Funktion »Zentraler Bestandteil des Phänomens Design: Etwas, worauf die Tätigkeit des Designens im weitesten Sinne letztlich abzielt. Dieses Ziel besteht gerade nicht nur in einer technisch-praktischen Verrichtung, sondern umfaßt u.a. auch – mindestens ebenso wichtig – ästhetische, kommunikative, politische oder ökonomische Aspekte. von lat. „functio“ = „Verrichtung; Geltung. Der Duden unterscheidet u.a. zwischen „Tätigkeit; das Arbeiten (z.B. eines Organs)“ und der „[klar umrissene(n)] Tätigkeit, Aufgabe innernhalb eines größeren Zusammenhangs“. (DUWB 5. Aufl. 2003) In bezug auf das Design konkretisiert diese Definition also nicht. Einen Eindruck davon, was der Duden unter F. im Design-Zusammenhang verstehen könnte, gewinnt man durch einen Blick auf das Lemma „F.alismus“: „sich aus dem Zweck eines Bauwerks od. Gebrauchsgegenstandes ableitende Gestaltungsweise in der modernen Architektur u. im Design“. Das semantische Feld wird dadurch auf den Begriff „Zweck“ ausgedehnt, der nun wiederum wie folgt definiert wird: „[mhd. ahd. zwec = Nagel, zu zwei, urspr. = gegabelter Ast, Gabelung; später: Nagel, an dem die Zielscheibe aufgehängt ist, od. Nagel, der in der Mitte der Zielscheibe sitzt; Zielpunkt]: 1. etw., was jemand mit einer Handlung beabsichtigt, zu bewirken, zu erreichen sucht; [Beweggrund u.] Ziel einer Handlung (…).“ Wir können demnach davon ausgehen, daß allgemeinsprachlich unter F. im Design-Zusammenhang diejenige Bedeutungsnuance im Vordergrund steht, welche das Moment des Ziels, der Beabsichtigung einer Tätigkeit faßt: F. ist, worauf eine Handlung abzielt. Interessanterweise ist das Moment der Entscheidungsnotwendigkeit (im Angesicht einer Gabelung), welche einen elementaren Bestandteil des Designs darstellt, in diesem semantischen Feld zwar ehemals vorhanden gewesen, es wird aber wohl nicht mehr wahrgenommen. Der Begriff F. ist für das Phänomen Design zentral. Zum einen, weil die Geschichte der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen Design ohne die jeweilige Bezugnahme auf den F.sbegriff nicht verstanden werden kann. Zum anderen, weil die Praxis des Designens nicht möglich ist, ohne eine persönliche Position zum F.sbegriff, explizit oder implizit, einzunehmen. Die Architekturtheorie hat den F.sbegriff für das Design lange Zeit beeinflußt, wenn nicht dominiert. Seit der Renaissance bis ins 19. Jh. greift der architekturtheoretische Diskurs auf die Forderung der römischen Antike zurück (zumindest darauf, was davon in Vitruvs Schrift „De architectura libri decem“ / „Zehn Bücher über die Baukunst“ aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert überliefert ist), derzufolge ein Bauwerk schön, dauerhaft und nützlich sein solle. Vitruv unterscheidet zwischen „firmitas“, „utilitas“ und „venustas“, womit erstens die technischen Angelegenheiten des Bauens bezeichnet sind, zweitens der Zweck des Gebäudes und drittens die ästhetische Erscheinung. Durch Leon Battista Alberti als normgebend kodifiziert, war diese Trias der Ziele guter Architektur beschrieben und bis ins späte 19. Jh. gültig. Sich damit auseinandersetzend und darauf aufbauend, diskutieren Theorien der Gestaltung seit Arts and Crafts das Verhältnis von Schönheit und technischer Zweckmäßigkeit, künstlerischem Anteil und realer Brauchbarkeit. Dem Begriff F. wäre möglicherweiswe für das Design – spekulativ gesagt – nicht eine solch zentrale Position zugefallen, wie wir sie heute konstatieren müssen, wenn sich die These „form follows function“ („Die Form folgt der Funktion“) nicht zu einer der bekanntesten Spruchweisheiten in Gestaltungsfragen überhaupt entwickelt hätte. Der Ausspruch stammt von dem amerikanischen Architekten Louis Henry Sullivan. Er wurde veröffentlicht in seiner Schrift „Das hohe Bürogebäude, künstlerisch betrachtet“ und erlangte erst über die Rezeption einen alttestamentarisch anmutenden Geltungsanspruch. Eigentlich ist es dem Selbstverständnis des Designs inhärent, daß F. dem Design inhärent ist: Design ist (auch) ein Mittel zur Erfüllung einer Handlungsabsicht. Wenn also formal oder auch gerne werblich zwischen F. und Design unterschieden wird („Design und F.