29.3.2016 / Alles ist ein großes Wort. Alles: Da gibt es keine Ausnahmen, keine Grauzonen, keine Übergänge. Nur entweder oder. Alles oder nichts. Alles ist Design, kündigt die Bauhaus-Ausstellung in ihrem Untertitel an. Ich bin nicht ganz sicher, ob es sich dabei um ein Versprechen oder um eine Drohung handelt. Zumindest wirft die Aussage Fragen auf. Das bietet Anlass zum Austausch von Standpunkten und Ansichten, und so entspricht sie auch ein wenig den Erwartungen, die an die Formulierung eines griffigen Ausstellungstitels gerichtet werden. Ein wenig Reklame mag mitschwingen, das ist legitim. Deshalb ist es auch verzeihlich, dass es sich ganz offenkundig um eine Falschaussage handelt, wenn wir sie wörtlich nehmen. Denn welcher vernünftige Mensch käme auf den Gedanken, Reklame beim Wort zu nehmen?Zwei Aspekte sind bei dieser Formel »Alles ist Design« im Zusammenhang mit dem Bauhaus bemerkenswert. Zum einen drückt »Alles ist Design« eine Tendenz aus, die vielen Zeitgenossen nicht ganz geheuer ist. Dieses Unwohlsein speist sich aus der unscharfen, atmosphärischen Wahrnehmung der Gegenwart: Beim Blick ins Warenhaus, auf die Straße und in den Bildschirm erscheint irgendwie alles und jeder »designt« (ein scheußliches Wort). Damit ist gemeint: Effekthascherisch aufgeblasen, stromlinienförmig abgeschliffen, vom Tatsächlichen ablenkend, wegen der Inszenierung überteuert, für den Moment der Kaufentscheidung manipulierend, substantiell minderwertig und deswegen tendenziell betrügerisch – und zugleich auf eine magische, unheimliche Art anziehend, betörend, überraschend, einfallsreich. Mit »Design« wird landläufig ein Zustand zwischen Gag und Genie assoziiert. Kein Wunder, denn die Selbstdarstellung vieler Designerinnen und Designer beförderte dieses Zerrbild, vor allem in den 1980er und 1990er Jahren. Die erneute Rezeption des Bauhauses setzte in dieser Zeit ein, übertüncht und verkitscht durch das Marketinggeschrei vom sogenannten »Modernen Klassiker« und »Bauhausstil«. Zugleich entspricht aber die Behauptung, dass heute doch irgendwie alles Design sei, weitgehend der Wirklichkeit. Allerdings unter der Voraussetzung, dass mit Design gerade nicht das Klischee benannt wird, sondern eine sachliche Feststellung: Design als Praxis spezialisierter Gestalter in der Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft. So verstanden, handelt es sich bei Design um ein Phänomen, das vor rund 170 Jahren in Erscheinung getreten ist. Doch erst seit den 1960er Jahren wird Design als Begriff für Gestaltungstätigkeit im industriellen Kontext so attraktiv, dass Designer Schritt für Schritt für jegliche Gerätschaft und Botschaft zuständig werden. Max Bills Parole »Vom Löffel bis zur Stadt« fokussiert noch auf die handgreifliche Oberfläche, aber der gestalterische Anspruch erstreckte sich schon damals auch auf die zugrunde liegenden Prozesse sowie die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Dabei ist es bis heute geblieben. Design wird von den Designerinnen und Designern meist nicht als schrille Aufhübschung zum Mittel der Verkaufssteigerung missverstanden, sondern als verbindende und übergreifende Querschnittstätigkeit. Aktuell treten allerdings auch wieder Tendenzen in den Vordergrund, die dem dem Handwerklichen einen höheren Anteil an Authentizität zusprechen – vermutlich ein Ergebnis langfristig wirksamer Reaktionszyklen. Denn die Übergänge zwischen den Sphären der Kunst, des Handwerks und des Designs unterliegen stets der Einzelfallbetrachtung. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Grenzen nicht trennscharf gezogen werden können. Zum anderen macht die Aussage »Alles ist Design« auf die Absicht aufmerksam, die dem Bauhaus zugrunde lag (wobei »das« Bauhaus eine unzulässige Verallgemeinerung ist, die Differenzen zwischen Weimar, Dessau und Berlin einerseits sowie zwischen tragenden Personen andererseits sind gewaltig). Alles ist Design: Das ist die anachronistische Ausdrucksweise des Versprechens, welches viele einflussreiche Bauhaus-Protagonisten teilten. Der Anachronismus liegt im Begriff, denn das, was sie beabsichtigten, wurde damals noch nicht als Design bezeichnet. Das Versprechen liegt in der Bedeutung, die mit dem Begriff »Gestaltung« transportiert wurde: Ein ganzheitlicher Anspruch, der alle Aspekte einer Aufgabe erfasst, also gerade nicht nur die formal-ästhetischen, sondern insbesondere die fertigungstechnischen und materialkundlichen, aber auch die kaufmännischen sowie die sozialen und politischen Aspekte. Die Künstler, Architekten und Handwerker, die am Bauhaus nach neuen Ausdrucksformen für ihr modernes Lebensgefühl suchten, führte die gemeinsame Ahnung zusammen, dass alles im menschlichen Leben neu gedacht und neu gemacht werden müsse. Dass es ihre Aufgabe sei, ganz in ihrer neuen, technisch und wissenschaftlich geprägten Gegenwart präsent zu sein, weil die traditionellen Rückgriffe in die Vergangenheit keine Lösungen für die Bewältigung der Zukunft bieten. Für dieses Neue bürgerte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg der Begriff »Design« ein. 98 Jahre nach der Gründung des Bauhauses Weimar können wir nüchtern feststellen: Nicht alles ist Design. Und Design ist nicht alles. www.bundeskunsthalle.de
Branded Bauhaus / 31.3.2016 /Das Bauhaus ist weltweit eine der stärksten Marken im Kontext von Kunst, Architektur und Design. Ob das Fluch oder Segen bedeutet, mag jeder selbst beurteilen. Die segensreiche Stärke besteht vor allem in der Bekanntheit des Bauhauses. Es gibt international keine Institution, die es damit aufnehmen kann. Damit ist auch die Wertschätzung und Anerkennung der Bedeutung des Bauhauses verbunden – auch wenn dies meist nicht weiter begründet, nur unscharf vermutet werden kann. Und schließlich löst der Begriff Bauhaus recht eindeutige, klar umrissene Vorstellungen aus. So, wie die meisten Menschen mit »Der Geschmack von Freiheit und Abenteuer« einen Cowboy mit einer bestimmten Zigarettenmarke in einer spezifischen Stimmung verknüpfen. Das Bauhaus steht für etwas Besonderes. Aus dieser Stärke lässt sich in der gegenwärtigen Aufmerksamkeitsökonomie Kapital schlagen. Darin besteht zugleich die Schwäche der Marke. »DAS« Bauhaus ist schon eine unzulässige Vereinfachung. Im grellen Scheinwerferlicht stehen stets die gleichen Superstars: Die allseits bekannten Akteure und Produkte sowie das Gebäude in Dessau. Die daraus resultierende Schwarz-Weiß-Zeichnung steht jeder facettenreichen Abstufung durch feine Grauwerte im Weg. »Das« Bauhaus ist an dieser Situation nicht unschuldig. Denn von Anfang an setzte Walter Gropius auf die kommunikative Kraft eines stilisierten Markenzeichens. Er griff damit auf ein Instrument zurück, das sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts erst langsam in der modernen Industriegesellschaft etablierte und das wir heute schlicht als »Logo« bezeichnen. Als Sinnbild sollte es die Einrichtung und ihre Ziele prägnant verkörpern. Die Entwicklung des Bauhauses lässt sich so auch an der Genese seiner Markenzeichen ablesen. Angefangen beim ersten »Sternenmännchen«-Signet des Meisterschülers Karl Peter Röhl, der 1919 vom Gründungsdirektor Walter Gropius aus einem Wettbewerb unter 42 Teilnehmern ausgewählt wurde. Über den Kopf, den der Bauhaus-Meister Oskar Schlemmer 1921 in einem zweiten Wettbewerb einreichte und der dem Bauhaus seither als offizieller Stempel diente. Bis zu den unendlich oft reproduzierten Schemata von Gropius und Paul Klee zum Aufbau der Lehre bzw. zur Idee und Struktur des Bauhauses. Die Relevanz des Markenthemas ist heute ausgeprägter denn je. Nicht zuletzt, weil eine große Baumarktkette den ökonomischen Handlungsspielraum der kulturellen Erben in Weimar, Dessau und Berlin eng begrenzt. Modernes Branding hat immer noch etwas mit der schmerzvollen Verletzung durchs glühende Brandeisen zu tun. www.bundeskunsthalle.de
