Zu dieser Publikation George Nelson: Das ist doch der Amerikaner, dem wir das knallbunte Marshmallow-Sofa zu verdanken haben, die Wanduhren mit Kugelzeigern (ebenfalls knallbunt) und den Kokosnuss-Sessel. Stimmt, aber nur zu geringen Teilen. Gewiss hat Nelson insofern Anteil an der Entwicklung dieser Produkte, als er mit seinem Studio (George Nelson Associates, Inc.) den wirtschaftlichen und arbeitskulturellen Rahmen erzeugt und zur Verfügung gestellt hat. Aber maßgeblich verantwortlich für den Entwurf des Marshmallow-Sofas und der Kugelzeiger-Uhren war sein Mitarbeiter Irving Harper; sowie George Mulhauser für den Kokosnuss-Sessel. Eine vergleichbare Verzerrung der historischen Wirklichkeit durch die Fokussierung der Rezeption auf einen Superstar erleben wir seit geraumer Zeit auch bei Dieter Rams, dessen Rolle eines Helden bei der Entwicklung des Braun-Designs keinen Raum lässt für die angemessene Würdigung der Leistungen von Externen wie Hans Gugelot und Otl Aicher (z.B. beim legendären Schneewittchensarg) und von Mitarbeiten des Braun-Designteams wie Dietrich Lubs, Gerd Alfred Müller, Reinhold Weiss u.v.m. George Nelson ist einer von vielen tragischen Repräsentanten des zentralen Missverständnisses der gestalterischen Moderne, der die Überzeugung geteilt hat, dass gutes Design zeitlos sei. Aber gerade Resultate, die aus dieser Prämisse hervorgegangen sind, erscheinen uns heute besonders eindeutig dem formalästhetischen Kanon ihrer Zeit verhaftet. Auf dieser Haftung beruht zum großen Teil auch ihre aktuelle Anziehungskraft. Denn diese Formen transportieren den Glauben daran, dass Fortschritt möglich sei. Nach einer derart unschuldigen Zeit sehnen wir uns heute zurück, wo solch eine Fortschrittsgläubigkeit noch geteilt werden konnte. So naiv müsste man (noch einmal) sein dürfen! Das Ziel des Fortschritts der 1950er und 1960er Jahre besteht paradoxerweise im Stillstand, im Ende der Zeiten, das anbricht, sobald der endgültige und damit zeitlose Entwurf realisiert wurde. Georgen Nelson ist auch ein Gestalter, der – wie so oft – grundsätzlich missverstanden wird, wenn man ihn nur auf die schicke Oberflächer seiner kommerziellen Top 3 reduziert. Denn es scheint so, als ob nicht der Geschäftserfolg, sondern eine gesellschaftspolitische Vorstellung seinem Schaffen Antriebskraft verliehen hat. Von der langanhaltend erfolgreichen Büromöbelserie »Action Office II/Office Cubicle«, die dem Hersteller Hermann Miller im Laufe der Jahre zu einem Umsatz von 5 Mrd. US-Dollar verholfen hat, distanzierte sich Nelson, weil dieses Möbelsystem in seinen Augen den Menschen zum Arbeitssklaven und Büro-Zombie degradierte. Diese politische Dimension des Werks von George Nelson – nicht nur als Designer und Architekt, sondern auch als Publizist und Ausstellungsmacher für die US-amerikanische Regierung im Kalten Krieg – wird jetzt im Buch von Jochen Eisenbrand unter die Lupe genommen. Wenn Sie dies kommentieren oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [386]
Zu dieser Publikation George Nelson: Das ist doch der Amerikaner, dem wir das knallbunte Marshmallow-Sofa zu verdanken haben, die Wanduhren mit Kugelzeigern (ebenfalls knallbunt) und den Kokosnuss-Sessel. Stimmt, aber nur zu geringen Teilen. Gewiss hat Nelson insofern Anteil an der Entwicklung dieser Produkte, als er mit seinem Studio (George Nelson Associates, Inc.) den wirtschaftlichen und arbeitskulturellen Rahmen erzeugt und zur Verfügung gestellt hat. Aber maßgeblich verantwortlich für den Entwurf des Marshmallow-Sofas und der Kugelzeiger-Uhren war sein Mitarbeiter Irving Harper; sowie George Mulhauser für den Kokosnuss-Sessel. Eine vergleichbare Verzerrung der historischen Wirklichkeit durch die Fokussierung der Rezeption auf einen Superstar erleben wir seit geraumer Zeit auch bei Dieter Rams, dessen Rolle eines Helden bei der Entwicklung des Braun-Designs keinen Raum lässt für die angemessene Würdigung der Leistungen von Externen wie Hans Gugelot und Otl Aicher (z.B. beim legendären Schneewittchensarg) und von Mitarbeiten des Braun-Designteams wie Dietrich Lubs, Gerd Alfred Müller, Reinhold Weiss u.v.m. George Nelson ist einer von vielen tragischen Repräsentanten des zentralen Missverständnisses der gestalterischen Moderne, der die Überzeugung geteilt hat, dass gutes Design zeitlos sei. Aber gerade Resultate, die aus dieser Prämisse hervorgegangen sind, erscheinen uns heute besonders eindeutig dem formalästhetischen Kanon ihrer Zeit verhaftet. Auf dieser Haftung beruht zum großen Teil auch ihre aktuelle Anziehungskraft. Denn diese Formen transportieren den Glauben daran, dass Fortschritt möglich sei. Nach einer derart unschuldigen Zeit sehnen wir uns heute zurück, wo solch eine Fortschrittsgläubigkeit noch geteilt werden konnte. So naiv müsste man (noch einmal) sein dürfen! Das Ziel des Fortschritts der 1950er und 1960er Jahre besteht paradoxerweise im Stillstand, im Ende der Zeiten, das anbricht, sobald der endgültige und damit zeitlose Entwurf realisiert wurde. Georgen Nelson ist auch ein Gestalter, der – wie so oft – grundsätzlich missverstanden wird, wenn man ihn nur auf die schicke Oberflächer seiner kommerziellen Top 3 reduziert. Denn es scheint so, als ob nicht der Geschäftserfolg, sondern eine gesellschaftspolitische Vorstellung seinem Schaffen Antriebskraft verliehen hat. Von der langanhaltend erfolgreichen Büromöbelserie »Action Office II/Office Cubicle«, die dem Hersteller Hermann Miller im Laufe der Jahre zu einem Umsatz von 5 Mrd. US-Dollar verholfen hat, distanzierte sich Nelson, weil dieses Möbelsystem in seinen Augen den Menschen zum Arbeitssklaven und Büro-Zombie degradierte. Diese politische Dimension des Werks von George Nelson – nicht nur als Designer und Architekt, sondern auch als Publizist und Ausstellungsmacher für die US-amerikanische Regierung im Kalten Krieg – wird jetzt im Buch von Jochen Eisenbrand unter die Lupe genommen. Wenn Sie dies kommentieren oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.