Fred Hochstrasser, 25.9.1929-3.11.2013 Die Gedenkfeier der Stiftung Hochschule für Gestaltung zu Ehren ihres verstorbenen langjährigen Vorsitzenden hat am 23.11.2013 im Gebäude der HfG Ulm stattgefunden. Die Wortbeiträge von Alexander Wetzig, Eugen Gomringer und mir werden im Laufe Jahres 2014 in einer eigenständigen Publikation veröffentlicht [Publikation # 383]. Bis dahin liefere ich hier das Interview, das ich letztes Jahr mit Fred Hochstrasser für mein Buch »HfG IUP IFG. Ulm 1968-2008« geführt habe [vgl. meine Publikation # 352]. Die darin gezeigten zeitgenössischen Portraits von Fred Hochstrasser (als Mitglied des Aufbaubüros und beim Abschlussfest des ersten Grundkurses mit Walter Zeischegg und Otl Aicher im Rohbau der HfG-Gebäude) und Eugen Gomringer (1953-55) hat Hans G. Conrad aufgenommen. Die Bilder der Gedenkfeier zeigen Alexander Wetzig, Eugen Gomringer und Helmut Neerfeld (Akkordeon). Fred Hochstrasser: Der Aufbau der HfG gegen den Willen ihres Rektors Herr Hochstrasser, im Frühjahr 1953 standen Sie kurz davor, Ihr Diplom als Architekt am Technikum Winterthur abzulegen. Die HfG existierte nur in den Plänen und Absichten Inge Aicher-Scholls, Otl Aichers und Max Bills. Wie kamen Sie zu ihnen nach Ulm? Zuerst wusste ich nicht so recht, was ich nach dem Studium machen sollte. Am liebsten wollte ich nach Paris gehen. Aber dann kam mir Max Bill dazwischen. Über verschiedene Kontakte, die sich durch mein Handballspiel ergeben hatten, war ich bei ihm vorstellig geworden, weil ich gehört hatte, dass er etwas Interessantes in Ulm aufbauen wollte. Unser Gespräch war jedoch schlecht verlaufen. Wir verstanden uns überhaupt nicht. Ich hatte daraufhin den Gedanken zu den Akten gelegt, dass ich mit Bill etwas nach meinem Diplom zu tun haben wollte. Einige Wochen später erhielt ich aus heiterem Himmel einen Eilbrief. Er stammte zu meiner Überraschung von Max Bill. Er enthielt keine Einladung, sondern vielmehr eine Aufforderung: Ich sollte mich in ein oder zwei Wochen im Ulmer »Langmühlenbau« (Bahnhofstraße 1, Ecke Glöcklerstraße 2) melden. Es ginge jetzt voran, und falls ich interessiert sei, bestünde die Chance, dass ich aufgenommen würde. Ich war nicht sonderlich motiviert. Ich kaufte mir eine Fahrkarte nach Paris. Am 15. Mai 1953 fuhr ich los. Dennoch haben Sie auf Ihrer Fahrt einen Zwischenhalt eingelegt. Warum? Ich wollte mir das, was da in Ulm geschah, wenigstens kurz anschauen. Im Langmühlenbau angekommen, nahmen mich Inge Scholl, Otl Aicher und Walter Zeischegg freundlich in Empfang und brachten mich in ein Zimmer: »Der Herr Bill kommt gleich.« Max Bill tritt ein, ich stehe natürlich auf und will »Grüß Gott« sagen – da schaut er mich an und sagt: »Sie wollte ich nicht. Das muss ein Irrtum sein.« Ich antworte ihm geistesgegenwärtig: »Herr Bill, das trifft sich gut, ich wollte nämlich nach Paris.« Wie befreit gehe ich das Treppenhaus ganz gemütlich herunter und denke mir: »Das Thema hast du erledigt, das kannst du abhaken. « Aber als ich unten ankomme, halten Aicher und Zeischegg mich auf: »Sie bleiben hier!« Ich bekomme langsam eine Stinkwut und weise sie zurück: »Da irren sie sich aber grundsätzlich, ich gehe jetzt nach Paris.« Und dann erscheint Fräulein Scholl. Sie hat mich angeschaut, kurz mit mir gesprochen – und ihr vermochte kein Mensch zu widerstehen. Inge Scholl war ein unglaubliches Phänomen. Sie konnte sämtliche moralischen Kräfte in ihrem Gegenüber aktivieren. Selbst wenn man sie nicht als sympathisch empfunden haben mochte, so nötigte sie doch jedermann ungeheuren Respekt ab. Dass sie das gesamte Geld für die Gründung der HfG eingesammelt hat, war eine übermenschliche Leistung. Ich habe also kehrtgemacht und war ab sofort an der HfG eingeschrieben. Wie nahmen Sie damals die Situation wahr, im Frühjahr 1953? Es war äußerst angespannt. Innerhalb kürzester Zeit musste die Stiftung viele Ergebnisse vorweisen, sonst hätte das gesamte gespendete Geld wieder zurückgegeben werden müssen. Zum Beispiel musste der Unterricht mit dem ersten Grundkurs schon im Sommer 1953 beginnen. Wir alle, die wir Teil des Aufbauteams in der Langmühle waren, wollten mit diesem Studium beginnen, aber es gab noch