“), so zerstört dies eben die grundlegende Annahme von der Einheit von Design und F. In solchen Äußerungen werden die Sphären Design und F. dergestalt getrennt, daß eine Steigerung suggeriert wird, wenn ein Objekt nicht nur Design (somit im Sinne einer lediglichen schicken Oberfläche), sondern gerade auch F. (als technisch-praktische Erfüllung eines Anschaffungszwecks) biete. Die These „form follows function“ berührt diesen Zusammenhang aufs problematischste. Es wird hier zwischen Form und F. unterschieden, was sprachlich-intellektuell möglich ist, was aber realiter nur zwei Seiten derselben Medaille sind. Denn die Form eines Objektes läßt sich nicht von diesem ablösen wie eine aufgeklebte Folie, damit die „nackte“ F. sozusagen darunter sichtbar würde. Die Form eines Objektes läßt sich sehr wohl ändern, aber dann geht damit auch eine Änderung der F. einher. Wenn beispielsweise Hans Gugelot, Otl Aicher und Dieter Rams für die Firma „Braun“ im Jahr 1955 eine Phono-Radio-Kombination entwerfen, welche nicht mehr den bis dato üblichen formalen Kriterien genügt, so ändern sie in diesem Moment auch die F. des Gerätes: Der Phonosuper SK 4 wird nicht mehr bloß eine weitere technische Möglichkeit, Schallplatten abzuspielen und Radioprogramme zu empfangen, sondern er ermöglicht z.B. eine andere Aufstellung im Raum und damit eine neue innenarchitektonische Konstellation. Ganz abgesehen von den kommunikativen Aspekten, also dem Designgegenstand als Objekt des demonstrativen Konsums, mit dessen Hilfe seine Käufer ihrer Umwelt gegenüber eine Aussage treffen darüber, wie sie sich sehen und wie sie wahrgenommen werden möchten. – Als Ursache des Mißverständnisses von „form follows function“ erscheint das Wort „follows“: als ob es eine gesetzmäßige Folge wäre, daß B eintrete, wenn A definiert sei. Schönheit folgt jedoch nicht, sondern wird gesehen. Auch die Form folgt nicht. Sie entsteht nicht zwangsläufig und sie ergibt sich nicht. Sie ist vielmehr das Ergebnis einer Abfolge aktiver Handlungen und bewußter Entscheidungen. Die Form ist beim Design nicht das zwangsläufige Ergebnis dessen, was übrigbleibt, wenn alles Überflüssige entfernt ist – genausowenig wie die künstlerische Skulptur das ist, was übrig bleibt, nachdem der Künstler alles Überflüssige aus dem Stein um sie herum weggeschlagen hat. Die Form kann der F. nicht folgen, weil die F. keine Konstante ist, sondern eine Variable, die abhängig ist von der Betrachtung und der Verwendung durch den Nutzer. Die Form kann sich allerdings aus der Konzentration auf eine einzelne F.en entwickeln – das ist aber ein extreme Einschränkung, die mit dem universalen Geltungsanspruch von „form follows function“ nichts mehr gemein hat. Andersherum stellen wir hingegen fest, daß die F. der Form folgt: Eben weil die Lehne eines Stuhls sich dazu anbietet, nutze ich sie als Garderobe. Eben weil die Saftpresse sich nicht zum Saftpressen eignet, nutze ich sie als dekorative Mitteilung an meine Gäste. Pragmatisch steigert sich die Loslösung des F.sbegriffs von der Wirklichkeit zu etwas Absoluten im F.ismus. Dieser verfolgt das Anliegen, die F. „rein“ zum Ausdruck zu bringen. Phrasen wie „die reine F.“ oder „die pure F.“ evozieren, daß die Wirklichkeit durch verschmutzte, verdorbene Objekte entstellt sei – Objekte, welche nur deshalb unreine seien, weil die ihnen obliegende F. durch sie nicht klar und rein zum Ausdruck gebracht würde. Das „Selbst“ eines Dings sei demnach die F. – Es sei jedoch bemerkt, daß „die Frage des Funktionalismus nicht zusammenfällt mit der nach der praktischen Funktion“, wie Adorno konstatiert hat. Höchst bedenklich wird diese Ansicht, wenn in der Konsequenz dem f.alen Objekt nicht nur zugestanden wird, daß es allein deshalb schön sei, weil es seine F. perfekt erfülle, sondern wenn ihm darüberhinaus Wahrhaftigkeit oder sogar Wahrheit nachgesagt wird. Der Gestaltung unter f.alen Aspekten kommt dadurch ein absoluter – die schärfsten Kritiker nennen ihn sogar polemisch: totalitärer – Anspruch zu, der die generelle Methode über das einzelne Problem stellt. Genau dies ist aber einer der zentralen Legitimationen der Moderne des 20. Jh. gegenüber den zuvor ausgeübten Gestaltungsmethoden: Diese klassische Moderne behauptet, jeden Fall individuell zu behandeln und sich nicht nach einem zuvor gewählten Stil zu richten. Tatsächlich mündet dieser Anspruch sowohl in der Theorie als auch in der bedauernswerten Praxis in einem unauflösbaren Widerspruch (Theorie) bzw. in der Widerholung der Mittelmäßigkeit (Praxis), wie seit Theodor W. Adorno Vortrag über „F.alismus heute“ und Alexander Mitscherlichs Klageschrift über „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“ die Kritiker des F.alismus nicht müde werden zu betonen. Des Ermahnens und Streitens überdrüssig geworden, wenden sich Architekten und Designer seit den 1970er Jahren in Italien und USA vom nüchternen Argumentieren ab und widmeten sich der ironischen Brechung des F.