Designer sind in den seltensten Fällen Revolutionäre, die etwas radikal Neues erfinden und damit auch noch weltweit Erfolg haben. Aber bisweilen gelingt dieser ganz große Wurf dann eben doch. Er gelang zum Beispiel in den frühen 1960er Jahren der englischen Modedesignerin Mary Quant. Sie war eine Querdenkerin. Die Gesetze der Branche interessierten sie nicht. Nach ihrem Modestudium eröffnete sie 1955 mit 21 Jahren auf der Londoner King‘s Road im Stadtteil Chelsea eine der ersten Modeboutiquen der Metropole überhaupt. Weil ihr die Kleidungsstücke ihrer Lieferanten nicht gefielen, begann sie, eigene Kollektionen zu entwerfen. Sie kümmerte sich nicht darum, ob in Paris oder Mailand gerade Frühling-/Sommer- oder Herbst-/Winterkollektionen auf dem Laufsteg gezeigt wurden: Sie präsentierte ihren Kundinnen neue Kreationen, wann immer sie es für richtig hielt. Ihre Mode war pragmatisch, einfallsreich – und vor allem bezahlbar. Schon nach wenigen Jahren stritten sich die Damen der feinen Gesellschaft um ihre Modelle mit Bürgerstöchtern und Studentinnen. Die King‘s Road war ihr Laufsteg, und Mary Quant reagierte spontan auf das, was sie sah und was sich die Frauen von ihrer Mode wünschten. Und die verlangten nach Kleidung, in der sie auch mal einem Bus hinterher hetzen konnten. Mit den überknielangen Kostümen war das nicht möglich. Mary Quant schnitt die Röcke ab, mindestens 10 cm oberhalb der Knie, und selbst das war manchen Kundinnen noch zu lang! Als 1962 die britische Vogue erstmals einen Minirock veröffentlichte, war es ein kalkulierter Skandal innerhalb einer Atmosphäre der etablierten Wohlanständigkeit. Doch innerhalb kurzer Zeit trug beinahe jede Frau auf der Welt Minis. Der kurze Rock avancierte zum Ausdruck der Emanzipation. Erstmals zeigte eine ganze Generation selbstbewusst ihre körperlichen Reize und konfrontierte die Männer damit, dass sie ab sofort als selbstbestimmte, gleichberechtigte Sexualpartner ernst genommen werden wollten. Dem Minirock von heute ist das Gesellschafts-Revolutionäre abhanden gekommen. Geblieben ist allein der Sex-Appeal. Und selbst der hält sich in Grenzen, wenn unter dem Mini blickdichte Leggings getragen werden. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [232]
Designer sind in den seltensten Fällen Revolutionäre, die etwas radikal Neues erfinden und damit auch noch weltweit Erfolg haben. Aber bisweilen gelingt dieser ganz große Wurf dann eben doch. Er gelang zum Beispiel in den frühen 1960er Jahren der englischen Modedesignerin Mary Quant. Sie war eine Querdenkerin. Die Gesetze der Branche interessierten sie nicht. Nach ihrem Modestudium eröffnete sie 1955 mit 21 Jahren auf der Londoner King‘s Road im Stadtteil Chelsea eine der ersten Modeboutiquen der Metropole überhaupt. Weil ihr die Kleidungsstücke ihrer Lieferanten nicht gefielen, begann sie, eigene Kollektionen zu entwerfen. Sie kümmerte sich nicht darum, ob in Paris oder Mailand gerade Frühling-/Sommer- oder Herbst-/Winterkollektionen auf dem Laufsteg gezeigt wurden: Sie präsentierte ihren Kundinnen neue Kreationen, wann immer sie es für richtig hielt. Ihre Mode war pragmatisch, einfallsreich – und vor allem bezahlbar. Schon nach wenigen Jahren stritten sich die Damen der feinen Gesellschaft um ihre Modelle mit Bürgerstöchtern und Studentinnen. Die King‘s Road war ihr Laufsteg, und Mary Quant reagierte spontan auf das, was sie sah und was sich die Frauen von ihrer Mode wünschten. Und die verlangten nach Kleidung, in der sie auch mal einem Bus hinterher hetzen konnten. Mit den überknielangen Kostümen war das nicht möglich. Mary Quant schnitt die Röcke ab, mindestens 10 cm oberhalb der Knie, und selbst das war manchen Kundinnen noch zu lang! Als 1962 die britische Vogue erstmals einen Minirock veröffentlichte, war es ein kalkulierter Skandal innerhalb einer Atmosphäre der etablierten Wohlanständigkeit. Doch innerhalb kurzer Zeit trug beinahe jede Frau auf der Welt Minis. Der kurze Rock avancierte zum Ausdruck der Emanzipation. Erstmals zeigte eine ganze Generation selbstbewusst ihre körperlichen Reize und konfrontierte die Männer damit, dass sie ab sofort als selbstbestimmte, gleichberechtigte Sexualpartner ernst genommen werden wollten. Dem Minirock von heute ist das Gesellschafts-Revolutionäre abhanden gekommen. Geblieben ist allein der Sex-Appeal. Und selbst der hält sich in Grenzen, wenn unter dem Mini blickdichte Leggings getragen werden. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.