nichts. Max Bill war recht wenig präsent in Ulm. Was bedeutete das für das Aufbauteam? Die langen Phasen, in denen Max Bill nicht in Ulm präsent war, wurden von Walter Zeischegg dominiert. Wir teilten uns in zwei Gruppen auf. Zeischeggs Interesse bestand darin, ein Forschungsinstitut für Design aufzubauen. Er scharte zwei, drei der angehenden Studenten um sich, die schon eine Berufsausbildung absolviert hatten, zum Beispiel war ein Schreinermeister darunter. Sie entwickelten Gipsmodelle für Wasch- becken und Wasserhähne, die später in der HfG montiert werden sollten. Parallel dazu gab es die sogenannte Bauabteilung unter der Leitung von Fritz Pfeil. Ihr gehörte unter anderen C. W. Voltz an. Um die Zeit bis zum ersten Grundkurs zu überbrücken, wollte ich mich hier nützlich machen. Was war Ihr Eindruck als junger Diplom-Ingenieur, der frisch von der Hochschule kam? Der architektonische Entwurf gefiel mir, aber die technische Umsetzung war offensichtlich ungenügend. Noch dazu beruhte das Stahlbaukonzept auf dem Versprechen einer Stahlspende, die zu allem Überfluss infolge einer Intrige nicht zustande kam. Mir erschien das alles wie ein Kindergarten. Schon ab dem 1. September musste auf dem Kuhberg gebaut werden. Andernfalls hätte die Stiftung die Auflagen der USA nicht erfüllt und die gesamte Finanzierung wäre zusammengebrochen wie ein Kartenhaus. Selbst für gestandene Profis wäre das ein ungeheurer Druck gewesen. Ich stand deshalb vor der Entscheidung, mich zurückzuziehen oder mich mit Leib und Seele zu engagieren. Dazwischen gab es keinen Mittelweg. Sie haben bereits geschildert, dass Sie und Bill nicht auf einer Wellenlänge lagen. Wenn Sie sich dennoch mit aller Energie auf der Baustelle engagieren wollten, bedeutete das nicht: Krach mit Bill? Genau so kam es. Inge Scholl und Otl Aicher forderten von Max Bill, mir die Bauleitung zu übertragen. Bill lehnte kategorisch ab: »Kommt nicht infrage. Nur über meine Leiche.« Aber ich habe es dennoch getan. Das war natürlich eine Herausforderung, die meine Erfahrung bei Weitem überstieg. Eine Nacht lang bin ich durch den Wald gelaufen, um mir zu überlegen, wie ich das mache. Ich wollte mich engagieren. Ich war überzeugt davon, dass es eine Chance gab, den Bau zu realisieren. Es hat mich auch als Abenteuer fasziniert, wenn ich ehrlich bin. Glücklicherweise schaffte Inge Scholl es, eine Zementspende zu organisieren. Gemeinsam mit einem Statiker entwickelte ich den Rohbau. Dann fing ich an, die Baustelle zu organisieren. Fairerweise muss ich daran erinnern, dass Bill mir sehr schnell vertraute und mir Kompetenzen übertrug, die mich anfangs gewaltig einschüchterten. Nur vier Wochen vor dem Beginn der Bauarbeiten startete der Unterricht in den provisorischen Räumen der Ulmer Volkshochschule am 3. August 1953 mit dem ersten Grundkurs von Walter Peterhans. War dieser Auftakt es wert, dass Sie einen Zwischenstopp auf der Fahrt nach Paris eingelegt hatten? Unbedingt. Bis heute zählt dieser Kurs mit allem, was ich von dem Philosophen Peterhans, nicht von dem Fotografen Peterhans, gelernt habe, zu den wichtigsten Erfahrungen meines Lebens. Dazu passt folgende Episode: Als der Rohbau stand, kamen Hugo Häring und Ludwig Mies van der Rohe zu Besuch. Ich kannte Häring gut. Mies legte großen Wert darauf, dass es sich nicht um einen offiziellen Termin, sondern nur um ein privates Treffen zweier älterer Herren handelte. Die Architektur überzeugte sie nicht, und das haben sie Max Bill auch spüren lassen. Peterhans arrangierte für mich ein persönliches Gespräch mit Mies unter vier Augen. Peterhans und Mies waren tief geprägt von der Enttäuschung darüber, dass die großartige Tradition der deutschen Dichter und Denker in das Dritte Reich münden konnte. Schweizer wie Max Frisch oder Friedrich Dürrenmatt hatten darauf aufmerksam gemacht, dass wir Schweizer vom Zweiten Weltkrieg zwar materiell verschont geblieben, aber vom ungeheuren Kulturverlust betroffen waren. Deshalb sollte man nicht in der Schweiz bleiben, sondern in Deutschland beim Wiederaufbau helfen. Das betraf also auch mich persönlich. Blieben Sie auch nach dem Abschluss Ihres Studiums mit der HfG in Kontakt? Mit einigen Dozenten