Designer sind oft ihrer Zeit voraus. Manchmal profitieren sie nicht einmal von ihrer Erfindung, selbst wenn diese dann schließlich doch ein Welterfolg wird. So erging es auch dem französischen Ingenieur Louis Réard. Er hat das Kleidungsstück erfunden, das im Sommer am Strand weltweit vermutlich am beliebtesten ist und am häufigsten getragen wird: Den Bikini. Der knappe Zweiteiler ist das Ergebnis eines Wettbewerbs, den sich Réard mit Jacques Heim lieferte. Dieser hatte das elterliche Pelzgeschäft in Paris 1930 übernommen und in ein Atelier ausgeweitet, wo er elegante Mode für betuchte Damen entwarf. 1932 brachte er für sie eine zweiteilige Badebekleidung aus Baumwolle heraus. Er taufte sie, ganz der Fortschrittseuphorie der künstlerischen Avantgarde in Europa verpflichtet, auf den Namen »Atome«. Schließlich handelte es sich um die kleinste Schwimmbekleidung, die damals eine anständige Frau erwerben konnte. Dann kamen der Zweite Weltkrieg und die Besetzung von Paris durch die Deutschen. Von diesen befreit, erlebte Paris 1946 einen wunderschönen, heißen Sommer. Die Menschen atmeten auf und erfreuten sich des Lebens. Louis Réard war eigentlich Automobilingenieur, verdiente seinen Lebensunterhalt aber mit dem Modegeschäft seiner Mutter. Die lebensfrohe Stimmung des Frühjahrs 1946 nutzend, wagte er es, die bis dahin kleinste Badekleidung für Frauen noch kleiner zu machen. De facto verwendete er einen BH zur Bedeckung der Brüste und zwei auf die Spitze gestellte Stoffdreiecke, die nur mit einer Schnur verbunden waren, zur Bedeckung von Scham und Gesäß. Weil sich kein seriöses Model traute, so viel Nacktheit der Öffentlichkeit zu präsentieren, engagierte Louis Réard die 19-jährige Striptänzerin Micheline Bernardini. Sie trug bei der Premiere im Pariser Schwimmbad Molitor am 5. Juli 1946 weniger als 200 Quadratzentimeter Stoff, der mit Buchstaben wie aus einer Tageszeitung bedruckt war. Weil erst wenige Wochen zuvor die Atombombenversuche der USA im Bikini-Atoll die Welt in Atem gehalten hatten, nannte Réard dieses Kleidungsstück Bikini. Er ließ es zwar patentieren, aber das nützte ihm später nichts. Die Tänzerin erhielt 50.000 Briefe Fanpost, allerdings nur von Männern. Die jungen Frauen hielten sich zwanzig Jahre lang bedeckt. Erst im Zuge der Emanzipationsbewegung in den 1960er Jahren wagte sich eine neue Generation an allen Stränden der Welt in den Bikini – der nach den Worten Louis Réards so klein sein muss, dass er durch einen Ehering gezogen werden kann. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [247]
Designer sind oft ihrer Zeit voraus. Manchmal profitieren sie nicht einmal von ihrer Erfindung, selbst wenn diese dann schließlich doch ein Welterfolg wird. So erging es auch dem französischen Ingenieur Louis Réard. Er hat das Kleidungsstück erfunden, das im Sommer am Strand weltweit vermutlich am beliebtesten ist und am häufigsten getragen wird: Den Bikini. Der knappe Zweiteiler ist das Ergebnis eines Wettbewerbs, den sich Réard mit Jacques Heim lieferte. Dieser hatte das elterliche Pelzgeschäft in Paris 1930 übernommen und in ein Atelier ausgeweitet, wo er elegante Mode für betuchte Damen entwarf. 1932 brachte er für sie eine zweiteilige Badebekleidung aus Baumwolle heraus. Er taufte sie, ganz der Fortschrittseuphorie der künstlerischen Avantgarde in Europa verpflichtet, auf den Namen »Atome«. Schließlich handelte es sich um die kleinste Schwimmbekleidung, die damals eine anständige Frau erwerben konnte. Dann kamen der Zweite Weltkrieg und die Besetzung von Paris durch die Deutschen. Von diesen befreit, erlebte Paris 1946 einen wunderschönen, heißen Sommer. Die Menschen atmeten auf und erfreuten sich des Lebens. Louis Réard war eigentlich Automobilingenieur, verdiente seinen Lebensunterhalt aber mit dem Modegeschäft seiner Mutter. Die lebensfrohe Stimmung des Frühjahrs 1946 nutzend, wagte er es, die bis dahin kleinste Badekleidung für Frauen noch kleiner zu machen. De facto verwendete er einen BH zur Bedeckung der Brüste und zwei auf die Spitze gestellte Stoffdreiecke, die nur mit einer Schnur verbunden waren, zur Bedeckung von Scham und Gesäß. Weil sich kein seriöses Model traute, so viel Nacktheit der Öffentlichkeit zu präsentieren, engagierte Louis Réard die 19-jährige Striptänzerin Micheline Bernardini. Sie trug bei der Premiere im Pariser Schwimmbad Molitor am 5. Juli 1946 weniger als 200 Quadratzentimeter Stoff, der mit Buchstaben wie aus einer Tageszeitung bedruckt war. Weil erst wenige Wochen zuvor die Atombombenversuche der USA im Bikini-Atoll die Welt in Atem gehalten hatten, nannte Réard dieses Kleidungsstück Bikini. Er ließ es zwar patentieren, aber das nützte ihm später nichts. Die Tänzerin erhielt 50.000 Briefe Fanpost, allerdings nur von Männern. Die jungen Frauen hielten sich zwanzig Jahre lang bedeckt. Erst im Zuge der Emanzipationsbewegung in den 1960er Jahren wagte sich eine neue Generation an allen Stränden der Welt in den Bikini – der nach den Worten Louis Réards so klein sein muss, dass er durch einen Ehering gezogen werden kann. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.