern? Um diesen Kriterien zu genügen, muss man nicht den Begriff »nachhaltig« verwenden. Die Entwicklung des Designs erhält von Anfang an Schub durch viele Antriebskräfte, deren Absichten aus heutiger Sicht als nachhaltig bezeichnet werden können, auch wenn die Zeitgenossen dafür andere Worte gewählt haben. Deshalb ist es legitim, eine Geschichte des nachhaltigen Designs zu schreiben, obwohl dieses Vorhaben auf den ersten Blick wie ein Anachronismus erscheinen mag.« […] Den vollständigen Beitrag finden Sie im Buch. Wenn Sie diese Publikation kommentieren oder mehr wissen möchten,können Sie mir gerne eine E-Mail senden.