Manche Designer sind für einen Einfall berühmt. Für eine großartige Idee. Eine spektakuläre Erscheinung. Einen Blitz, der die Regale unsere Warenhäuser punktuell grell ausleuchtet. Begleitet vom Donnerschlag, der uns tief in die Magengrube trifft, wenn wir merken, dass da ein Punkt berührt wurde, der gerade jetzt etwas mit uns und unserer Gegenwart zu tun hat.
Manchem Designer gelingt dieser Wurf, der Griff nach einem Stern. Und in der nächsten Saison ist der Stern verglüht, seine Strahlkraft erloschen, das Produkt ebenso ein One Hit Wonder wie sein Designer. Das meine ich nicht wertend, rein beschreibend.
Manche Designer sind für ihre Einfälle berühmt. Dafür, dass ihnen immer wieder etwas Lustiges, Schrilles, Schräges einfällt. Sie verstehen es, regelmäßig die Aufmerksamkeit der Medien zu kitzeln. Sie liefern uns glänzende Bilder und seichte Stories. Sie singen das unterhaltsame Lied der Entertainer. Wir lassen uns gerne von ihnen amüsieren, denn das müssen wir ihnen lassen: Sie sind Profis beim Spielen der Partituren unserer Aufmerksamkeits-Ökonomie. Sie haben das Fach gewechselt. In jeder Branche gibt es auch eine Bühne für die »creativen« Clowns (kreativ mit »C« geschrieben). Deshalb verzeihen wir ihnen auch, dass sie Scharlatane sind, wenn es um die Sache geht, um die es eigentlich geht. Und das meine ich wertend, nicht beschreibend.
Manche Designer sind dafür berühmt, dass ihnen einmal etwas eingefallen ist, was sie dann unendlich oft wiederholen. Das ist auch eine Leistung. Sie haben das industrielle Paradigma verstanden, das Gebot der Arbeitsökonomie: Du sollst ein Produkt, das Du einmal entwickelt hast, in alle Dimensionen skalieren, um den größtmöglichen Ertrag zu erzielen. Diese Designer verschanzen sich hinter einer Oberfläche, die als Stil missverstanden wird, als künstlerische Handschrift. Sie haben uns nichts mehr zu sagen. Sie imitieren Design. Ihr Ausdruck ist keine Antwort auf eine relevante Frage, kein Beitrag zur Lösung eines tatsächlichen Problems, sondern hohle Phrase. Wie Pharisäer pochen sie nur noch auf den Wortlaut, sie beharren auf dem Ritual und an der Geste. Sie wollen sich breit machen in unseren Räumen und können nicht akzeptieren, dass im Zwischenraum die Bedeutung atmet. »Live is what happens while you`re making other plans«, möchten wir ihnen mit John Lennon zurufen, aber sie halten sich die Ohren zu.
(Zu manchen Designern fällt mir nichts ein, aber davon wollen wir heute schweigen.)
Und dann gibt es Designer, für die der Einfall die unzutreffende, die unangemessen Kategorie ist. Wenn wir vom Einfall reden, schwingt damit immer auch etwas vom abendländischen Mythos der Inspiration und der Kreativität mit: Der Heureka-Moment, der dem Genie zufällt, weil er ihm von seiner Muse als göttliche Gabe geschenkt wird. Aber es gab und gibt Designer, die sich von diesem Mythos (und damit beziehe ich mich auf Roland Barthes) emanzipiert haben. Es sind diese Designer, die zuerst und immer wieder Fragen stellen. Sie stellen die richtigen Fragen an die Dinge, die zu gestalten seien. Wir erkennen die Qualität ihrer Fragen daran, dass sie immer um den Menschen und seinen Umgang mit den Dingen kreisen, um seine Anwendungen und seine Wünsche in seiner, in unserer Gegenwart. Das können Fragen zum Sitzen in verschiedenen Situationen sein, zum beiläufigen Abstellen eines Glases, zum temporären Aufbewahren oder zum endgültigen Wegwerfen, Fragen zum Betrachten eines Ausstellungsgegenstands. Im Unterschied zu den Arbeiten der anderen Designer sind ihre Resultate jedoch keine abschließenden Antworten. Sie erheben nicht den Anspruch, dass damit alles gesagt sei – soll heißen: dass ihre Urheber damit das letzte Wort hätten. Nach dem Motto: Der letztgültige Stuhl, die endgültige Leuchte, die unübertreffliche Tasche. Diese Designer entwickeln Lösungen im Sinne eines Statements, einer Stellungnahme, die zu diskutieren sei, an die also andere anknüpfen können, wenn sie den fortlaufenden Austausch von Rede und Widerrede ernst nehmen und nicht bloß egomanisch aufs lautstarke Aneinandervorbeireden