blieb ich fortwährend im Gespräch, zum Beispiel mit Konrad Wachsmann, Friedrich Vordemberge-Gildewart und Horst Rittel. Ich war aus erster Hand bis 1968 informiert. Nach allem, was ich erfahren habe, hatte sich die HfG in den letzten drei Jahren ihres Bestehens grundlegend gewandelt. Es wurde kaum noch gezeichnet, entworfen oder entwickelt. Kein Gegenstand, kein Plan, kein Text. Es wurde fast nur noch politisiert. Herbert Ohl war einer der Anführer. Ganz anders hingegen der Ulmer Oberbürgermeister Theodor Pfizer. Ein unbestechlicher Mann, fast unangenehm unbestechlich, und außergewöhnlich gebildet. Er hat sich bis zum Schluss für den Erhalt der Schule eingesetzt. Als dann zum Jahresende 1968 die Stiftung den Betrieb der HfG einstellte, unterhielt ich längst zwei Architekturbüros in Zürich und Ulm. Wie war Ihr Verhältnis zur Stiftung? Im Unterschied zu den meisten anderen HfG-Angehörigen pflegte ich immer ein positives Verhältnis zur Stiftung. Für die anderen war die Stiftung immer die Böse, die zu wenig tut und sich zu allem Überfluss auch noch einmischt. Mir haben Menschen wie Hellmut Becker imponiert, die mit ihrer Leistung im Hintergrund dafür gesorgt haben, dass die Stiftung die HfG finanzieren konnte. Der Freiheitsbegriff, den Hellmut Becker verkörperte, hat mich angezogen: Die Stiftung war diejenige Institution, die einen Rahmen für Freiheit schuf, für Unabhängigkeit von der Bürokratie. Zugegeben, der Wirkungsgrad beträgt auch bei Motoren nicht 100 Prozent. Aber die Stiftung erzielte einen hohen Grad von Unabhängigkeit gegen die etablierten Institutionen – in dem Sinn, dass die Freiheit möglich war, ein Experiment durchzuführen, Versuch und Irrtum zuzulassen. Dieses Selbstverständnis war schon damals und ist bis heute für mich der zentrale Punkt der Stiftung. Fred Hochstrasser: The building of HfG against the will of its Rector Mr. Hochstrasser, in spring 1953 you were about to take your degree in architecture at the Technical University of Winterthur. HfG only existed in the plans and intentions of Inge Aicher-Scholl, Otl Aicher and Max Bill. How did you come to join them in Ulm? At first I didn’t really know what I wanted to do when I left university. What I wanted most was to go to Paris. But then Max Bill put his oar in. I had approached him through various contacts I made when playing handball because I had heard he wanted to start up something interesting in Ulm. But our meeting went badly. We didn’t get on with each other at all. I then scrapped any idea of wanting to work with Bill when I had graduated. A few weeks later, out of the blue, I received an express letter. To my surprise, it was from Max Bill. It contained not an invitation, but rather a summons: I was to report to the “Langmühlenbau” (Bahnhofstrasse 1, corner of Glöcklerstrasse 2) in Ulm in one or two weeks’ time. Things were now getting underway, and if I was interested there was a chance of my being accepted. I wasn’t particularly enthusiastic. I bought a ticket to Paris, and left on 15 May 1953. And nevertheless, you stopped over during your journey. Why? I wanted at least to have a brief look at what was going on in Ulm. Arriving at the Langmühlenbau, Inge Scholl, Otl Aicher and Walter Zeischegg gave me a friendly reception and guided me into a room. “Mr. Bill will be here soon.” Max Bill came in. I stood up, of course, and was about to greet him when he looked at me and said, “You’re not the one I wanted. There must have been a mistake.” Quick-wittedly, I replied, “That’s a stroke of luck, Mr. Bill, because I was just on my way to Paris.” Feeling liberated, I ambled down the stairs and thought, “You’ve sorted that problem out now, it’s finished.” But when I got to the bottom, Aicher and Zeischegg stopped me: “You’re staying here!” I was slowly losing my temper, and rebutted, “That’s where you’re totally wrong. I’m going to Paris now.” And then Miss Scholl appeared. She looked at me, spoke to me briefly – and no-one could have resisted her. Inge Scholl was an incredible phenomenon. She could activate all the moral imperatives in the people she was with. Even if you didn’t find her particularly likeable, she commanded