Bauhaus-Architektur: Die Residenz der Gestalter / 11.4.2016 / Mit der Vorstellung von »dem« Bauhaus ist augenblicklich das Bild eines bestimmten gebauten Hauses verbunden: Das Hochschulgebäude in Dessau. Es ist zu einer Ikone der Moderne im ursprünglichen Wortsinn geworden: Ein wahres Abbild dessen, was es repräsentiert. Es beweist, dass die Ideen Wirklichkeit geworden sind. Mit dem Umzug nach Dessau ist zwar die Abkehr von der ursprünglichen, »expressionistisch« genannten Ausrichtung für jedermann sichtbar geworden. Dennoch wurde das Bauhaus weiterhin vom berühmten Axiom bestimmt, das Gropius 1919 formuliert hatte, illustriert durch den Holzschnitt Lyonel Feiningers: »Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau«. Deutlich ablesbar an der Tatsache, dass sich alle drei Direktoren des Bauhauses zuerst als Architekten verstanden haben. Der Bau fügt alle künstlerischen, handwerklichen und auch industriellen Resultate zu einem sinnvollen Ganzen zusammen. Er ist Gesamtkunstwerk. Gleichzeitig interpretiert das Dessauer Hochschulgebäude dieses Programm in einer neuen Ausdrucksform. Die proklamierte Einheit von Kunst und Technik wird z.B. durch die Glasfassade verkörpert. Sie öffnet die Werkstätten zur Straße. Das Machen wendet sich dadurch zur Schauseite, die bis dahin der Darstellung von Status, Tradition und Macht vorbehalten war. Seither versinnbildlichen die Glasfront, der überdimensionale Werbeschriftzug und die Balkone als wesentlich bedeutungstragende Teile das Gesamtkonzept des Dessauer Bauhauses. Hinzu kommt die moderne Form des Gebäudes. Welche Eigenschaften sind daran modern? Vor allem ist es der Verzicht, wie er idealtypisch im Treppenhaus beobachtet werden kann. Traditionell übernahm dieser Ort in einer Residenz die repräsentative Funktion des Schaulaufens vom Erdgeschoss (Ankunft mit der Kutsche) ins Obergeschoss (Spiegelsaal). Die Bauhaustreppe knüpft an diese Tradition an, entkleidet sie aber der herkömmlichen Dekorationen. Es bleibt die entblößte Zurschaustellung der Konstruktion. Daraus wurde ein Stil – schneller als erwartet. Schon der zweite Bauhausdirektor, Hannes Meyer, bemerkte rückblickend über seine 1928 vorgefundene »tragikomische Situation: Als Bauhausleiter bekämpfte ich den Bauhausstil.«
Das Bauhaus und das Magische im Design: Ein Interview mit Eugen Gomringer / 21.4.2016 / Eugen Gomringer, Jg. 1925, zählt zu den interessantesten Persönlichkeiten der Moderne seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Er repräsentiert wie kaum ein anderer lebender Gestalter die Schnittmengen zwischen Literatur, Kunst und Design in ihrer gesamten Spannweite: vom Bauhaus bis in die Gegenwart, vom praktischen Machen bis zum intellektuellen Reflektieren. Seine Biografie liest sich wie eine Liste des internationalen Who is Who der modernen Gestaltung. Den ehemaligen Bauhaus-Studenten Max Bill hat er Ende der 1940er Jahre in Zürich kennengelernt. Ab 1954 wirkt er als sein Sekretär am Aufbau der Hochschule für Gestaltung (HfG) Ulm mit. Dort unterrichtet er in der Abteilung Information bis 1958. Er begründet die Konkrete Poesie in der HfG Ulm an einem Tisch, der ihn seither durch sein Leben begleitet. Eugen Gomringer arbeitet dann in der Industrie, wird Geschäftsführer des Schweizerischen Werkbundes, Gründungsmitglied des Verbandes Schweizer Industrial-Designer, Kulturbeauftragter der Rosenthal AG, Mitglied der Akademie der Künste Berlin, Professor für Ästhetik an der Kunstakademie Düsseldorf und mehrfach Intendant des Internationalen Forums für Gestaltung Ulm. Mit Eugen Gomringer habe ich mich am 19. April 2016 in dem von ihm gegründeten IKKP Institut für Konstruktive Kunst und Konkrete Poesie in Rehau gesprochen. Ich wollte von ihm wissen, wie er die Bedeutung des Bauhaus für die Entwicklung des modernen Designs, das von der HfG Ulm vorangetrieben wurde, bewertet. Gomringer trifft dazu klare Aussagen. Nach seiner Einschätzung verführt seit der Weißenhofsiedlung 1927 »das schöne Weiße« des Bauhauses dazu, einem platten Stil zu huldigen. Viel wichtiger als solch eine Banalisierung wäre es, den Geist des Bauhauses in die Digitale zu übersetzen: »Man sollte jetzt mehr an ein digitales Bauhaus denken!« Mit dem Erfolg des Phänomens Design geht in den 1960er Jahren nach Gomringers Beobachtung eine Interessen-Verschiebung einher: weg vom Konzeptionellen, hin zum Oberflächlichen. Als Jury-Mitglied stellt er ernüchtert fest: Es werden nur noch Karosserien verformt. 1955 zählte Gomringer zu den Gästen der Eröffnungsfeier der HfG-Gebäude in Ulm. Walter Gropius hielt damals die Festrede und ermahnte die Studenten, dass sie das Rationale nicht in der Kultur überschätzen sollten. (Diese Rede ist auch in der Ausstellung zu hören.) Gomringer berichtet davon, dass der Hinweis des ehemaligen Bauhaus-Direktors sie zwar damals nicht erreicht hat. Aber dennoch kamen sie in ihrer Beurteilung gestalterischer Qualitäten immer wieder zu einem Punkt der Erkenntnis, dass die rationale Methode ihre Grenzen hat – und dass alles, was darüber hinaus reicht, als magisch zu bezeichnen ist. Das Magische als Bindeglied zwischen dem Bauhaus und dem methodischen Design der HfG Ulm: Eine wunderbare Pointe jenseits aller Schubladen.
Auf eine Tasse Tee: Marianne Brandt inspiriert Ross Lovegrove / 28.4.2016 / Ein Kännchen aus Metall zählt zu den »happy few«, den wenigen Resultaten des Bauhauses, die sich ins kollektive Gedächtnis eingeprägt haben: Wieder und wieder werden sie zitiert, gezeigt und kommentiert. Sie helfen uns wie ein Treppenhaus dabei, den Eingang in eine komplexe Situation zu finden. Ich bin davon überzeugt, dass wir solche niedrigschwelligen Zugänge brauchen, wenn wir uns auf den Weg machen wollen, um abseits gelegene Phänomene zu erkunden. Dabei können uns die schönsten Entdeckungen überraschen. Das Tee-Extraktkännchen MT 49 von Marianne Brandt ist eine dieser typischen Bauhaus-Ikonen, die längst über ihre Rezeption eine eigene Aura angenommen haben. Das Kännchen vergegenständlicht auf den ersten Blick ein paar grundlegende Gestaltungsansätze (mit allen Wahrnehmungsverzerrungen, die zu einer Ikone dazu gehören). So beruft sich die Gestalterin offensichtlich auf elementare geometrische Formen: Kugel, Quadrat, Zylinder. Sie kombiniert die Elemente in einer Logik, die objektiv und naturwissenschaftlich-ingenieurmäßig erscheint. Das Ergebnis wirkt geradezu natürlich vernünftig und begründbar. Es könnte sofort von Maschinen als Massenprodukt hergestellt werden. – Soweit der äußere Anschein. Denn das Objekt ist feinste Handarbeit, es gibt nur noch 7 Exemplare von exorbitantem Wert, und die Industrie war damals noch nicht dazu in der Lage, den Entwurf maschinell zu produzieren. Insofern könnte das Kännchen auch als konzeptionelle Absichtsbekundung oder als Ankündigung verstanden werden. Ein Prototyp, wie er später im Designprozess selbstverständlich als Zwischenschritt notwendig geworden ist – aber eben kein endgültiger Zustand. Bis hierher noch keine Überraschung. Als ich jedoch den walisischen Designer Ross Lovegrove danach fragte, welche Bedeutung das Bauhaus für ihn persönlich habe, berichtete er von einer Inspiration, die für mich sehr überraschend war. Zum Verständnis dieser Pointe muss man wissen, dass Ross Lovegrove für sanft geschwungene Formen und fließende Übergänge berühmt ist. Das Etikett, das sich dafür eingebürgert hat, lautet »organisch«. Aus der Erfahrung eines gemeinsamen Ausstellungsprojekts kann ich ein zweites Etikett bestätigen: »visionär«. Um bestehende Grenzen und eingeschliffene Erwartungen kümmert er sich wenig. Statt dessen strebt er mit aller Energie (und noch viel mehr Charme) danach, für konkrete Aufgaben neue Formen zu entwickeln: Als Verheißung einer schöneren und besseren, humanen Zukunft. Ross Lovegrove schreibt (der vollständige englische Wortlaut steht am Ende dieses Beitrags), dass sich in den 1970er Jahren, als er in Manchester dreidimensionales Design studierte, die anti-autoritäre Punk-Bewegung heftige kreative Unruhe hervorgebracht hatte. Während der Bearbeitung von Metallplatten fand er im Werk Marianne Brandts eine Freiheit des gestalterischen Ausdrucks wieder, die seinen eigenen Vorstellungen entsprach. Inspiriert von ihrem Tee-Extraktkännchen mit seiner strengen Geometrie entwarf er ein Modell einer Teekanne. Dabei entdeckte er, dass Blechbögen »ein fantastisches und umgängliches Medium für skulpturale Entwicklung« sind (für mich klingen diese Worte im Original wie eine Zeile aus einem Gedicht). Ross Lovegroves Teekanne hatte eine kubische Form, weit entfernt von seiner heutigen biomorphen Gestaltung. Und doch: Während er diese Auseinandersetzung reflektiert, wird ihm bewusst, dass sein neuester Entwurf (der Stuhl »Diatom« für das italienische Unternehmen Moroso) anscheinend genau die Disziplin der Elementargeometrie enthält, auf die er zu Beginn seines Lebens als Industrial Designer gestoßen ist. »When I studied 3 Dimensional Design at Manchester in the 1970s it was a time of great creative disruption due to the anarchic and anti establishment reaction to authority of the Punk movement. My course fused the skills of industry and I remember how I found in the work of Marianne Brandt a similar expressive freedom as I cut, filed and braised brass sheet. I studied her work and made cardboard models of a tea pot inspired by her raw approach to pure geometry and craft graphism. In doing this I realized that sheet metal was a fantastic and accessible medium for sculptural development . My teapot was cubic, a far cry it might seem from my organic biomorphic work today but as I write I realize that my new Diatom Chair for Moroso probably contains the discipline of those base geometries that I collided with at the outset of my life in Industrial Design.«
Kosmische Harmonie: Klaviatur der Farben am Bauhaus / 11.5.2016 / Welche Farbe steht wohl den meisten Menschen vor Augen, wenn sie spontan nach ihrer Assoziation mit dem Bauhaus gefragt werden? Ich vermute: Weiß. In Abstufungen über zwei, drei größere Grau-Schritte bis zum Schwarz. Dieser Reflex ist wahrscheinlich der Dominanz der Abbildungen von Gebäuden im sogenannten Bauhaus-Stil geschuldet. Dann, nach ein paar Sekunden des Nachdenkens, vermutlich die eigentümliche Trikolore des elementaren Rot-Gelb-Blau. Kombiniert mit den geometrischen Grundformen: Quadrat, Kreis und gleichseitiges Dreieck. Dieses Klischee erhält vielfältige Brechungen und Bereicherungen, sobald zwei zentrale Akteure des Bauhauses betrachtet werden: Johannes Itten und Josef Albers. Von dem charismatischen, mit der Aura eines Gurus umgebenen Johannes Itten stammt der berühmte Farbstern. Er besteht aus zwölf Farbstrahlen, die sich in die vier Bereiche Rot, Gelb, Grün und Blau verteilen. Sie untergliedern sich jeweils entsprechend der farblichen Intensitäten. Itten knüpft mit diesem Modell an ältere, auf der menschlichen Wahrnehmung beruhende Theorien zur Systematisierung und Wirkung der Farben an, die bis zu Goethes Farbenlehre reichen. Im wesentlichen dreht es sich bei diesem jahrhundertelangen Diskurs um die Auseinandersetzung zwischen Positionen, die das Phänomen Farbe durch physikalische oder Wahrnehmungsgesetze vollständig erklären wollen. Als junger Künstler besucht Josef Albers den Vorkurs Johannes Ittens. Nach dem Weggang Ittens übernimmt Albers gemeinsam mit László Moholy-Nagy die Leitung des Vorkurses in Dessau. Neben seinem Zyklus »Hommage to the Square« zählt das Buch »Interaction of Color« zu seinen berühmtesten Werken. Im geht es dabei weniger um einen starren Codex als vielmehr um die unendliche Vielfalt der möglichen Erscheinungen von Farbe in der Kombination mit anderen Farben. Seine Übungen im Vorkurs eignen sich deshalb – im Vergleich zu Ittens abstrakterer Theorie – unmittelbarer für die praktische Anwendung im Design. Insofern ist es auch nicht überraschend, wenn seine Unterricht nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA und an der HfG Ulm als Abgrenzung vom Bauhaus aufgefasst werden. Einer der einflussreichsten italienischen Architekt, Designer und Theoretiker aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist Alessandro Mendini. Gemeinsam mit weiteren Akteuren wehrt er sich ab der Mitte der 1970er Jahre gegen die Monotonie der banalisierten, grauen Moderne und bearbeitet deren typische Objekte, indem er sie mit bunten Farben und Hinzufügungen überformt. Ich habe ihn nach seiner Einschätzung gefragt: Welchen Einfluss hat das Bauhaus auf seine Arbeit – bis in die Gegenwart – ausgeübt? Oberflächlich könnte man vermuten, dass die Kluft zwischen Bauhaus und Alchimia kaum überbrückbar sein könnte. Doch weit gefehlt. Mendini antwortet, dass für jeden Designer die Grundlage aller Formen von Gedanken darstelle. Er selbst habe fortlaufend Anregungen aus den spiritualistischen Aspekten des Bauhauses gewonnen: Oskar Schlemmer, Johannes Itten, Paul Klee, Wassily Kandinsky und das Theater. Darüber hinaus beruhe bis heute die weltweite Architekturausbildung auf den Methoden, die das Bauhaus entwickelt hat und die von der HfG Ulm weiter entwickelt wurden. – Das Bauhaus und Italien: Immer für eine Überraschung gut! »How would you describe the influence of Bauhaus to your professional work? Is there any? For any architect or designer, the Bauhaus, although it might be unfamiliar or repudiated, is the platform of all forms of thought. As for me, I have continuously drawn from the spiritualist aspect of the Bauhaus: Oskar Schlemmer, Johannes Itten, Paul Klee, Wassily Kandinsky and their theatre. According to your personal estimation, what is the influence of Bauhaus to design today? All the architecture schools of the world are still directly or indirectly based on the training methods at the Bauhaus, which then led to the Ulm School of Design, empiricism and more.«
Von der Gestaltung zum Design / 20.5.2016 / Gestaltung ist ein Begriff, um den uns die designtheoretische Szene auf der ganzen Welt beneidet. Nun gut, kein Anlass, sich etwas drauf einzubilden. Und davon abgesehen ist diese Szene recht überschaubar. Aber es ist doch immerhin ein bemerkenswertes Signal, denn es macht uns auf die Bedeutungsnuancen aufmerksam, die »Design« und »Gestaltung« unterscheiden. Mit dem Begriff »Gestalt« sollte, als er in die deutsche Sprache eingeführt wurde, eine unteilbare Ganzheit der Erscheinung zum Ausdruck gebracht werden. Die zugrunde liegende Theorie geht davon aus, dass die menschliche Wahrnehmung immer die Zusammenhänge der Phänomene berücksichtigt. Im Gegensatz dazu ist der Intellekt fähig, einzelne Elemente des Wahrgenommenen zu isolieren. Aber bei dieser mentalen Verarbeitung handelt es sich um einen nachgelagerten Prozess. Anders gesagt: Weil die Teilelemente eines Objektes zueinander in Beziehung stehen, beeinflussen sie die Wahrnehmung des Objektes als Ganzes. Die berühmte und oft falsch zitierte Formel lautet: Das Ganze ist etwas ANDERES als die Summe seiner Teile. Das bedeutet einerseits: Die gleiche Krawatte entfaltet