-Fetischismus („Learning from Las Vegas“; „Alchimia“; „Memphis“): eine Zeiterscheinung, welche in der Bewegung mündet, die, da sie diese Moderne für überwunden erklärt, von ihren Protagonisten „Postmoderne“ genannt wird. Es läuft somit darauf hinaus, daß die F. nie allgemeingültig ist. Weiterhin müssen wir sehen, daß es bei einem Objekt nicht lediglich eine einzelne F. gibt. Es gibt nur viele F.en. Das Design muß sich die Frage gefallen lassen, welche F. primär erfüllt werden soll. F. ist eine Abstraktion – F.en sind die Wirklichkeit. Durch die Nutzung des Verbrauchers erhält ein Objekt F.en zugewiesen, die der Gestalter darin nicht gesehen hat bzw. die er damit nicht erfüllt wissen wollte: Wieviele Stühle werden wohl nicht auch als Garderobe und Trittleiter genutzt? Die Qualität des Designs offenbart sich darin, wie deutlich es zwischen praktischer, ästhetischer, kommunikativer, merkantiler/ökonomischer bzw. betriebswirtschaftlicher, gar unternehmensstrategischer F. unterscheidet und die jeweiligen Aspekte als wesentlich herausarbeitet. Literatur: Marcus Vitruvius Pollio, De Architectura Libri Decem. Zehn Bücher über Architektur; Louis Henrs Sullivan, The tall office building artistically considered; Theodor W. Adorno: „Funktionalismus heute“, in: Gesammelte Schriften, Band 10: Kulturkritik und Gesellschaft, 375-395; Alexander Mitscherlich, Die Unwirtlichkeit unserer Städte; Robert Venturi, Denise Scott Brown, Steven Izenour, Learning from Las Vegas: The Forgotten Symbolism of Architectural Form.« Postmoderne »Bezeichnung für eine Phase, welche durch Phänomene charakterisiert wird, die sich im Design und in der Architektur zwischen den frühen 1970er und den späten1980er Jahren in Theorie und Praxis äußerten, nachdem sie zuvor bereits in anderen kulturellen Bereichen (z.B. Philosophie, Kunst, Literatur) in Erscheinung getreten sind. zusammengesetzt aus lat. „post“ = „nach“ und „Moderne“, bezeichnet P. einen Zeitabschnitt, der – so die These derer, die den Begriff eingeführt haben – nach der Epoche der Moderne eingesetzt habe. Es handelt sich um einen polemisch-kämpferischen Terminus, durch dessen Verwendung nicht lediglich im nachhinein das Ende der Moderne diagnostiziert wurde, sondern durch die Proklamation selbst wurde versucht, diesen Epochenwechsel erst herbeizuführen. Der Begriff wurde erstmals 1917 von Pannwitz in einem kulturphilosophischen Diskurs mit Bezug auf Nietzsche verwendet; in den Einzeldisziplinen der Kulturwissenschaft wird der Begriff äußerst variantenreich, sogar widersprüchlich verwendet. In die Architekturtheorie hat Charles Jencks den Begriff 1975 eingeführt. Ausgangspunkt ist die Annahme zu Beginn der 1970er Jahre, die Moderne befinde sich in einer Krise von existentiellem Ausmaß. Die Moderne müsse humanisiert werden. Der Architekt Robert Venturi, USA, stellte ebenso wie die italienischen Architekten und Designer um Ettore Sottsass, Alessandro Mendini, Michele de Lucchi oder Matteo Thun (Alchimia, Radical Design, Memphis) fest, daß die Versprechungen der Klassischen Moderne – insbesondere in der Ausprägung, die von Henri-Russel Hitchcock und Philip Johnson als International Style bezeichnet wurde und die weltweite Meinungsführerschaft gewann – seit den 1920er Jahren nicht eingetreten seien. Denn die von Menschen gestaltete Umwelt sei keinesfalls in einem besseren Zustand als vor Beginn dieser modernen Gestaltung durch Design und Architektur. Die Städte hätten sich keineswegs zu Paradiesen voller ästhetischer Harmonie und funktionaler Qualität entwickelt. Durch die Banalisierung der Moderne im Zuge des Funktionalismus sei allerdings ein unmenschlicher Aspekt dominant geworden: Die gestalterischen Resultate zeichneten sich durchweg durch Kälte, Unpersönlichkeit, Eintönigkeit und Einfalt aus. Ergonomie galt ihnen als plumpe Rechtfertigung für das ästhetischen Einerlei, Funktionalismus als Kanonisierung einer Vernunft, die zunehmend nur noch der Logik des Kaufmanns folgte. Die Antwort der frühen Protagonisten war durch Ironie geprägt. Sie relativierten die bis dahin gültigen Wahrheiten und Wertmaßstäbe. Robert Venturi empfahl 1978, man möge doch Architektur und Städtebau vom Sunset Strip in Las Vegas lernen. Memphis-Designer widersetzten sich dem Diktat der technischen Zweckerfüllung und der formelhaften Spruchweisheit „form follows function“, indem sie die Gestaltung der Oberfläche in den Fokus der Designer rückten – unter den Gesetzen der klassischen Moderne eine unerhörte Provokation, weil sich ja diesen zufolge die Form aus der Funktion beinahe von selbst ergebe (der Designer als Geburtshelfer). An die Stelle der Endgültigkeit beanspruchender Eindeutigkeit als Ideal wurden nun Unbestimmtheit, Beliebigkeit, Vielstimmigkeit, Trivialität und Spontaneität als menschliche Eigenschaften wertgeschätzt. Kennzeichnend für die Phänomene der P. im Design ist, dass sich die Designer weitaus mehr für die stilistische Ausgestaltung als für die technische Weiterentwicklung der Objekte interessierten, die in Erscheinung treten sollten. Als eine der wichtigsten Techniken der formalen Gestaltung ist die Collage zu nennen, die meist historische Formen und Stile enthielt. Die Elemente wurden nicht nur addiert, sondern vor allem verfremdet: durch die Kombination von Stilmerkmalen aus Antike, Renaissance, Barock, Pop Art, Art Déco, Hollywood, Biedermeier, durch Verzerrung oder/und eine