immense respect from everyone. Collecting all the money for the foundation of HfG as she did was a superhuman achievement. So I turned on my heels and was enrolled in HfG from that moment on. What did you think of the situation then, in the spring of 1953? It was extremely tense. The foundation had to produce a lot of results within a very short time, or all the cash that had been donated would have to have been returned. Teaching of the first basic course, for example, had to start as early as summer 1953. All of us who were part of the founding team at Langmühle wanted to get on with that course, but there wasn’t anything there yet. Max Bill was more absent than present in Ulm. How did that affect the founding team? The long phases in which Max Bill was away from Ulm were dominated by Walter Zeischegg. We divided up into two groups. Zeischegg’s interest was in establishing a research institute for design. He gathered two or three of the prospective students who had already completed an apprenticeship around him – one of them, for example, was a master carpenter. They developed plaster models for washbasins and taps that were later to be installed at HfG. In parallel, there was the so-called construction department headed by Fritz Pfeil. C.W. Voltz was one of its members. I wanted to make myself useful there to bridge the time until the first course started. What was your impression as a young graduate engineer fresh from university? I liked the architectural design, but its technical implementation was obviously unsatisfactory. If that weren’t enough, the structural steelwork design was based on the promise of steel being donated, and as a result of an intrigue it never was. It all seemed like a kindergarten to me. Construction work at Kuhberg had to start by the first of September at the latest. If not, the foundation would not have fulfilled the conditions set by the Americans, and the entire financing would have collapsed like a house of cards. That would have put tremendous pressure on, even for seasoned professionals. I was therefore faced with the decision either to leave or to get down to work with heart and soul. There was no middle course. You have already indicated that you and Max Bill were not on the same wavelength. If you wanted to put all your energy into the building site in spite of that, didn’t that mean crossing swords with Bill? That’s exactly what happened. Inge Scholl and Otl Aicher wanted Max Bill to make me the construction manager. Bill categorically refused: “Out of the question. Over my dead body.” But I did it anyway. Of course, it was a challenge far beyond my experience. A whole night long I walked through the forest thinking how I could do it. I wanted to make a contribution. I was convinced there was a chance of getting the building done. To be honest, I also thought it was a fascinating adventure. Fortunately, Inge Scholl managed to arrange for a donation of cement. Together with a structural engineer, I worked on the shell of the building, and then I started to organize the construction site. In all fairness I have to say that Bill came to trust me very quickly and gave me responsibilities which I found extremely intimidating at the start. Only four weeks before the building work started, the first basic course taught by Walter Peterhans commenced on 03 August 1953 at provisional premises in the Ulm Volkshochschule. Was that start worth the stopover you had made on your journey to Paris? Definitely. Even now, that course with everything I learned from Peterhans the philosopher, not Peterhans the photographer, ranks among the most important experiences of my life. The following episode is indicative. When the shell of the building was complete, Hugo Häring and Ludwig Mies van der Rohe came for a visit. I knew Häring well. Mies made a point of insisting that it wasn’t an official visit, but only a private meeting with two elderly gentlemen. They were not impressed by the architecture, and they let Max Bill know it. Peterhans arranged a personal private meeting with Mies for me. Peterhans and Mies were deeply marked by their disappointment that the great tradition of German