bei unterschiedlichen Kombinationen (z.B. Hemd, Anzug, Schuhe) und in unterschiedlichen Situationen eine andere Wirkung. Und andererseits nehmen wir z.B. den Anzugträger nicht als die Summe einzelner Kleidungsstück plus Körper wahr, sondern in seiner gesamten Erscheinung innerhalb des räumlichen, zeitlichen und gesellschaftlichen Anlasses. Mit dieser Gestalttheorie ist das Konzept des Gesamtkunstwerks eng verwandt: Bei der Kunst sollte es nicht damit getan sein, dass nur das Werk allein vollendet ist, sondern alle damit in Verbindung und Berührung stehenden Aspekte sollten ebenfalls so »gestaltet« werden, dass die Einheit mit allen Sinnen erlebbar wird. Diese Synthese, so die Überzeugung, steigert nicht nur die Wirkung des Werks, sie bringt auch erst das Wesentliche der Kunst hervor. Die Absicht, die z.B. mit dem Schaffen eines Gemäldes verbunden ist, soll sich demnach erst dadurch vollständig entfalten, dass auch der Rahmen ihm entspricht, und darüber hinaus auch die Wand, an der das Bild präsentiert wird, die Art der Hängung, der Ausstellungsraum im Museum, sogar das gesamte Gebäude, das Poster zur Ausstellung und die Eröffnungsfeier inklusive Musik und Catering. Der Wirkungskreis eines Gesamtkunstwerks ist tendenziell unendlich. Walter Gropius knüpfte mit seiner Konzeption des Bauhauses an die Sehnsucht vieler Menschen nach dem »unteilbaren Ganzen [an], das im Menschen selbst verankert ist und erst durch das lebendige Leben Sinn und Bedeutung gewinnt.« So formuliert Gropius es in seinem programmatischen Text »Idee und Aufbau des Bauhaus« von 1923. Was am Bauhaus entstehen sollte, war also gerade keine Bearbeitung vereinzelter, aus ihrem Zusammenhang herausgerissener Elemente. Sondern es ging ihm um die Integration aller Künste, woraus eine neue Einheit für die neue, moderne Zeit entstehen sollte. Zusätzlich strebte er auch – nicht von Anfang an, aber spätestens mit dem Engagement László Moholy-Nagys – die Integration der Industrie an. Dem Bauhaus Dessau verlieh er den Untertitel: »Hochschule für Gestaltung«, womit ein zentraler Ausgangspunkt seines Konzepts auf den Punkt gebracht war. Ein wenig kompliziert und reichlich missverständlich wird es nach dem Zweiten Weltkrieg. Der holländische Architekt Mart Stam, der den legendären Freischwinger-Stuhl mit einer Stahlrohr-Konstruktion entwickelt und auch am Bauhaus unterrichtet hatte, wurde im Dezember 1948 als Rektor der Akademie der Künste und der Hochschule für Werkkunst in Dresden berufen. In seiner Antrittsrede spricht er vom »Industrial Designer« als Übersetzung für: »Entwerfer für die Industrie«. (Weil diese Rede veröffentlicht wurde, handelt es sich dabei – nach aktuellem Stand der Forschung – um den ersten schriftliche Beleg für die Verwendung des Wortes »Design« in der deutschen Sprache.) Mart Stam bemühte sich also um eine wörtlichen Übersetzung. Bei diesem Versuch blieb allerdings eine charakteristische Nuance auf der Strecke blieb: Nämlich genau der holistische Anspruch, wofür »Gestaltung« der kennzeichnende Begriff war. Nach nur zwei Jahren übernahm Stam 1950 das Amt des Direktors der Hochschule für angewandte Kunst in Berlin-Weißensee. Bis zu seiner Entlassung 1952 verwendete er dort die Begriffe »Industriegestalter« und »industrielle Gestaltung«. Die HfG Ulm hätte auch »Bauhaus Ulm« genannt werden dürfen. Walter Gropius erteilte dem Gründungsdirektor Max Bill dafür die Erlaubnis. Otl Aicher jedoch lehnte diesen Gedanken ab. Sie einigten sich auf den Untertitel des Bauhauses: »Hochschule für Gestaltung«. Sie ist vom Start weg durch und durch international, nicht nur, weil das ausschlaggebende Geld aus den USA fließt. Schon in den Gründungsverhandlungen wird »Gestaltung« durchgängig mit »Design« übersetzt. Von hier aus verbreitet sich der Begriff, parallel mit dem wachsenden Interesse an den damit benannten Ideen und Tätigkeiten, in der deutschen Gesellschaft. Doch der rasche Erfolg brachte auch genau das Gegenteil dessen hervor, was »Gestaltung« bzw. »Design« sein sollte: Modische Verformungen und effekthascherische Verhübschungen der Oberfläche zum Zwecke kurzfristiger Absatzsteigerung. An der HfG distanzierte man sich rasch vom schicken Begriff »Design« und bevorzugte bald wieder die neutralere »Gestaltung«. Und weil »Design« seit den 1980er Jahren einigen ambitionierten Friseuren als attraktive Verpackung erscheint, bezeichnen sich viele Designer in Deutschland wieder als Gestalter. www.bundeskunsthalle.de
Experiment und Manifest: Neues Lernen! / 7.6.2016 / Im Anfang war das Wort: Ein Manifest! Nicht irgendeins, sondern DAS »Manifest und Programm des Staatlichen Bauhauses in Weimar«. Der Text Walter Gropius’ steht neben dem ikonischen Holzschnitt »Kathedrale der Zukunft« Lyonel Feiningers. 1919 wurde dieses vierseitige Flugblatt verbreitet, um die Gründung einer neuen Schule anzukündigen: Im Unterschied zu allen anderen Akademien sollte hier Kunst, Architektur und Handwerk in neuartiger Weise – heute hieße das: integrativ – erlernt werden. Gropius proklamiert das Gebäude als »Einheitskunstwerk« als Ziel einer neuen Gestaltungslehre. Gropius fügt sich damit in die Tradition der modernen Avantgarde ein, die ihre Überzeugungen und Absichten nicht nur mit Taten, sondern auch mit Worten zum Ausdruck brachte. Manifeste begleiten die Entwicklung des Designs und der Designausbildung von Anfang an, schon seit der englischen Reformbewegung »Arts and Crafts« aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Für ihre Vertreter war die Hässlichkeit der Industrieerzeugnisse nur ein äußerlich sichtbarer Spiegel der zugrunde liegenden Falschheit der politischen und gesellschaftlichen Bedingungen. Ihr wichtigster Wortführer, William Morris, war Co-Autor des mit Herzblut geschriebenen »Manifests der Sozialistischen Liga« von 1884. Die darauf folgende europäische Reformbewegung, die wir als Jugendstil kennen, ist nicht nur dank ihrer Entwürfe, sondern auch wegen der großen Anzahl von Manifesten in Erinnerung geblieben. Es ist kein Zufall, dass der Begriff von der Zeitschrift »Jugend« abgeleitet wurde, in deren Selbstverständnis die verbalen Beiträge ebenso wichtig waren wie die visuellen. Gleiches gilt für das avantgardistische Forum »De Stijl« um den Holländer Theo van Doesburg. Sein Einfluss auf die Entwicklung des Bauhauses zwischen Weimar und Dessau kann kaum überschätzt werden. 40 Jahre später: Das Design etabliert sich in ersten Ansätzen und ebenso die Designausbildung. Da heißt es plötzlich: »Design ist gar nicht lehrbar.« Diese absolute Feststellung stammt nicht, wie man vermuten könnte, von einem verschrobenen, zugleich genialen Designer, der zum persönlichen Austausch von Mensch zu Mensch nicht fähig gewesen wäre. Ganz im Gegenteil, den Satz hat Hans Gugelot geäußert, einer der erfolgreichsten Designer der »Zweiten Moderne« der 1950er und 1960er Jahre. Legendäre Entwürfe wie der »Schneewittchensarg« oder der Rasierer »Sixtant« für Braun und das »Carousel« für Kodak lieferten entscheidende Impulse für das Erscheinungsbild der damals noch jungen Bundesrepublik Deutschland. Gleichzeitig übernahm er als festangestellter Dozent der HfG Ulm eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Designausbildung – mit internationaler Wirkung: als Berater und Gastprofessor des National Institute of Design im indischen Ahmedabad hat bis heute spürbaren Einfluss auf die Verbreitung des rationalen, systematischen Designverständnisses ausgeübt. »Design ist gar nicht lehrbar«: Auch das ein Manifest. Eines von der ganz kurzen Sorte. Radikal, unausgewogen, unnachgiebig. Damit befindet sich Gugelot in bester Gesellschaft.