Änderung des Größenverhältnisses, des Materials und der Farben. Klassische Möbelentwürfe konnte so nicht nur zitiert, sondern karrikiert bzw. persifliert werden. Die Aura des Klassisch-Überhöhten, die den Objekte der Karrikatur anhaftete, wurde dadurch aber nicht einfach zerstört. Dadurch, daß die Karrikaturen der P. sofort neben den aufs Korn genommenen Klassikern auf den getünchten Ausstellungssockel in Museen erhoben wurden, kaum daß sie das Atelier des Designers verlassen hatten, verstärkten sie im Kontext des kunsttheoretischen Diskurses zugleich auch die Bedeutung der Klassiker als Originale. Die bloße Addition geometrischer Grundformen wie Zylinder, Pyramide, Kugel und Würfel ist ein weiteres typisches Phänomen der P. Besonders deutlich wurde dies im architektonischen Design für Gegenstände, die ihren Platz am Wohn- und Esszimmertisch haben (Michael Graves für den italienischen Hersteller Alessi). Der Teekessel wurde von einem gleichseitigen Dach gekrönt, der Kerzenhalter trat als Hochhaus in Erscheinung, die Teekanne als Tempel, die Salz- und Pfefferstreuer als Schiefer Turm von Pisa und die Tischuhr als Triumpfbogen. Die Addition von Körpern, Strukturen, Texturen und Oberflächen beschränkte sich nicht auf die Architektur innerhalb der Architektur. Der Zylinder, der auf dem Würfel sitzt, auf dem eine Kugel thront und an desse Längsseite ein halbkreisförmiger Bogen klebt, welcher als Griff dienen kann, hat eine allgemeingültige Erscheinungsform angenommen. Ein solches Ding kann alles mögliche sein: Leuchte, Kanne, Buchstütze. Dies spiegelt konsequent die Erkenntnis, dass äußere Erscheinungen beliebig geworden seien – und zwar zuerst in der Moderne, die sich zwar vorgenommen hatte, jedes Problem aus sich selbst heraus zu lösen, deren Ergebnisse aber ernüchternd eintönig wurden. Der provokative Affront gegen die als Diktat empfundene Bevorzugung des klassisch-modernen Farbdreiklangs Weiß-Grau-Schwarz drückte sich auch in den Oberflächen aus, die nicht nur monochrom farbig gestaltet wurden, sondern auch ein dekoratives Muster trugen. Berühmt-berüchtigt wurde das „Bakterio“ genannte Würmchen-Dekor Ettore Sottsass‘ auf Abet-Laminaten für Möbel und Terrazzo-Imitation jeglicher Spielart. In der theoretischen Herleitung argumentierten die Protagonisten der P., dass die Verdammung der Vergangenheit durch die Moderne als inhuman entlarvt sei. Ganz im Gegenteil bereichere das historische Wissen den Entwurf des Designers. Daraus entwickelte sich das selbstbewußte eklektizistisch-historisierende Auftreten gegenüber der Moderne, hinter die die P. zurückgegriffen und über die sie hinausgegriffen hat. Zugleich bedeutete dies, dass die elitäre Trennung von Hochkultur (idealtypische Projekte der Moderne) und Populärkultur überwunden werden sollte. Die P. erhob den Kitsch zur Avantgarde wie eine ins Karrikaturenhafte verformte schiefe Säule aus Holz, die an einer Stelle im Gebäude stand, wo sie statisch keinen Sinn ergab, prägte den Charkter eines Treppenhauses. Die ironische Brechung wurde allerdings nicht immer von den Menschen wahrgenommen, sondern für bare Münze genommen. Das Spiel mit Nostalgie, Ornament und Dekoration, mit Farben und Formen der Vergangenheit, die meist keiner technischen Notwendigkeit, sondern einen schmückenden Absicht folgten, wurde rasch von Billigherstellern aufgegriffen. Anders gesagt: Der Erfolg der P. wurde ihr zum Verhängnis. Aus Spaß wurde Ernst, denn die Verkitschung des Alltags wurde forciert. Seither gibt es keinen Werbeartikelhersteller mehr, der ohne grellbunten Kugelschreiber mit Kugel oder Kegel als Drückknopf in seinem Sortiment auskäme. Solcherart als „Designerkulli“ geschmähte Artikel überschwemmen seither den Markt, und in ihrem Sog wurden auch Produkte, die zuvor noch nicht in den Blick der Designer geraten waren, in Designprodukte verwandelt. Der Erfolg der P. als populäre, modische Erscheinungsform ist vermutlich auch in ihrer Medienwirksamkeit begründet, welche mit der zeitgleichen Medialisierung des Alltags einhergeht. Erstmals erzielte das Thema Design eine breite Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, erstmals wurden Designer zu Stars und Designobjekte zu einem Bestandteil des internationalen Kunst-, Galerie- und Museumsmarktes. Aktuell geblieben ist die Erkenntnis der P., dass Design mehr ist als ein Mittel der bloßen technischen Zweckerfüllung. Literatur: Andrea Branzi, Moderno Postmoderno, Mailand 1980; Volker Fischer, Design heute, München 1988; Ingeborg Flagge, Romana Schneider (Hg.), Revision der Postmoderne, Hamburg 2005; Charles Jencks, What is Post-Modernism?, London/New York 1986; Barbara Radice, Memphis, Mailand 1984; Robert Venturi: Learning from Las Vegas, Chicago 1978.« Wenn Sie diese Publikation kommentieren oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [313] und [314]