poets and philosophers had led to the Third Reich. Swiss like Max Frisch and Friedrich Dürrenmatt had pointed out that although we Swiss had been spared the physical destruction of the Second World War, we were nevertheless affected by the immense loss of culture. That’s why we shouldn’t stay in Switzerland, but rather help the reconstruction efforts in Germany. It was something, then, that concerned me personally too. Did you stay in touch with HfG after you had completed your studies? I was constantly in touch with some of the lecturers, for example with Konrad Wachsmann, Friedrich Vordemberge-Gildewart and Horst Rittel. I was kept up to date at first hand until 1968. Everything I heard indicated to me that HfG was thoroughly transformed in the last three years of its existence. There was hardly any drawing, designing or developing any more. Not an object, not a drawing, not a text. Just about everything was politicized. Herbert Ohl was one of the ringleaders. Ulm’s mayor Theodor Pfizer, though, was quite different. An incorruptible man, almost unpleasantly incorruptible, and extremely erudite. He campaigned for the school to be preserved right up to the end. When the foundation finally closed down HfG at the end of 1968, I had long been running two architectural firms in Zurich and Ulm. What kind of relationship did you have with the foundation? In contrast to most of the other members of HfG, I always maintained a good relationship with the foundation. To the others, the foundation was always the bad guy, who does very little and then to cap it all meddles in the school’s affairs. I was impressed by people like Hellmut Becker, who worked in the background to ensure that the foundation was able to finance HfG. I was attracted by the concept of freedom that Hellmut Becker epitomized: The foundation was the institution that created a framework for freedom, for independence from bureaucracy. Admittedly, even engines aren’t 100 percent efficient. But the foundation achieved a great degree of independence from the established institutions – in the sense that there was freedom to conduct an experiment, to permit trial and error. To me, that principle was and still is the real point of the foundation. Fred Hochstrasser: Die Septembertagungen des IFG. Von der Sanierung der HfG-Gebäude zum Verhältnis von Politik und Design Herr Hochstrasser, wie sind Sie als ehemaliger HfG-Student und Bauleiter des Gebäudekomplexes zur Stiftung gekommen? Als die HfG Ende 1968 geschlossen wurde, hat sich die Stiftung zuerst um sich selbst gekümmert und mit Theodor Pfizer, Ernst Ludwig und Hans Zumsteg personell konsolidiert. Das war auch dringend nötig, denn von außen wurde die Stiftung mit den wildesten Überlegungen konfrontiert, zum Beispiel: die maroden Bauten auf dem Kuhberg nicht zu sanieren, sondern gleich abzureißen und durch sozialen Wohnungsbau zu ersetzen. Auf solche Fragen brauchte es eine qualifizierte Antwort. Weil ich schon das Universitäts-Bauamt des Landes Baden-Württemberg in der Frage beraten habe, wie mit den Gebäuden und dem Gelände umgegangen werden sollte, bat mich auch die Stiftung um meinen Rat als Architekt. So kam ich zur Teilnahme an Sitzungen, in denen die verschiedensten Pläne entwickelt und verworfen wurden. Die Konstellation der Personen und Institutionen, die in die Sanierung der Gebäude involviert waren, muss doch nach 1968 unverändert kompliziert gewesen sein? Allerdings. Ich befand ich mich in einer Zwickmühle. Das Land wollte auf keinen Fall mit Max Bill zusammenarbeiten. Ich bin nach Rotis zu Otl Aicher gefahren und wollte von ihm hören, was er darüber dachte. Er meinte, der Gebäudekomplex sei ein Gesamtkunstwerk, an dem wir alle beteiligt gewesen seien: nicht nur Max Bill, sondern auch Walter Zeischegg, er und ich. Ich sollte das Werk retten. Dann fuhr ich zu Zeischegg, der mich fragte, wie lange ich in meinem Leben noch auf Max Bill Rücksicht nehmen wollte? Ich sollte die Sanierung übernehmen. Daraufhin schrieb ich Bill. Er antwortete mir, dass er dazu bereit sei, den Auftrag mit mir gemeinsam auszuführen. Das Ministerium aber lehnte das ab. Entweder ich sollte es alleine machen oder ein