Der Zauber der Halbkugel: Die Bauhausleuchte / 21.6.2016 / »Quality never goes out of style« lautete jahrzehntelang der Slogan einer Jeansmarke aus den USA. Ein Spruch, der beim Publikum hypnotisches Nicken hervorruft: Ja, klar, klingt doch selbstverständlich, und gleichzeitig versprüht die Formel die überwältigend überzeugende Kraft eines Glaubensbekenntnisses. Das Credo des modernen Verkäufers. Eine vergleichbare Wirkung geht von Wilhelm Wagenfelds Tischleuchte aus. Sie verströmt die Anziehungskraft einer Glaskugel. Allein ihr Anblick genügt, um zu signalisieren: Hier geht es um etwas Besonderes, um höhere Energie. Es wäre sogar zulässig, an Magie zu denken, denn Walter Gropius selbst hat davon gesprochen, dass in der Moderne das Magische durch das Rationale nicht verdrängt werden dürfe. Wenn nur ein einziges Objekt die Idee, die mit dem Bauhaus verknüpft wird, verkörpern dürfte, so wäre es mit hoher Wahrscheinlichkeit diese Leuchte. Darin besteht das oberflächlich Besondere: Ihre Funktion eines Symbols, das wie eine Reliquie an der Stelle des Heiligen und der Glaubenslehre angebetet wird. Die Bauhausleuchte ist unantastbar. Sie repräsentiert sowohl die Ideologie als auch den Mythos, der in der Folge der Rezeption des Bauhauses entstanden ist, deutlicher als jeder andere Gegenstand. Diese merkwürdig verschobene Verschränkung der Bedeutungsebenen haben Julia Meer und Philipp Oswalt in ihren Beiträgen zur Ausstellung (Video) und zum Katalog (Text) offen gelegt. Da ist der gläserne Leuchtkörper. Er sorgt dafür, dass das Licht der innen angebrachten elektrischen Lampe zerstreut wird. Das Ergebnis ist eine schöne Lichtstimmung – aber fürs Arbeiten am Schreibtisch oder fürs Lesen am Nachttisch taugt das nicht. Doch genau dort wurde die Lampe stets präsentiert, bis heute. Dann die runde Fußplatte aus Glas (alternativ: Metall). Diese Materialwahl ist nur den Zeitgenossen verständlich, denn es handelt sich um ein Zitat: Bei älteren Öl- und Pet
***
Wenn Sie dazu mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Bauhaus: Alles ist Design
29.3.2016 / Alles ist ein großes Wort. Alles: Da gibt es keine Ausnahmen, keine Grauzonen, keine Übergänge. Nur entweder oder. Alles oder nichts. Alles ist Design, kündigt die Bauhaus-Ausstellung in ihrem Untertitel an. Ich bin nicht ganz sicher, ob es sich dabei um ein Versprechen oder um eine Drohung handelt. Zumindest wirft die Aussage Fragen auf. Das bietet Anlass zum Austausch von Standpunkten und Ansichten, und so entspricht sie auch ein wenig den Erwartungen, die an die Formulierung eines griffigen Ausstellungstitels gerichtet werden. Ein wenig Reklame mag mitschwingen, das ist legitim. Deshalb ist es auch verzeihlich, dass es sich ganz offenkundig um eine Falschaussage handelt, wenn wir sie wörtlich nehmen. Denn welcher vernünftige Mensch käme auf den Gedanken, Reklame beim Wort zu nehmen?Zwei Aspekte sind bei dieser Formel »Alles ist Design« im Zusammenhang mit dem Bauhaus bemerkenswert. Zum einen drückt »Alles ist Design« eine Tendenz aus, die vielen Zeitgenossen nicht ganz geheuer ist. Dieses Unwohlsein speist sich aus der unscharfen, atmosphärischen Wahrnehmung der Gegenwart: Beim Blick ins Warenhaus, auf die Straße und in den Bildschirm erscheint irgendwie alles und jeder »designt« (ein scheußliches Wort). Damit ist gemeint: Effekthascherisch aufgeblasen, stromlinienförmig abgeschliffen, vom Tatsächlichen ablenkend, wegen der Inszenierung überteuert, für den Moment der Kaufentscheidung manipulierend, substantiell minderwertig und deswegen tendenziell betrügerisch – und zugleich auf eine magische, unheimliche Art anziehend, betörend, überraschend, einfallsreich. Mit »Design« wird landläufig ein Zustand zwischen Gag und Genie assoziiert. Kein Wunder, denn die Selbstdarstellung vieler Designerinnen und Designer beförderte dieses Zerrbild, vor allem in den 1980er und 1990er Jahren. Die erneute Rezeption des Bauhauses setzte in dieser Zeit ein, übertüncht und verkitscht durch das Marketinggeschrei vom sogenannten »Modernen Klassiker« und »Bauhausstil«. Zugleich entspricht aber die Behauptung, dass heute doch irgendwie alles Design sei, weitgehend der Wirklichkeit. Allerdings unter der Voraussetzung, dass mit Design gerade nicht das Klischee benannt wird, sondern eine sachliche Feststellung: Design als Praxis spezialisierter Gestalter in der Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft. So verstanden, handelt es sich bei Design um ein Phänomen, das vor rund 170 Jahren in Erscheinung getreten ist. Doch erst seit den 1960er Jahren wird Design als Begriff für Gestaltungstätigkeit im industriellen Kontext so attraktiv, dass Designer Schritt für Schritt für jegliche Gerätschaft und Botschaft zuständig werden. Max Bills Parole »Vom Löffel bis zur Stadt« fokussiert noch auf die handgreifliche Oberfläche, aber der gestalterische Anspruch erstreckte sich schon damals auch auf die zugrunde liegenden Prozesse sowie die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Dabei ist es bis heute geblieben. Design wird von den Designerinnen und Designern meist nicht als schrille Aufhübschung zum Mittel der Verkaufssteigerung missverstanden, sondern als verbindende und übergreifende Querschnittstätigkeit. Aktuell treten allerdings auch wieder Tendenzen in den Vordergrund, die dem dem Handwerklichen einen höheren Anteil an Authentizität zusprechen – vermutlich ein Ergebnis langfristig wirksamer Reaktionszyklen. Denn die Übergänge zwischen den Sphären der Kunst, des Handwerks und des Designs unterliegen stets der Einzelfallbetrachtung. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Grenzen nicht trennscharf gezogen werden können. Zum anderen macht die Aussage »Alles ist Design« auf die Absicht aufmerksam, die dem Bauhaus zugrunde lag (wobei »das« Bauhaus eine unzulässige Verallgemeinerung ist, die Differenzen zwischen Weimar, Dessau und Berlin einerseits sowie zwischen tragenden Personen andererseits sind gewaltig). Alles ist Design: Das ist die anachronistische Ausdrucksweise des Versprechens, welches viele einflussreiche Bauhaus-Protagonisten teilten. Der Anachronismus liegt im Begriff, denn das, was sie beabsichtigten, wurde damals noch nicht als Design bezeichnet. Das Versprechen liegt in der Bedeutung, die mit dem Begriff »Gestaltung« transportiert wurde: Ein ganzheitlicher Anspruch, der alle Aspekte einer Aufgabe erfasst, also gerade nicht nur die formal-ästhetischen, sondern insbesondere die fertigungstechnischen und materialkundlichen, aber auch die kaufmännischen sowie die sozialen und politischen Aspekte. Die Künstler, Architekten und Handwerker, die am Bauhaus nach neuen Ausdrucksformen für ihr modernes Lebensgefühl suchten, führte die gemeinsame Ahnung zusammen, dass alles im menschlichen Leben neu gedacht und neu gemacht werden müsse. Dass es ihre Aufgabe sei, ganz in ihrer neuen, technisch und wissenschaftlich geprägten Gegenwart präsent zu sein, weil die traditionellen Rückgriffe in die Vergangenheit keine Lösungen für die Bewältigung der Zukunft bieten. Für dieses Neue bürgerte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg der Begriff »Design« ein. 98 Jahre nach der Gründung des Bauhauses Weimar können wir nüchtern feststellen: Nicht alles ist Design. Und Design ist nicht alles. www.bundeskunsthalle.de
Branded Bauhaus / 31.3.2016 /Das Bauhaus ist weltweit eine der stärksten Marken im Kontext von Kunst, Architektur und Design. Ob das Fluch oder Segen bedeutet, mag jeder selbst beurteilen. Die segensreiche Stärke besteht vor allem in der Bekanntheit des Bauhauses. Es gibt international keine Institution, die es damit aufnehmen kann. Damit ist auch die Wertschätzung und Anerkennung der Bedeutung des Bauhauses verbunden – auch wenn dies meist nicht weiter begründet, nur unscharf vermutet werden kann. Und schließlich löst der Begriff Bauhaus recht eindeutige, klar umrissene Vorstellungen aus. So, wie die meisten Menschen mit »Der Geschmack von Freiheit und Abenteuer« einen Cowboy mit einer bestimmten Zigarettenmarke in einer spezifischen Stimmung verknüpfen. Das Bauhaus steht für etwas Besonderes. Aus dieser Stärke lässt sich in der gegenwärtigen Aufmerksamkeitsökonomie Kapital schlagen. Darin besteht zugleich die Schwäche der Marke. »DAS« Bauhaus ist schon eine unzulässige Vereinfachung. Im grellen Scheinwerferlicht stehen stets die gleichen Superstars: Die allseits bekannten Akteure und Produkte sowie das Gebäude in Dessau. Die daraus resultierende Schwarz-Weiß-Zeichnung steht jeder facettenreichen Abstufung durch feine Grauwerte im Weg. »Das« Bauhaus ist an dieser Situation nicht unschuldig. Denn von Anfang an setzte Walter Gropius auf die kommunikative Kraft eines stilisierten Markenzeichens. Er griff damit auf ein Instrument zurück, das sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts erst langsam in der modernen Industriegesellschaft etablierte und das wir heute schlicht als »Logo« bezeichnen. Als Sinnbild sollte es die Einrichtung und ihre Ziele prägnant verkörpern. Die Entwicklung des Bauhauses lässt sich so auch an der Genese seiner Markenzeichen ablesen. Angefangen beim ersten »Sternenmännchen«-Signet des Meisterschülers Karl Peter Röhl, der 1919 vom Gründungsdirektor Walter Gropius aus einem Wettbewerb unter 42 Teilnehmern ausgewählt wurde. Über den Kopf, den der Bauhaus-Meister Oskar Schlemmer 1921 in einem zweiten Wettbewerb einreichte und der dem Bauhaus seither als offizieller Stempel diente. Bis zu den unendlich oft reproduzierten Schemata von Gropius und Paul Klee zum Aufbau der Lehre bzw. zur Idee und Struktur des Bauhauses. Die Relevanz des Markenthemas ist heute ausgeprägter denn je. Nicht zuletzt, weil eine große Baumarktkette den ökonomischen Handlungsspielraum der kulturellen Erben in Weimar, Dessau und Berlin eng begrenzt. Modernes Branding hat immer noch etwas mit der schmerzvollen Verletzung durchs glühende Brandeisen zu tun. www.bundeskunsthalle.de