Funktion »Zentraler Bestandteil des Phänomens Design: Etwas, worauf die Tätigkeit des Designens im weitesten Sinne letztlich abzielt. Dieses Ziel besteht gerade nicht nur in einer technisch-praktischen Verrichtung, sondern umfaßt u.a. auch – mindestens ebenso wichtig – ästhetische, kommunikative, politische oder ökonomische Aspekte. von lat. „functio“ = „Verrichtung; Geltung. Der Duden unterscheidet u.a. zwischen „Tätigkeit; das Arbeiten (z.B. eines Organs)“ und der „[klar umrissene(n)] Tätigkeit, Aufgabe innernhalb eines größeren Zusammenhangs“. (DUWB 5. Aufl. 2003) In bezug auf das Design konkretisiert diese Definition also nicht. Einen Eindruck davon, was der Duden unter F. im Design-Zusammenhang verstehen könnte, gewinnt man durch einen Blick auf das Lemma „F.alismus“: „sich aus dem Zweck eines Bauwerks od. Gebrauchsgegenstandes ableitende Gestaltungsweise in der modernen Architektur u. im Design“. Das semantische Feld wird dadurch auf den Begriff „Zweck“ ausgedehnt, der nun wiederum wie folgt definiert wird: „[mhd. ahd. zwec = Nagel, zu zwei, urspr. = gegabelter Ast, Gabelung; später: Nagel, an dem die Zielscheibe aufgehängt ist, od. Nagel, der in der Mitte der Zielscheibe sitzt; Zielpunkt]: 1. etw., was jemand mit einer Handlung beabsichtigt, zu bewirken, zu erreichen sucht; [Beweggrund u.] Ziel einer Handlung (…).“ Wir können demnach davon ausgehen, daß allgemeinsprachlich unter F. im Design-Zusammenhang diejenige Bedeutungsnuance im Vordergrund steht, welche das Moment des Ziels, der Beabsichtigung einer Tätigkeit faßt: F. ist, worauf eine Handlung abzielt. Interessanterweise ist das Moment der Entscheidungsnotwendigkeit (im Angesicht einer Gabelung), welche einen elementaren Bestandteil des Designs darstellt, in diesem semantischen Feld zwar ehemals vorhanden gewesen, es wird aber wohl nicht mehr wahrgenommen. Der Begriff F. ist für das Phänomen Design zentral. Zum einen, weil die Geschichte der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen Design ohne die jeweilige Bezugnahme auf den F.sbegriff nicht verstanden werden kann. Zum anderen, weil die Praxis des Designens nicht möglich ist, ohne eine persönliche Position zum F.sbegriff, explizit oder implizit, einzunehmen. Die Architekturtheorie hat den F.sbegriff für das Design lange Zeit beeinflußt, wenn nicht dominiert. Seit der Renaissance bis ins 19. Jh. greift der architekturtheoretische Diskurs auf die Forderung der römischen Antike zurück (zumindest darauf, was davon in Vitruvs Schrift „De architectura libri decem“ / „Zehn Bücher über die Baukunst“ aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert überliefert ist), derzufolge ein Bauwerk schön, dauerhaft und nützlich sein solle. Vitruv unterscheidet zwischen „firmitas“, „utilitas“ und „venustas“, womit erstens die technischen Angelegenheiten des Bauens bezeichnet sind, zweitens der Zweck des Gebäudes und drittens die ästhetische Erscheinung. Durch Leon Battista Alberti als normgebend kodifiziert, war diese Trias der Ziele guter Architektur beschrieben und bis ins späte 19. Jh. gültig. Sich damit auseinandersetzend und darauf aufbauend, diskutieren Theorien der Gestaltung seit Arts and Crafts das Verhältnis von Schönheit und technischer Zweckmäßigkeit, künstlerischem Anteil und realer Brauchbarkeit. Dem Begriff F. wäre möglicherweiswe für das Design – spekulativ gesagt – nicht eine solch zentrale Position zugefallen, wie wir sie heute konstatieren müssen, wenn sich die These „form follows function“ („Die Form folgt der Funktion“) nicht zu einer der bekanntesten Spruchweisheiten in Gestaltungsfragen überhaupt entwickelt hätte. Der Ausspruch stammt von dem amerikanischen Architekten Louis Henry Sullivan. Er wurde veröffentlicht in seiner Schrift „Das hohe Bürogebäude, künstlerisch betrachtet“ und erlangte erst über die Rezeption einen alttestamentarisch anmutenden Geltungsanspruch. Eigentlich ist es dem Selbstverständnis des Designs inhärent, daß F. dem Design inhärent ist: Design ist (auch) ein Mittel zur Erfüllung einer Handlungsabsicht. Wenn also formal oder auch gerne werblich zwischen F. und Design unterschieden wird („Design und F.