abgerichtet sind. Um einen Beitrag zu diesem kontinuierlichen Diskurs leisten zu können, muss man selbst zuerst genau zuhören können. Diese Designer beobachten die Dinge, die bereits vorhanden sind, in ihren Zusammenhängen. Es gelingt ihnen, daraus Anknüpfungspunkte für ihre behutsame Weiterentwicklung zu bestimmen. Wir dürfen uns nicht davon irritieren lassen, dass dieses Vorgehen ihnen bisweilen als Vorwurf vorgehalten wird, weil es als Zitieren oder sogar Plagiieren missverstanden wird. Solchen Fehldeutungen liegt aber der fundamentale Irrtum zugrunde, dass ein Gestalter nur dann von Rang sei, wenn er jede Woche eine neue Welt erschaffe. Darum kann es längst nicht mehr gehen. Diese Designer richten den Fokus ihres gegenwärtigen Denkens und Handelns (und manchmal auch den Fokus ihres Redens) auf das, was aktuell in unserer Gesellschaft bewältigt werden muss: Reuse, reduce, recycle. Ihre besondere Leistung besteht darin, dass sie sich für diese Bewältigung dem Reflex verweigern, in die Klamottenkiste zu greifen. Statt dessen entwickeln sie eine eigenständige ästhetische Lösung für diese Herausforderung. Um den nächsten -ismus, um den nächsten Stil kann es dabei wahrhaftig nicht gehen. Mit ihrem Panorama eröffnen sie uns den Einblick, Rundumblick und Ausblick auf ihre Sicht der Dinge. Es ist gewiss keine anschmiegsame, geschmeidige und gefällig-gefügige Welt der Dinge. Das Universum, das sie vor uns ausbreiten, befindet sich in der Schwebe. Es kommt ihnen nur darauf an, was wir damit machen. Es gibt diese Designer.
Machen Sie mal eine Liste, welcher lebende Designer dazu zählt. Ganz oben, auf Platz 1, steht Konstantin Grcic.
Der Diskurs der Dinge
Manche Designer sind für einen Einfall berühmt. Für eine großartige Idee. Eine spektakuläre Erscheinung. Einen Blitz, der die Regale unsere Warenhäuser punktuell grell ausleuchtet. Begleitet vom Donnerschlag, der uns tief in die Magengrube trifft, wenn wir merken, dass da ein Punkt berührt wurde, der gerade jetzt etwas mit uns und unserer Gegenwart zu tun hat.
Manchem Designer gelingt dieser Wurf, der Griff nach einem Stern. Und in der nächsten Saison ist der Stern verglüht, seine Strahlkraft erloschen, das Produkt ebenso ein One Hit Wonder wie sein Designer. Das meine ich nicht wertend, rein beschreibend.
Manche Designer sind für ihre Einfälle berühmt. Dafür, dass ihnen immer wieder etwas Lustiges, Schrilles, Schräges einfällt. Sie verstehen es, regelmäßig die Aufmerksamkeit der Medien zu kitzeln. Sie liefern uns glänzende Bilder und seichte Stories. Sie singen das unterhaltsame Lied der Entertainer. Wir lassen uns gerne von ihnen amüsieren, denn das müssen wir ihnen lassen: Sie sind Profis beim Spielen der Partituren unserer Aufmerksamkeits-Ökonomie. Sie haben das Fach gewechselt. In jeder Branche gibt es auch eine Bühne für die »creativen« Clowns (kreativ mit »C« geschrieben). Deshalb verzeihen wir ihnen auch, dass sie Scharlatane sind, wenn es um die Sache geht, um die es eigentlich geht. Und das meine ich wertend, nicht beschreibend.
Manche Designer sind dafür berühmt, dass ihnen einmal etwas eingefallen ist, was sie dann unendlich oft wiederholen. Das ist auch eine Leistung. Sie haben das industrielle Paradigma verstanden, das Gebot der Arbeitsökonomie: Du sollst ein Produkt, das Du einmal entwickelt hast, in alle Dimensionen skalieren, um den größtmöglichen Ertrag zu erzielen. Diese Designer verschanzen sich hinter einer Oberfläche, die als Stil missverstanden wird, als künstlerische Handschrift. Sie haben uns nichts mehr zu sagen. Sie imitieren Design. Ihr Ausdruck ist keine Antwort auf eine relevante Frage, kein Beitrag zur Lösung eines tatsächlichen Problems, sondern hohle Phrase. Wie Pharisäer pochen sie nur noch auf den Wortlaut, sie beharren auf dem Ritual und an der Geste. Sie wollen sich breit machen in unseren Räumen und können nicht akzeptieren, dass im Zwischenraum die Bedeutung atmet. »Live is what happens while you`re making other plans«, möchten wir ihnen mit John Lennon zurufen, aber sie halten sich die Ohren zu.