Bauhaus-Architektur: Die Residenz der Gestalter / 11.4.2016 / Mit der Vorstellung von »dem« Bauhaus ist augenblicklich das Bild eines bestimmten gebauten Hauses verbunden: Das Hochschulgebäude in Dessau. Es ist zu einer Ikone der Moderne im ursprünglichen Wortsinn geworden: Ein wahres Abbild dessen, was es repräsentiert. Es beweist, dass die Ideen Wirklichkeit geworden sind. Mit dem Umzug nach Dessau ist zwar die Abkehr von der ursprünglichen, »expressionistisch« genannten Ausrichtung für jedermann sichtbar geworden. Dennoch wurde das Bauhaus weiterhin vom berühmten Axiom bestimmt, das Gropius 1919 formuliert hatte, illustriert durch den Holzschnitt Lyonel Feiningers: »Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau«. Deutlich ablesbar an der Tatsache, dass sich alle drei Direktoren des Bauhauses zuerst als Architekten verstanden haben. Der Bau fügt alle künstlerischen, handwerklichen und auch industriellen Resultate zu einem sinnvollen Ganzen zusammen. Er ist Gesamtkunstwerk. Gleichzeitig interpretiert das Dessauer Hochschulgebäude dieses Programm in einer neuen Ausdrucksform. Die proklamierte Einheit von Kunst und Technik wird z.B. durch die Glasfassade verkörpert. Sie öffnet die Werkstätten zur Straße. Das Machen wendet sich dadurch zur Schauseite, die bis dahin der Darstellung von Status, Tradition und Macht vorbehalten war. Seither versinnbildlichen die Glasfront, der überdimensionale Werbeschriftzug und die Balkone als wesentlich bedeutungstragende Teile das Gesamtkonzept des Dessauer Bauhauses. Hinzu kommt die moderne Form des Gebäudes. Welche Eigenschaften sind daran modern? Vor allem ist es der Verzicht, wie er idealtypisch im Treppenhaus beobachtet werden kann. Traditionell übernahm dieser Ort in einer Residenz die repräsentative Funktion des Schaulaufens vom Erdgeschoss (Ankunft mit der Kutsche) ins Obergeschoss (Spiegelsaal). Die Bauhaustreppe knüpft an diese Tradition an, entkleidet sie aber der herkömmlichen Dekorationen. Es bleibt die entblößte Zurschaustellung der Konstruktion. Daraus wurde ein Stil – schneller als erwartet. Schon der zweite Bauhausdirektor, Hannes Meyer, bemerkte rückblickend über seine 1928 vorgefundene »tragikomische Situation: Als Bauhausleiter bekämpfte ich den Bauhausstil.«
Das Bauhaus und das Magische im Design: Ein Interview mit Eugen Gomringer / 21.4.2016 / Eugen Gomringer, Jg. 1925, zählt zu den interessantesten Persönlichkeiten der Moderne seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Er repräsentiert wie kaum ein anderer lebender Gestalter die Schnittmengen zwischen Literatur, Kunst und Design in ihrer gesamten Spannweite: vom Bauhaus bis in die Gegenwart, vom praktischen Machen bis zum intellektuellen Reflektieren. Seine Biografie liest sich wie eine Liste des internationalen Who is Who der modernen Gestaltung. Den ehemaligen Bauhaus-Studenten Max Bill hat er Ende der 1940er Jahre in Zürich kennengelernt. Ab 1954 wirkt er als sein Sekretär am Aufbau der Hochschule für Gestaltung (HfG) Ulm mit. Dort unterrichtet er in der Abteilung Information bis 1958. Er begründet die Konkrete Poesie in der HfG Ulm an einem Tisch, der ihn seither durch sein Leben begleitet. Eugen Gomringer arbeitet dann in der Industrie, wird Geschäftsführer des Schweizerischen Werkbundes, Gründungsmitglied des Verbandes Schweizer Industrial-Designer, Kulturbeauftragter der Rosenthal AG, Mitglied der Akademie der Künste Berlin, Professor für Ästhetik an der Kunstakademie Düsseldorf und mehrfach Intendant des Internationalen Forums für Gestaltung Ulm. Mit Eugen Gomringer habe ich mich am 19. April 2016 in dem von ihm gegründeten IKKP Institut für Konstruktive Kunst und Konkrete Poesie in Rehau gesprochen. Ich wollte von ihm wissen, wie er die Bedeutung des Bauhaus für die Entwicklung des modernen Designs, das von der HfG Ulm vorangetrieben wurde, bewertet. Gomringer trifft dazu klare Aussagen. Nach seiner Einschätzung verführt seit der Weißenhofsiedlung 1927 »das schöne Weiße« des Bauhauses dazu, einem platten Stil zu huldigen. Viel wichtiger als solch eine Banalisierung wäre es, den Geist des Bauhauses in die Digitale zu übersetzen: »Man sollte jetzt mehr an ein digitales Bauhaus denken!« Mit dem Erfolg des Phänomens Design geht in den 1960er Jahren nach Gomringers Beobachtung eine Interessen-Verschiebung einher: weg vom Konzeptionellen, hin zum Oberflächlichen. Als Jury-Mitglied stellt er ernüchtert fest: Es werden nur noch Karosserien verformt. 1955 zählte Gomringer zu den Gästen der Eröffnungsfeier der HfG-Gebäude in Ulm. Walter Gropius hielt damals die Festrede und ermahnte die Studenten, dass sie das Rationale nicht in der Kultur überschätzen sollten. (Diese Rede ist auch in der Ausstellung zu hören.) Gomringer berichtet davon, dass der Hinweis des ehemaligen Bauhaus-Direktors sie zwar damals nicht erreicht hat. Aber dennoch kamen sie in ihrer Beurteilung gestalterischer Qualitäten immer wieder zu einem Punkt der Erkenntnis, dass die rationale Methode ihre Grenzen hat – und dass alles, was darüber hinaus reicht, als magisch zu bezeichnen ist. Das Magische als Bindeglied zwischen dem Bauhaus und dem methodischen Design der HfG Ulm: Eine wunderbare Pointe jenseits aller Schubladen.
Auf eine Tasse Tee: Marianne Brandt inspiriert Ross Lovegrove / 28.4.2016 / Ein Kännchen aus Metall zählt zu den »happy few«, den wenigen Resultaten des Bauhauses, die sich ins kollektive Gedächtnis eingeprägt haben: Wieder und wieder werden sie zitiert, gezeigt und kommentiert. Sie helfen uns wie ein Treppenhaus dabei, den Eingang in eine komplexe Situation zu finden. Ich bin davon überzeugt, dass wir solche niedrigschwelligen Zugänge brauchen, wenn wir uns auf den Weg machen wollen, um abseits gelegene Phänomene zu erkunden. Dabei können uns die schönsten Entdeckungen überraschen. Das Tee-Extraktkännchen MT 49 von Marianne Brandt ist eine dieser typischen Bauhaus-Ikonen, die längst über ihre Rezeption eine eigene Aura angenommen haben. Das Kännchen vergegenständlicht auf den ersten Blick ein paar grundlegende Gestaltungsansätze (mit allen Wahrnehmungsverzerrungen, die zu einer Ikone dazu gehören). So beruft sich die Gestalterin offensichtlich auf elementare geometrische Formen: Kugel, Quadrat, Zylinder. Sie kombiniert die Elemente in einer Logik, die objektiv und naturwissenschaftlich-ingenieurmäßig erscheint. Das Ergebnis wirkt geradezu natürlich vernünftig und begründbar. Es könnte sofort von Maschinen als Massenprodukt hergestellt werden. – Soweit der äußere Anschein. Denn das Objekt ist feinste Handarbeit, es gibt nur noch 7 Exemplare von exorbitantem Wert, und die Industrie war damals noch nicht dazu in der Lage, den Entwurf maschinell zu produzieren. Insofern könnte das Kännchen auch als konzeptionelle Absichtsbekundung oder als Ankündigung verstanden werden. Ein Prototyp, wie er später im Designprozess selbstverständlich als Zwischenschritt notwendig geworden ist – aber eben kein endgültiger Zustand. Bis hierher noch keine Überraschung. Als ich jedoch den walisischen Designer Ross Lovegrove danach fragte, welche Bedeutung das Bauhaus für ihn persönlich habe, berichtete er von einer Inspiration, die für mich sehr überraschend war. Zum Verständnis dieser Pointe muss man wissen, dass Ross Lovegrove für sanft geschwungene Formen und fließende Übergänge berühmt ist. Das Etikett, das sich dafür eingebürgert