“), so zerstört dies eben die grundlegende Annahme von der Einheit von Design und F. In solchen Äußerungen werden die Sphären Design und F. dergestalt getrennt, daß eine Steigerung suggeriert wird, wenn ein Objekt nicht nur Design (somit im Sinne einer lediglichen schicken Oberfläche), sondern gerade auch F. (als technisch-praktische Erfüllung eines Anschaffungszwecks) biete. Die These „form follows function“ berührt diesen Zusammenhang aufs problematischste. Es wird hier zwischen Form und F. unterschieden, was sprachlich-intellektuell möglich ist, was aber realiter nur zwei Seiten derselben Medaille sind. Denn die Form eines Objektes läßt sich nicht von diesem ablösen wie eine aufgeklebte Folie, damit die „nackte“ F. sozusagen darunter sichtbar würde. Die Form eines Objektes läßt sich sehr wohl ändern, aber dann geht damit auch eine Änderung der F. einher. Wenn beispielsweise Hans Gugelot, Otl Aicher und Dieter Rams für die Firma „Braun“ im Jahr 1955 eine Phono-Radio-Kombination entwerfen, welche nicht mehr den bis dato üblichen formalen Kriterien genügt, so ändern sie in diesem Moment auch die F. des Gerätes: Der Phonosuper SK 4 wird nicht mehr bloß eine weitere technische Möglichkeit, Schallplatten abzuspielen und Radioprogramme zu empfangen, sondern er ermöglicht z.B. eine andere Aufstellung im Raum und damit eine neue innenarchitektonische Konstellation. Ganz abgesehen von den kommunikativen Aspekten, also dem Designgegenstand als Objekt des demonstrativen Konsums, mit dessen Hilfe seine Käufer ihrer Umwelt gegenüber eine Aussage treffen darüber, wie sie sich sehen und wie sie wahrgenommen werden möchten. – Als Ursache des Mißverständnisses von „form follows function“ erscheint das Wort „follows“: als ob es eine gesetzmäßige Folge wäre, daß B eintrete, wenn A definiert sei. Schönheit folgt jedoch nicht, sondern wird gesehen. Auch die Form folgt nicht. Sie entsteht nicht zwangsläufig und sie ergibt sich nicht. Sie ist vielmehr das Ergebnis einer Abfolge aktiver Handlungen und bewußter Entscheidungen. Die Form ist beim Design nicht das zwangsläufige Ergebnis dessen, was übrigbleibt, wenn alles Überflüssige entfernt ist – genausowenig wie die künstlerische Skulptur das ist, was übrig bleibt, nachdem der Künstler alles Überflüssige aus dem Stein um sie herum weggeschlagen hat. Die Form kann der F. nicht folgen, weil die F. keine Konstante ist, sondern eine Variable, die abhängig ist von der Betrachtung und der Verwendung durch den Nutzer. Die Form kann sich allerdings aus der Konzentration auf eine einzelne F.en entwickeln – das ist aber ein extreme Einschränkung, die mit dem universalen Geltungsanspruch von „form follows function“ nichts mehr gemein hat. Andersherum stellen wir hingegen fest, daß die F. der Form folgt: Eben weil die Lehne eines Stuhls sich dazu anbietet, nutze ich sie als Garderobe. Eben weil die Saftpresse sich nicht zum Saftpressen eignet, nutze ich sie als dekorative Mitteilung an meine Gäste. Pragmatisch steigert sich die Loslösung des F.sbegriffs von der Wirklichkeit zu etwas Absoluten im F.ismus. Dieser verfolgt das Anliegen, die F. „rein“ zum Ausdruck zu bringen. Phrasen wie „die reine F.“ oder „die pure F.“ evozieren, daß die Wirklichkeit durch verschmutzte, verdorbene Objekte entstellt sei – Objekte, welche nur deshalb unreine seien, weil die ihnen obliegende F. durch sie nicht klar und rein zum Ausdruck gebracht würde. Das „Selbst“ eines Dings sei demnach die F. – Es sei jedoch bemerkt, daß „die Frage des Funktionalismus nicht zusammenfällt mit der nach der praktischen Funktion“, wie Adorno konstatiert hat. Höchst bedenklich wird diese Ansicht, wenn in der Konsequenz dem f.alen Objekt nicht nur zugestanden wird, daß es allein deshalb schön sei, weil es seine F. perfekt erfülle, sondern wenn ihm darüberhinaus Wahrhaftigkeit oder sogar Wahrheit nachgesagt wird. Der Gestaltung unter f.alen Aspekten kommt dadurch ein absoluter – die schärfsten Kritiker nennen ihn sogar polemisch: totalitärer – Anspruch zu, der die generelle Methode über das einzelne Problem stellt. Genau dies ist aber einer der zentralen Legitimationen der Moderne des 20. Jh. gegenüber den zuvor ausgeübten Gestaltungsmethoden: Diese klassische Moderne behauptet, jeden Fall individuell zu behandeln und sich nicht nach einem zuvor gewählten Stil zu richten. Tatsächlich mündet dieser Anspruch sowohl in der Theorie als auch in der bedauernswerten Praxis in einem unauflösbaren Widerspruch (Theorie) bzw. in der Widerholung der Mittelmäßigkeit (Praxis), wie seit Theodor W. Adorno Vortrag über „F.alismus heute“ und Alexander Mitscherlichs Klageschrift über „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“ die Kritiker des F.alismus nicht müde werden zu betonen. Des Ermahnens und Streitens überdrüssig geworden, wenden sich Architekten und Designer seit den 1970er Jahren in Italien und USA vom nüchternen Argumentieren ab und widmeten sich der ironischen Brechung des F.