Zu dieser PublikationFrankfurt ist Anfang der 1970er Jahre eine Stadt, die für größere Teile der Bevölkerung keinen attraktiven Lebensraum bietet. Mediokre Architekten der Moderne hatten den Altbau-Bestand durch technisch-bürokratische motivierte Konstruktionen ersetzt. Die Menschen finden sich zunehmend auf öden Asphaltbrachen von inhumanen Hochhäusern umzingelt. Gegen die »Unwirtlichkeit unserer Städte« (Alexander Mitscherlich) rege sich Wiederstand. Die Stadt am Main wird »Krankfurt« und »Bankfurt« genannt. Das Schauspielhaus sieht Sprengstoff als Mittel einer neuen Utopie für eine bessere Zukunft. In dieser Situation formieren vier führende Kommunalpolitiker eine seltene Allianz, die eine Dekade lang hält und noch länger wirkt: Oberbürgermeister, Stadtkämmerer, Kulturdezernent und Baudezernent wollen unter der Parole »Kultur für alle« neue städtebauliche Impulse hervorbringen. So entsteht u.a. die Museumsmeile mit Häusern für Architektur, Design, Kommunikation und Völkerkunde. Ungenutzte Villen am Mainufer, die der Zeitgeist als protzige Relikte eines überkommenen Historismus ablehnt, geraten in den Fokus eines neuen Umgangs mit dem stadträumlichen Bestand. Oswald Matthias Ungers erhält den Auftrag, eine dieser Villen im Sinne der neuen intellektuell-ästhetischen Bewegung gegen die Banalität der bösen Moderne zu revitalisieren. Er reüssiert, weil er – wie ein Zauberer sein Kaninchen – das neue Haus aus dem Zylinder der alten Villa herauszieht. Ein magischer Moment der Architekturgeschichte! Aber rasch ist der Effekt verpufft und die Vorstellung beendet. Am Gründungsdirektor des Deutschen Architekturmuseums, Heinrich Klotz, klebt das Etikett eines Missionars für diese Bewegung, an der das Etikett »Postmoderne« klebt. Er hatte – gegen Intellektuelle wie Walter Killy und Abraham Moles – für die Berechtigung des Kitsches in der Architektur polemisiert. Seine Rede vom »Röhren des Hirsches« ist allerdings nicht zu einer starren Formel geronnen wie etwa Adolf Loos‘ »Ornament und Verbrechen«. Und wie Loos alles andere als schmucklos gebaut hat, so hat Klotz beileibe nicht nur Akteure und Ideen der Postmoderne mit Ausstellungen thematisiert. In den knapp 6 Jahren seiner Tätigkeit als Direktor des DAM verantwortete er fast 50 Ausstellungen mit einem weiten Spektrum, von Ernst May über Mies van der Rohe und zeitgenössisches Design bis zur Architektur in der Kunst. Im der Zentrum der Ausstellung steht die Sammlung, die Klotz für das Museum angelegt hat. Hier finden wir Kitsch wie ein Sofa von dem Typ, auf dem es sich Hermann Göring bequem machte; originale Bauteile von Frei Ottos Pavillon für die Weltausstellung in Montreal 1976 – und reichlich Zeichnungen von Ungers, Venturi und Kollegen. Die facettenreiches Kontexte und Beziehungen erzeugen nicht nur ein einziges monolithisches Mosaik, sondern es unterliegt der Konstruktionsleistung des Betrachters, seine eigenen Bilder vom Menschen, seiner Zeit und seiner Tätigkeit zu formen – jenseits der Klebeetiketten und Abziehbilder. Wenn Sie dies kommentieren oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [400]
Zu dieser PublikationFrankfurt ist Anfang der 1970er Jahre eine Stadt, die für größere Teile der Bevölkerung keinen attraktiven Lebensraum bietet. Mediokre Architekten der Moderne hatten den Altbau-Bestand durch technisch-bürokratische motivierte Konstruktionen ersetzt. Die Menschen finden sich zunehmend auf öden Asphaltbrachen von inhumanen Hochhäusern umzingelt. Gegen die »Unwirtlichkeit unserer Städte« (Alexander Mitscherlich) rege sich Wiederstand. Die Stadt am Main wird »Krankfurt« und »Bankfurt« genannt. Das Schauspielhaus sieht Sprengstoff als Mittel einer neuen Utopie für eine bessere Zukunft. In dieser Situation formieren vier führende Kommunalpolitiker eine seltene Allianz, die eine Dekade lang hält und noch länger wirkt: Oberbürgermeister, Stadtkämmerer, Kulturdezernent und Baudezernent wollen unter der Parole »Kultur für alle« neue städtebauliche Impulse hervorbringen. So entsteht u.a. die Museumsmeile mit Häusern für Architektur, Design, Kommunikation und Völkerkunde. Ungenutzte Villen am Mainufer, die der Zeitgeist als protzige Relikte eines überkommenen Historismus ablehnt, geraten in den Fokus eines neuen Umgangs mit dem stadträumlichen Bestand. Oswald Matthias Ungers erhält den Auftrag, eine dieser Villen im Sinne der neuen intellektuell-ästhetischen Bewegung gegen die Banalität der bösen Moderne zu revitalisieren. Er reüssiert, weil er – wie ein Zauberer sein Kaninchen – das neue Haus aus dem Zylinder der alten Villa herauszieht. Ein magischer Moment der Architekturgeschichte! Aber rasch ist der Effekt verpufft und die Vorstellung beendet. Am Gründungsdirektor des Deutschen Architekturmuseums, Heinrich Klotz, klebt das Etikett eines Missionars für diese Bewegung, an der das Etikett »Postmoderne« klebt. Er hatte – gegen Intellektuelle wie Walter Killy und Abraham Moles – für die Berechtigung des Kitsches in der Architektur polemisiert. Seine Rede vom »Röhren des Hirsches« ist allerdings nicht zu einer starren Formel geronnen wie etwa Adolf Loos‘ »Ornament und Verbrechen«. Und wie Loos alles andere als schmucklos gebaut hat, so hat Klotz beileibe nicht nur Akteure und Ideen der Postmoderne mit Ausstellungen thematisiert. In den knapp 6 Jahren seiner Tätigkeit als Direktor des DAM verantwortete er fast 50 Ausstellungen mit einem weiten Spektrum, von Ernst May über Mies van der Rohe und zeitgenössisches Design bis zur Architektur in der Kunst. Im der Zentrum der Ausstellung steht die Sammlung, die Klotz für das Museum angelegt hat. Hier finden wir Kitsch wie ein Sofa von dem Typ, auf dem es sich Hermann Göring bequem machte; originale Bauteile von Frei Ottos Pavillon für die Weltausstellung in Montreal 1976 – und reichlich Zeichnungen von Ungers, Venturi und Kollegen. Die facettenreiches Kontexte und Beziehungen erzeugen nicht nur ein einziges monolithisches Mosaik, sondern es unterliegt der Konstruktionsleistung des Betrachters, seine eigenen Bilder vom Menschen, seiner Zeit und seiner Tätigkeit zu formen – jenseits der Klebeetiketten und Abziehbilder. Wenn Sie dies kommentieren oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.