hat, lautet »organisch«. Aus der Erfahrung eines gemeinsamen Ausstellungsprojekts kann ich ein zweites Etikett bestätigen: »visionär«. Um bestehende Grenzen und eingeschliffene Erwartungen kümmert er sich wenig. Statt dessen strebt er mit aller Energie (und noch viel mehr Charme) danach, für konkrete Aufgaben neue Formen zu entwickeln: Als Verheißung einer schöneren und besseren, humanen Zukunft. Ross Lovegrove schreibt (der vollständige englische Wortlaut steht am Ende dieses Beitrags), dass sich in den 1970er Jahren, als er in Manchester dreidimensionales Design studierte, die anti-autoritäre Punk-Bewegung heftige kreative Unruhe hervorgebracht hatte. Während der Bearbeitung von Metallplatten fand er im Werk Marianne Brandts eine Freiheit des gestalterischen Ausdrucks wieder, die seinen eigenen Vorstellungen entsprach. Inspiriert von ihrem Tee-Extraktkännchen mit seiner strengen Geometrie entwarf er ein Modell einer Teekanne. Dabei entdeckte er, dass Blechbögen »ein fantastisches und umgängliches Medium für skulpturale Entwicklung« sind (für mich klingen diese Worte im Original wie eine Zeile aus einem Gedicht). Ross Lovegroves Teekanne hatte eine kubische Form, weit entfernt von seiner heutigen biomorphen Gestaltung. Und doch: Während er diese Auseinandersetzung reflektiert, wird ihm bewusst, dass sein neuester Entwurf (der Stuhl »Diatom« für das italienische Unternehmen Moroso) anscheinend genau die Disziplin der Elementargeometrie enthält, auf die er zu Beginn seines Lebens als Industrial Designer gestoßen ist. »When I studied 3 Dimensional Design at Manchester in the 1970s it was a time of great creative disruption due to the anarchic and anti establishment reaction to authority of the Punk movement. My course fused the skills of industry and I remember how I found in the work of Marianne Brandt a similar expressive freedom as I cut, filed and braised brass sheet. I studied her work and made cardboard models of a tea pot inspired by her raw approach to pure geometry and craft graphism. In doing this I realized that sheet metal was a fantastic and accessible medium for sculptural development . My teapot was cubic, a far cry it might seem from my organic biomorphic work today but as I write I realize that my new Diatom Chair for Moroso probably contains the discipline of those base geometries that I collided with at the outset of my life in Industrial Design.«
Kosmische Harmonie: Klaviatur der Farben am Bauhaus / 11.5.2016 / Welche Farbe steht wohl den meisten Menschen vor Augen, wenn sie spontan nach ihrer Assoziation mit dem Bauhaus gefragt werden? Ich vermute: Weiß. In Abstufungen über zwei, drei größere Grau-Schritte bis zum Schwarz. Dieser Reflex ist wahrscheinlich der Dominanz der Abbildungen von Gebäuden im sogenannten Bauhaus-Stil geschuldet. Dann, nach ein paar Sekunden des Nachdenkens, vermutlich die eigentümliche Trikolore des elementaren Rot-Gelb-Blau. Kombiniert mit den geometrischen Grundformen: Quadrat, Kreis und gleichseitiges Dreieck. Dieses Klischee erhält vielfältige Brechungen und Bereicherungen, sobald zwei zentrale Akteure des Bauhauses betrachtet werden: Johannes Itten und Josef Albers. Von dem charismatischen, mit der Aura eines Gurus umgebenen Johannes Itten stammt der berühmte Farbstern. Er besteht aus zwölf Farbstrahlen, die sich in die vier Bereiche Rot, Gelb, Grün und Blau verteilen. Sie untergliedern sich jeweils entsprechend der farblichen Intensitäten. Itten knüpft mit diesem Modell an ältere, auf der menschlichen Wahrnehmung beruhende Theorien zur Systematisierung und Wirkung der Farben an, die bis zu Goethes Farbenlehre reichen. Im wesentlichen dreht es sich bei diesem jahrhundertelangen Diskurs um die Auseinandersetzung zwischen Positionen, die das Phänomen Farbe durch physikalische oder Wahrnehmungsgesetze vollständig erklären wollen. Als junger Künstler besucht Josef Albers den Vorkurs Johannes Ittens. Nach dem Weggang Ittens übernimmt Albers gemeinsam mit László Moholy-Nagy die Leitung des Vorkurses in Dessau. Neben seinem Zyklus »Hommage to the Square« zählt das Buch »Interaction of Color« zu seinen berühmtesten Werken. Im geht es dabei weniger um einen starren Codex als vielmehr um die unendliche Vielfalt der möglichen Erscheinungen von Farbe in der Kombination mit anderen Farben. Seine Übungen im Vorkurs eignen sich deshalb – im Vergleich zu Ittens abstrakterer Theorie – unmittelbarer für die praktische Anwendung im Design. Insofern ist es auch nicht überraschend, wenn seine Unterricht nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA und an der HfG Ulm als Abgrenzung vom Bauhaus aufgefasst werden. Einer der einflussreichsten italienischen Architekt, Designer und Theoretiker aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist Alessandro Mendini. Gemeinsam mit weiteren Akteuren wehrt er sich ab der Mitte der 1970er Jahre gegen die Monotonie der banalisierten, grauen Moderne und bearbeitet deren typische Objekte, indem er sie mit bunten Farben und Hinzufügungen überformt. Ich habe ihn nach seiner Einschätzung gefragt: Welchen Einfluss hat das Bauhaus auf seine Arbeit – bis in die Gegenwart – ausgeübt? Oberflächlich könnte man vermuten, dass die Kluft zwischen Bauhaus und Alchimia kaum überbrückbar sein könnte. Doch weit gefehlt. Mendini antwortet, dass für jeden Designer die Grundlage aller Formen von Gedanken darstelle. Er selbst habe fortlaufend Anregungen aus den spiritualistischen Aspekten des Bauhauses gewonnen: Oskar Schlemmer, Johannes Itten, Paul Klee, Wassily Kandinsky und das Theater. Darüber hinaus beruhe bis heute die weltweite Architekturausbildung auf den Methoden, die das Bauhaus entwickelt hat und die von der HfG Ulm weiter entwickelt wurden. – Das Bauhaus und Italien: Immer für eine Überraschung gut! »How would you describe the influence of Bauhaus to your professional work? Is there any? For any architect or designer, the Bauhaus, although it might be unfamiliar or repudiated, is the platform of all forms of thought. As for me, I have continuously drawn from the spiritualist aspect of the Bauhaus: Oskar Schlemmer, Johannes Itten, Paul Klee, Wassily Kandinsky and their theatre. According to your personal estimation, what is the influence of Bauhaus to design today? All the architecture schools of the world are still directly or indirectly based on the training methods at the Bauhaus, which then led to the Ulm School of Design, empiricism and more.«
Von der Gestaltung zum Design / 20.5.2016 / Gestaltung ist ein Begriff, um den uns die designtheoretische Szene auf der ganzen Welt beneidet. Nun gut, kein Anlass, sich etwas drauf einzubilden. Und davon abgesehen ist diese Szene recht überschaubar. Aber es ist doch immerhin ein bemerkenswertes Signal, denn es macht uns auf die Bedeutungsnuancen aufmerksam, die »Design« und »Gestaltung« unterscheiden. Mit dem Begriff »Gestalt« sollte, als er in die deutsche Sprache eingeführt wurde, eine unteilbare Ganzheit der Erscheinung zum Ausdruck gebracht werden. Die zugrunde liegende Theorie geht davon aus, dass die menschliche Wahrnehmung immer die Zusammenhänge der Phänomene berücksichtigt. Im Gegensatz dazu ist der Intellekt fähig, einzelne Elemente des Wahrgenommenen zu isolieren. Aber bei dieser mentalen Verarbeitung handelt es sich um einen nachgelagerten Prozess. Anders gesagt: Weil die Teilelemente eines Objektes zueinander in Beziehung stehen, beeinflussen sie die Wahrnehmung des Objektes als Ganzes. Die berühmte und oft falsch zitierte Formel lautet: Das Ganze ist etwas ANDERES als die Summe seiner Teile. Das bedeutet einerseits: Die gleiche Krawatte entfaltet bei unterschiedlichen Kombinationen (z.B. Hemd, Anzug, Schuhe) und in unterschiedlichen Situationen eine andere Wirkung. Und andererseits nehmen wir z.B. den Anzugträger nicht als die Summe einzelner Kleidungsstück plus Körper wahr, sondern in seiner gesamten Erscheinung innerhalb des räumlichen, zeitlichen und gesellschaftlichen Anlasses. Mit dieser Gestalttheorie ist das Konzept des Gesamtkunstwerks eng verwandt: Bei der Kunst sollte es nicht damit getan sein, dass nur das Werk allein vollendet ist, sondern alle damit in Verbindung und Berührung stehenden Aspekte sollten ebenfalls so »gestaltet« werden, dass die Einheit mit allen Sinnen erlebbar wird. Diese Synthese, so die Überzeugung, steigert nicht nur die Wirkung des Werks, sie bringt auch erst das Wesentliche der Kunst hervor. Die Absicht, die z.B. mit dem Schaffen eines Gemäldes verbunden ist, soll sich demnach erst dadurch vollständig entfalten, dass auch der Rahmen ihm entspricht, und darüber hinaus auch die Wand, an der das Bild präsentiert wird, die Art der Hängung, der Ausstellungsraum im Museum, sogar das gesamte Gebäude, das Poster zur Ausstellung und die Eröffnungsfeier inklusive Musik und Catering. Der Wirkungskreis eines Gesamtkunstwerks ist tendenziell unendlich. Walter Gropius knüpfte mit seiner Konzeption des Bauhauses an die Sehnsucht vieler Menschen nach dem »unteilbaren Ganzen [an], das im Menschen selbst verankert ist und erst durch das lebendige Leben Sinn und Bedeutung gewinnt.