Stuttgarter Architekt. Da sagte ich zu. Wie ging es nach der Sanierung der Gebäude weiter? Dann kam die Stiftung wieder auf mich zu. Theodor Pfizer war mittlerweile 84 Jahre alt, er wollte den Stiftungsvorsitz abgeben. Ernst Ludwig war Oberbürgermeister und konnte diese Aufgabe neben all seinen vielfältigen Verpflichtungen nicht wahrnehmen. Darum haben sie mir den Vorsitz angeboten. Was interessierte Sie daran, den Stiftungsvorsitz zu übernehmen? Es handelt sich ja um ein ehrenamtliches Engagement, bei dem Ärger programmiert ist und man es niemals allen recht machen kann. Mein Standpunkt war, dass die Stiftung als Garant der Freiheit erhalten werden sollte. Dafür wollte ich mich einsetzen. Wenn die Stiftung aber das nicht leisten konnte, konnte sie mir auch gleichgültig sein. Wie gelangten Sie zum Konzept für das IFG? Zuerst habe ich die bisherigen Mitglieder des Stiftungsrats gefragt, welche Vorschläge sie für mögliche neue Aktivitäten auf dem Kuhberg hätten. Was ich von ihnen zu hören bekam, überzeugte mich nicht. Im Wesentlichen drehte es sich um Varianten des alten HfG-Modells. Gemeinsam mit Karl-Heinz Reisert, dem stellvertretenden Leiter des Universitäts- Bauamts, habe ich dann über Nacht einen eigenen Vorschlag entwickelt: die Grundzüge des IFG (in der Form einer eigenständigen GmbH mit einem Fachbeirat) als Plattform für jährlich stattfindende Kongresse mit wechselnden Intendanten. Gab es hier nicht ebenfalls, wie schon zuvor bei der Sanierung, viele Empfindlichkeiten und Animositäten, die im Wege standen? Ich setzte auf einen guten Start. Ich wollte verhindern, dass Otl Aicher und Max Bill mit negativen Äußerungen eine schlechte Stimmung erzeugten. Dafür griff ich auf mein Netzwerk zurück. Zuerst sprach ich mit Eugen Gomringer. Er sollte mit Bill reden, während ich Aicher davon überzeugen wollte, dass hier auf dem Kuhberg etwas Neues entstehen sollte. Gomringer berichtete mir nach seinem Termin mit Bill völlig überrascht, er habe ihn schon nach einer Viertelstunde begeistert dazu ermuntert, dass wir dieses IFG-Konzept realisieren sollten. Bill erschien dann auch persönlich bei der ersten Tagung. Aicher allerdings veröffentlichte einen aggressiven Artikel in der Presse, in dem er sich zwar fürs IFG aussprach, aber scharf gegen Bill wandte. So sind wir gestartet. Wer hat die jährlich wechselnden Intendanten ausgewählt? Anfangs habe ich das gemeinsam mit Karl-Heinz Reisert getan. Zu den ersten Intendanten zählten Eugen Gomringer, Manfred Spieker und Karl Lehmann. Weitere wichtige Unterstützer in jeglicher Hinsicht waren unter anderen Hans Zumsteg und Kurt Fried. Als plötzlich Reisert starb, gewann ich Heinz Hahn, den ehemaligen Geschäftsführer von IVECO in Turin, als Mitstreiter. Im Jahr 2000 gab es eine grundlegende Veränderung: Die Stiftung bestellte eine hauptamtliche Geschäftsführerin, Sabine Süß. Wie kam es dazu? Nach einem guten Dutzend Tagungen reifte in uns allmählich die Erkenntnis, dass die Veranstaltungen des IFG schwächer wurden. Wir sahen anfangs weder Ursachen noch Lösungen. Nach und nach freundeten wir uns mit dem Gedanken an, dass wir die Struktur des IFG-Konzeptes ändern mussten, um aus der Krise zu kommen. Professionalisierung war das Stichwort, dem wir folgten. An die Stelle einer mehr oder weniger ehrenamtlichen Geschäftsstelle sollte eine hauptberufliche Geschäftsführung treten. Um diese neue Position zu besetzen, ließen wir uns von einer Personalberatung betreuen. Eine Stellenausschreibung wurde veröffentlicht. Wir entschieden uns für Sabine Süß. Aber Ende 2003, nach drei Jahren, waren wir mit ihren Resultaten nicht zufrieden und verlängerten ihren Vertrag nicht. Welche Konsequenzen zogen Sie daraus? Erstens trennten wir wieder die Geschäftsführung der Gesellschaft (das IFG ist ja in der Form einer GmbH organisiert) von der inhaltlichen Arbeit. Der Ulmer Kaufmann Peter Holzer übernahm diese kaufmännische Aufgabe. Für das Inhaltliche stärkten wir den Fachbeirat. Durch seine Veröffentlichung über die politische Geschichte der HfG Ulm waren wir schon 2003 auf René Spitz aufmerksam geworden. Wir übertrugen ihm Anfang 2004 den Vorsitz im Fachbeirat und beriefen einige neue