-Fetischismus („Learning from Las Vegas“; „Alchimia“; „Memphis“): eine Zeiterscheinung, welche in der Bewegung mündet, die, da sie diese Moderne für überwunden erklärt, von ihren Protagonisten „Postmoderne“ genannt wird. Es läuft somit darauf hinaus, daß die F. nie allgemeingültig ist. Weiterhin müssen wir sehen, daß es bei einem Objekt nicht lediglich eine einzelne F. gibt. Es gibt nur viele F.en. Das Design muß sich die Frage gefallen lassen, welche F. primär erfüllt werden soll. F. ist eine Abstraktion – F.en sind die Wirklichkeit. Durch die Nutzung des Verbrauchers erhält ein Objekt F.en zugewiesen, die der Gestalter darin nicht gesehen hat bzw. die er damit nicht erfüllt wissen wollte: Wieviele Stühle werden wohl nicht auch als Garderobe und Trittleiter genutzt? Die Qualität des Designs offenbart sich darin, wie deutlich es zwischen praktischer, ästhetischer, kommunikativer, merkantiler/ökonomischer bzw. betriebswirtschaftlicher, gar unternehmensstrategischer F. unterscheidet und die jeweiligen Aspekte als wesentlich herausarbeitet. Literatur: Marcus Vitruvius Pollio, De Architectura Libri Decem. Zehn Bücher über Architektur; Louis Henrs Sullivan, The tall office building artistically considered; Theodor W. Adorno: „Funktionalismus heute“, in: Gesammelte Schriften, Band 10: Kulturkritik und Gesellschaft, 375-395; Alexander Mitscherlich, Die Unwirtlichkeit unserer Städte; Robert Venturi, Denise Scott Brown, Steven Izenour, Learning from Las Vegas: The Forgotten Symbolism of Architectural Form.« Postmoderne »Bezeichnung für eine Phase, welche durch Phänomene charakterisiert wird, die sich im Design und in der Architektur zwischen den frühen 1970er und den späten1980er Jahren in Theorie und Praxis äußerten, nachdem sie zuvor bereits in anderen kulturellen Bereichen (z.B. Philosophie, Kunst, Literatur) in Erscheinung getreten sind. zusammengesetzt aus lat. „post“ = „nach“ und „Moderne“, bezeichnet P. einen Zeitabschnitt, der – so die These derer, die den Begriff eingeführt haben – nach der Epoche der Moderne eingesetzt habe. Es handelt sich um einen polemisch-kämpferischen Terminus, durch dessen Verwendung nicht lediglich im nachhinein das Ende der Moderne diagnostiziert wurde, sondern durch die Proklamation selbst wurde versucht, diesen Epochenwechsel erst herbeizuführen. Der Begriff wurde erstmals 1917 von Pannwitz in einem kulturphilosophischen Diskurs mit Bezug auf Nietzsche verwendet; in den Einzeldisziplinen der Kulturwissenschaft wird der Begriff äußerst variantenreich, sogar widersprüchlich verwendet. In die Architekturtheorie hat Charles Jencks den Begriff 1975 eingeführt. Ausgangspunkt ist die Annahme zu Beginn der 1970er Jahre, die Moderne befinde sich in einer Krise von existentiellem Ausmaß. Die Moderne müsse humanisiert werden. Der Architekt Robert Venturi, USA, stellte ebenso wie die italienischen Architekten und Designer um Ettore Sottsass, Alessandro Mendini, Michele de Lucchi oder Matteo Thun (Alchimia, Radical Design, Memphis) fest, daß die Versprechungen der Klassischen Moderne – insbesondere in der Ausprägung, die von Henri-Russel Hitchcock und Philip Johnson als International Style bezeichnet wurde und die weltweite Meinungsführerschaft gewann – seit den 1920er Jahren nicht eingetreten seien. Denn die von Menschen gestaltete Umwelt sei keinesfalls in einem besseren Zustand als vor Beginn dieser modernen Gestaltung durch Design und Architektur. Die Städte hätten sich keineswegs zu Paradiesen voller ästhetischer Harmonie und funktionaler Qualität entwickelt. Durch die Banalisierung der Moderne im Zuge des Funktionalismus sei allerdings ein unmenschlicher Aspekt dominant geworden: Die gestalterischen Resultate zeichneten sich durchweg durch Kälte, Unpersönlichkeit, Eintönigkeit und Einfalt aus. Ergonomie galt ihnen als plumpe Rechtfertigung für das ästhetischen Einerlei, Funktionalismus als Kanonisierung einer Vernunft, die zunehmend nur noch der Logik des Kaufmanns folgte. Die Antwort der frühen Protagonisten war durch Ironie geprägt. Sie relativierten die bis dahin gültigen Wahrheiten und Wertmaßstäbe. Robert Venturi empfahl 1978, man möge doch Architektur und Städtebau vom Sunset Strip in Las Vegas lernen. Memphis-Designer widersetzten sich dem Diktat der technischen Zweckerfüllung und der formelhaften Spruchweisheit „form follows function“, indem sie die Gestaltung der Oberfläche in den Fokus der Designer rückten – unter den Gesetzen der klassischen Moderne eine unerhörte Provokation, weil sich ja diesen zufolge die Form aus der Funktion beinahe von selbst ergebe (der Designer als Geburtshelfer). An die Stelle der Endgültigkeit beanspruchender Eindeutigkeit als Ideal wurden nun Unbestimmtheit, Beliebigkeit, Vielstimmigkeit, Trivialität und Spontaneität als menschliche Eigenschaften wertgeschätzt. Kennzeichnend für die Phänomene der P. im Design ist, dass sich die Designer weitaus mehr für die stilistische Ausgestaltung als für die technische Weiterentwicklung der Objekte interessierten, die in Erscheinung treten sollten. Als eine der wichtigsten Techniken der formalen Gestaltung ist die Collage zu nennen, die meist historische Formen und Stile enthielt. Die Elemente wurden nicht nur addiert, sondern vor allem verfremdet: durch die Kombination von Stilmerkmalen aus Antike, Renaissance, Barock, Pop Art, Art Déco, Hollywood, Biedermeier, durch Verzerrung oder/und