« So formuliert Gropius es in seinem programmatischen Text »Idee und Aufbau des Bauhaus« von 1923. Was am Bauhaus entstehen sollte, war also gerade keine Bearbeitung vereinzelter, aus ihrem Zusammenhang herausgerissener Elemente. Sondern es ging ihm um die Integration aller Künste, woraus eine neue Einheit für die neue, moderne Zeit entstehen sollte. Zusätzlich strebte er auch – nicht von Anfang an, aber spätestens mit dem Engagement László Moholy-Nagys – die Integration der Industrie an. Dem Bauhaus Dessau verlieh er den Untertitel: »Hochschule für Gestaltung«, womit ein zentraler Ausgangspunkt seines Konzepts auf den Punkt gebracht war. Ein wenig kompliziert und reichlich missverständlich wird es nach dem Zweiten Weltkrieg. Der holländische Architekt Mart Stam, der den legendären Freischwinger-Stuhl mit einer Stahlrohr-Konstruktion entwickelt und auch am Bauhaus unterrichtet hatte, wurde im Dezember 1948 als Rektor der Akademie der Künste und der Hochschule für Werkkunst in Dresden berufen. In seiner Antrittsrede spricht er vom »Industrial Designer« als Übersetzung für: »Entwerfer für die Industrie«. (Weil diese Rede veröffentlicht wurde, handelt es sich dabei – nach aktuellem Stand der Forschung – um den ersten schriftliche Beleg für die Verwendung des Wortes »Design« in der deutschen Sprache.) Mart Stam bemühte sich also um eine wörtlichen Übersetzung. Bei diesem Versuch blieb allerdings eine charakteristische Nuance auf der Strecke blieb: Nämlich genau der holistische Anspruch, wofür »Gestaltung« der kennzeichnende Begriff war. Nach nur zwei Jahren übernahm Stam 1950 das Amt des Direktors der Hochschule für angewandte Kunst in Berlin-Weißensee. Bis zu seiner Entlassung 1952 verwendete er dort die Begriffe »Industriegestalter« und »industrielle Gestaltung«. Die HfG Ulm hätte auch »Bauhaus Ulm« genannt werden dürfen. Walter Gropius erteilte dem Gründungsdirektor Max Bill dafür die Erlaubnis. Otl Aicher jedoch lehnte diesen Gedanken ab. Sie einigten sich auf den Untertitel des Bauhauses: »Hochschule für Gestaltung«. Sie ist vom Start weg durch und durch international, nicht nur, weil das ausschlaggebende Geld aus den USA fließt. Schon in den Gründungsverhandlungen wird »Gestaltung« durchgängig mit »Design« übersetzt. Von hier aus verbreitet sich der Begriff, parallel mit dem wachsenden Interesse an den damit benannten Ideen und Tätigkeiten, in der deutschen Gesellschaft. Doch der rasche Erfolg brachte auch genau das Gegenteil dessen hervor, was »Gestaltung« bzw. »Design« sein sollte: Modische Verformungen und effekthascherische Verhübschungen der Oberfläche zum Zwecke kurzfristiger Absatzsteigerung. An der HfG distanzierte man sich rasch vom schicken Begriff »Design« und bevorzugte bald wieder die neutralere »Gestaltung«. Und weil »Design« seit den 1980er Jahren einigen ambitionierten Friseuren als attraktive Verpackung erscheint, bezeichnen sich viele Designer in Deutschland wieder als Gestalter. www.bundeskunsthalle.de
Experiment und Manifest: Neues Lernen! / 7.6.2016 / Im Anfang war das Wort: Ein Manifest! Nicht irgendeins, sondern DAS »Manifest und Programm des Staatlichen Bauhauses in Weimar«. Der Text Walter Gropius’ steht neben dem ikonischen Holzschnitt »Kathedrale der Zukunft« Lyonel Feiningers. 1919 wurde dieses vierseitige Flugblatt verbreitet, um die Gründung einer neuen Schule anzukündigen: Im Unterschied zu allen anderen Akademien sollte hier Kunst, Architektur und Handwerk in neuartiger Weise – heute hieße das: integrativ – erlernt werden. Gropius proklamiert das Gebäude als »Einheitskunstwerk« als Ziel einer neuen Gestaltungslehre. Gropius fügt sich damit in die Tradition der modernen Avantgarde ein, die ihre Überzeugungen und Absichten nicht nur mit Taten, sondern auch mit Worten zum Ausdruck brachte. Manifeste begleiten die Entwicklung des Designs und der Designausbildung von Anfang an, schon seit der englischen Reformbewegung »Arts and Crafts« aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Für ihre Vertreter war die Hässlichkeit der Industrieerzeugnisse nur ein äußerlich sichtbarer Spiegel der zugrunde liegenden Falschheit der politischen und gesellschaftlichen Bedingungen. Ihr wichtigster Wortführer, William Morris, war Co-Autor des mit Herzblut geschriebenen »Manifests der Sozialistischen Liga« von 1884. Die darauf folgende europäische Reformbewegung, die wir als Jugendstil kennen, ist nicht nur dank ihrer Entwürfe, sondern auch wegen der großen Anzahl von Manifesten in Erinnerung geblieben. Es ist kein Zufall, dass der Begriff von der Zeitschrift »Jugend« abgeleitet wurde, in deren Selbstverständnis die verbalen Beiträge ebenso wichtig waren wie die visuellen. Gleiches gilt für das avantgardistische Forum »De Stijl« um den Holländer Theo van Doesburg. Sein Einfluss auf die Entwicklung des Bauhauses zwischen Weimar und Dessau kann kaum überschätzt werden. 40 Jahre später: Das Design etabliert sich in ersten Ansätzen und ebenso die Designausbildung. Da heißt es plötzlich: »Design ist gar nicht lehrbar.« Diese absolute Feststellung stammt nicht, wie man vermuten könnte, von einem verschrobenen, zugleich genialen Designer, der zum persönlichen Austausch von Mensch zu Mensch nicht fähig gewesen wäre. Ganz im Gegenteil, den Satz hat Hans Gugelot geäußert, einer der erfolgreichsten Designer der »Zweiten Moderne« der 1950er und 1960er Jahre. Legendäre Entwürfe wie der »Schneewittchensarg« oder der Rasierer »Sixtant« für Braun und das »Carousel« für Kodak lieferten entscheidende Impulse für das Erscheinungsbild der damals noch jungen Bundesrepublik Deutschland. Gleichzeitig übernahm er als festangestellter Dozent der HfG Ulm eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Designausbildung – mit internationaler Wirkung: als Berater und Gastprofessor des National Institute of Design im indischen Ahmedabad hat bis heute spürbaren Einfluss auf die Verbreitung des rationalen, systematischen Designverständnisses ausgeübt. »Design ist gar nicht lehrbar«: Auch das ein Manifest. Eines von der ganz kurzen Sorte. Radikal, unausgewogen, unnachgiebig. Damit befindet sich Gugelot in bester Gesellschaft.
Der Zauber der Halbkugel: Die Bauhausleuchte / 21.6.2016 / »Quality never goes out of style« lautete jahrzehntelang der Slogan einer Jeansmarke aus den USA. Ein Spruch, der beim Publikum hypnotisches Nicken hervorruft: Ja, klar, klingt doch selbstverständlich, und gleichzeitig versprüht die Formel die überwältigend überzeugende Kraft eines Glaubensbekenntnisses. Das Credo des modernen Verkäufers. Eine vergleichbare Wirkung geht von Wilhelm Wagenfelds Tischleuchte aus. Sie verströmt die Anziehungskraft einer Glaskugel. Allein ihr Anblick genügt, um zu signalisieren: Hier geht es um etwas Besonderes, um höhere Energie. Es wäre sogar zulässig, an Magie zu denken, denn Walter Gropius selbst hat davon gesprochen, dass in der Moderne das Magische durch das Rationale nicht verdrängt werden dürfe. Wenn nur ein einziges Objekt die Idee, die mit dem Bauhaus verknüpft wird, verkörpern dürfte, so wäre es mit hoher Wahrscheinlichkeit diese Leuchte. Darin besteht das oberflächlich Besondere: Ihre Funktion eines Symbols, das wie eine Reliquie an der Stelle des Heiligen und der Glaubenslehre angebetet wird. Die Bauhausleuchte ist unantastbar. Sie repräsentiert sowohl die Ideologie als auch den Mythos, der in der Folge der Rezeption des Bauhauses entstanden ist, deutlicher als jeder andere Gegenstand. Diese merkwürdig verschobene Verschränkung der Bedeutungsebenen haben Julia Meer und Philipp Oswalt in ihren Beiträgen zur Ausstellung (Video) und zum Katalog (Text) offen gelegt. Da ist der gläserne Leuchtkörper. Er sorgt dafür, dass das Licht der innen angebrachten elektrischen Lampe zerstreut wird. Das Ergebnis ist eine schöne Lichtstimmung – aber fürs Arbeiten am Schreibtisch oder fürs Lesen am Nachttisch taugt das nicht. Doch genau dort wurde die Lampe stets präsentiert, bis heute. Dann die runde Fußplatte aus Glas (alternativ: Metall). Diese Materialwahl ist nur den Zeitgenossen verständlich, denn es handelt sich um ein Zitat: Bei älteren Öl- und Pet
***
Wenn Sie dazu mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.