(Zu manchen Designern fällt mir nichts ein, aber davon wollen wir heute schweigen.)
Und dann gibt es Designer, für die der Einfall die unzutreffende, die unangemessen Kategorie ist. Wenn wir vom Einfall reden, schwingt damit immer auch etwas vom abendländischen Mythos der Inspiration und der Kreativität mit: Der Heureka-Moment, der dem Genie zufällt, weil er ihm von seiner Muse als göttliche Gabe geschenkt wird. Aber es gab und gibt Designer, die sich von diesem Mythos (und damit beziehe ich mich auf Roland Barthes) emanzipiert haben. Es sind diese Designer, die zuerst und immer wieder Fragen stellen. Sie stellen die richtigen Fragen an die Dinge, die zu gestalten seien. Wir erkennen die Qualität ihrer Fragen daran, dass sie immer um den Menschen und seinen Umgang mit den Dingen kreisen, um seine Anwendungen und seine Wünsche in seiner, in unserer Gegenwart. Das können Fragen zum Sitzen in verschiedenen Situationen sein, zum beiläufigen Abstellen eines Glases, zum temporären Aufbewahren oder zum endgültigen Wegwerfen, Fragen zum Betrachten eines Ausstellungsgegenstands. Im Unterschied zu den Arbeiten der anderen Designer sind ihre Resultate jedoch keine abschließenden Antworten. Sie erheben nicht den Anspruch, dass damit alles gesagt sei – soll heißen: dass ihre Urheber damit das letzte Wort hätten. Nach dem Motto: Der letztgültige Stuhl, die endgültige Leuchte, die unübertreffliche Tasche. Diese Designer entwickeln Lösungen im Sinne eines Statements, einer Stellungnahme, die zu diskutieren sei, an die also andere anknüpfen können, wenn sie den fortlaufenden Austausch von Rede und Widerrede ernst nehmen und nicht bloß egomanisch aufs lautstarke Aneinandervorbeireden abgerichtet sind. Um einen Beitrag zu diesem kontinuierlichen Diskurs leisten zu können, muss man selbst zuerst genau zuhören können. Diese Designer beobachten die Dinge, die bereits vorhanden sind, in ihren Zusammenhängen. Es gelingt ihnen, daraus Anknüpfungspunkte für ihre behutsame Weiterentwicklung zu bestimmen. Wir dürfen uns nicht davon irritieren lassen, dass dieses Vorgehen ihnen bisweilen als Vorwurf vorgehalten wird, weil es als Zitieren oder sogar Plagiieren missverstanden wird. Solchen Fehldeutungen liegt aber der fundamentale Irrtum zugrunde, dass ein Gestalter nur dann von Rang sei, wenn er jede Woche eine neue Welt erschaffe. Darum kann es längst nicht mehr gehen. Diese Designer richten den Fokus ihres gegenwärtigen Denkens und Handelns (und manchmal auch den Fokus ihres Redens) auf das, was aktuell in unserer Gesellschaft bewältigt werden muss: Reuse, reduce, recycle. Ihre besondere Leistung besteht darin, dass sie sich für diese Bewältigung dem Reflex verweigern, in die Klamottenkiste zu greifen. Statt dessen entwickeln sie eine eigenständige ästhetische Lösung für diese Herausforderung. Um den nächsten -ismus, um den nächsten Stil kann es dabei wahrhaftig nicht gehen. Mit ihrem Panorama eröffnen sie uns den Einblick, Rundumblick und Ausblick auf ihre Sicht der Dinge. Es ist gewiss keine anschmiegsame, geschmeidige und gefällig-gefügige Welt der Dinge. Das Universum, das sie vor uns ausbreiten, befindet sich in der Schwebe. Es kommt ihnen nur darauf an, was wir damit machen. Es gibt diese Designer.
Machen Sie mal eine Liste, welcher lebende Designer dazu zählt. Ganz oben, auf Platz 1, steht Konstantin Grcic.
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