eine Änderung des Größenverhältnisses, des Materials und der Farben. Klassische Möbelentwürfe konnte so nicht nur zitiert, sondern karrikiert bzw. persifliert werden. Die Aura des Klassisch-Überhöhten, die den Objekte der Karrikatur anhaftete, wurde dadurch aber nicht einfach zerstört. Dadurch, daß die Karrikaturen der P. sofort neben den aufs Korn genommenen Klassikern auf den getünchten Ausstellungssockel in Museen erhoben wurden, kaum daß sie das Atelier des Designers verlassen hatten, verstärkten sie im Kontext des kunsttheoretischen Diskurses zugleich auch die Bedeutung der Klassiker als Originale. Die bloße Addition geometrischer Grundformen wie Zylinder, Pyramide, Kugel und Würfel ist ein weiteres typisches Phänomen der P. Besonders deutlich wurde dies im architektonischen Design für Gegenstände, die ihren Platz am Wohn- und Esszimmertisch haben (Michael Graves für den italienischen Hersteller Alessi). Der Teekessel wurde von einem gleichseitigen Dach gekrönt, der Kerzenhalter trat als Hochhaus in Erscheinung, die Teekanne als Tempel, die Salz- und Pfefferstreuer als Schiefer Turm von Pisa und die Tischuhr als Triumpfbogen. Die Addition von Körpern, Strukturen, Texturen und Oberflächen beschränkte sich nicht auf die Architektur innerhalb der Architektur. Der Zylinder, der auf dem Würfel sitzt, auf dem eine Kugel thront und an desse Längsseite ein halbkreisförmiger Bogen klebt, welcher als Griff dienen kann, hat eine allgemeingültige Erscheinungsform angenommen. Ein solches Ding kann alles mögliche sein: Leuchte, Kanne, Buchstütze. Dies spiegelt konsequent die Erkenntnis, dass äußere Erscheinungen beliebig geworden seien – und zwar zuerst in der Moderne, die sich zwar vorgenommen hatte, jedes Problem aus sich selbst heraus zu lösen, deren Ergebnisse aber ernüchternd eintönig wurden. Der provokative Affront gegen die als Diktat empfundene Bevorzugung des klassisch-modernen Farbdreiklangs Weiß-Grau-Schwarz drückte sich auch in den Oberflächen aus, die nicht nur monochrom farbig gestaltet wurden, sondern auch ein dekoratives Muster trugen. Berühmt-berüchtigt wurde das „Bakterio“ genannte Würmchen-Dekor Ettore Sottsass‘ auf Abet-Laminaten für Möbel und Terrazzo-Imitation jeglicher Spielart. In der theoretischen Herleitung argumentierten die Protagonisten der P., dass die Verdammung der Vergangenheit durch die Moderne als inhuman entlarvt sei. Ganz im Gegenteil bereichere das historische Wissen den Entwurf des Designers. Daraus entwickelte sich das selbstbewußte eklektizistisch-historisierende Auftreten gegenüber der Moderne, hinter die die P. zurückgegriffen und über die sie hinausgegriffen hat. Zugleich bedeutete dies, dass die elitäre Trennung von Hochkultur (idealtypische Projekte der Moderne) und Populärkultur überwunden werden sollte. Die P. erhob den Kitsch zur Avantgarde wie eine ins Karrikaturenhafte verformte schiefe Säule aus Holz, die an einer Stelle im Gebäude stand, wo sie statisch keinen Sinn ergab, prägte den Charkter eines Treppenhauses. Die ironische Brechung wurde allerdings nicht immer von den Menschen wahrgenommen, sondern für bare Münze genommen. Das Spiel mit Nostalgie, Ornament und Dekoration, mit Farben und Formen der Vergangenheit, die meist keiner technischen Notwendigkeit, sondern einen schmückenden Absicht folgten, wurde rasch von Billigherstellern aufgegriffen. Anders gesagt: Der Erfolg der P. wurde ihr zum Verhängnis. Aus Spaß wurde Ernst, denn die Verkitschung des Alltags wurde forciert. Seither gibt es keinen Werbeartikelhersteller mehr, der ohne grellbunten Kugelschreiber mit Kugel oder Kegel als Drückknopf in seinem Sortiment auskäme. Solcherart als „Designerkulli“ geschmähte Artikel überschwemmen seither den Markt, und in ihrem Sog wurden auch Produkte, die zuvor noch nicht in den Blick der Designer geraten waren, in Designprodukte verwandelt. Der Erfolg der P. als populäre, modische Erscheinungsform ist vermutlich auch in ihrer Medienwirksamkeit begründet, welche mit der zeitgleichen Medialisierung des Alltags einhergeht. Erstmals erzielte das Thema Design eine breite Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, erstmals wurden Designer zu Stars und Designobjekte zu einem Bestandteil des internationalen Kunst-, Galerie- und Museumsmarktes. Aktuell geblieben ist die Erkenntnis der P., dass Design mehr ist als ein Mittel der bloßen technischen Zweckerfüllung. Literatur: Andrea Branzi, Moderno Postmoderno, Mailand 1980; Volker Fischer, Design heute, München 1988; Ingeborg Flagge, Romana Schneider (Hg.), Revision der Postmoderne, Hamburg 2005; Charles Jencks, What is Post-Modernism?, London/New York 1986; Barbara Radice, Memphis, Mailand 1984; Robert Venturi: Learning from Las Vegas, Chicago 1978.« Wenn Sie diese Publikation kommentieren oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.