Mitglieder, die er vorschlug: zuerst Bernd Kniess und Klaus K. Loenhart, dann Ruedi Baur und Christopher Dell und Anfang 2006 auch Regula Stämpfli. Dieser personelle Neustart hat uns sehr gut gefallen. Allerdings ging uns die Formulierung und Realisierung eines neuen Konzeptes für die IFG-Aktivitäten nicht schnell genug. Das Thema »Designing Politics – The Politics of Design« ist aus meiner Sicht hervorragend geeignet für einen längeren Zyklus. Dazu ist es aus verschiedenen Gründen bisher nicht so gekommen, wie es gedacht war und wie es inhaltlich angemessen wäre. Einer der Gründe ist, dass René Spitz 2007 nach einer Auseinandersetzung mit dem damaligen Geschäftsführer Dieter Bosch zurücktrat und ihm Kniess, Loenhart und Dell folgten. Dass darüber viel Potenzial des Neubeginns verloren gegangen ist, hat mich sehr enttäuscht. Denn der Zusammenhang von Politik und Design ist ein Thema, anhand dessen die substanziellen Gedanken über Architektur und Design präsent gemacht werden können. Das Wesentliche nachvollziehbar machen, nicht abgelenkt werden: Das ist eine Design-Aufgabe. Fred Hochstrasser: The IFG September conferences. From the renovation of the HfG building to the relationship between politics and design Mr. Hochstrasser, how did you, as a former HfG student and construction manager of the building complex, come to be a member of the foundation? When HfG was closed at the end of 1968, the foundation first looked after itself and reduced its staff to Theodor Pfizer, Ernst Ludwig and Hans Zumsteg. That was also absolutely necessary, as the foundation was facing really wild ideas from outside, for example not to renovate the derelict buildings on the Kuhberg hill, but to demolish them and replace them with a public housing project. There needed to be a professional response to ideas like that. Because I had already advised the University Building Authority of the State of Baden-Württemberg on what to do with the buildings and the site, the foundation also asked me for my advice as an architect. That was how I came to attend meetings at which a host of different plans were developed and rejected. The constellation of people and institutions involved in the renovation of the buildings must surely still have been just as complicated after 1968 as it was before? Indeed. I was caught on the horns of a dilemma. The state government didn’t want to work with Max Bill on any account. I travelled to Rotis to see Otl Aicher and listen to what he thought about it. His view was that the building complex was a Gesamtkunstwerk that we had all been involved in – not only Max Bill, but also Walter Zeischegg, himself and I. I was supposed to rescue the work. Then I went to see Zeischegg, who asked me how much of my life I wanted to spend being deferential to Max Bill. He thought I should manage the renovation. I then wrote to Bill, and he replied that he was prepared to do the job together with me. But the ministry wouldn’t accept that. Either I should do it alone, or an architect from Stuttgart would. So I accepted. How did it go on after the buildings had been renovated? The foundation approached me again. Theodor Pfizer was 84 years old by then, and he wanted to resign from the foundation’s chairmanship. Ernst Ludwig was Mayor of Ulm and couldn’t take on that job in addition to all his other obligations. So they offered me the chairmanship. What motivated you to take the chairmanship on? After all, it’s an honorary appointment guaranteed to bring a lot of trouble, where you can never please everybody. My standpoint was that the foundation should be preserved as a guarantor of freedom. I wanted to champion that cause. But if the foundation couldn’t do that I wouldn’t have cared about it at all. How did you arrive at the plan for IFG? Firstly, I asked the previous members of the foundation’s board what suggestions they had for possible new activities at Kuhberg. I wasn’t convinced by what they had to say. Basically, it all had to do with variations of the old HfG model. Together with Karl-Heinz Reisert, the deputy head of the University Building Authority, I then developed my own proposal over night: the general outline of IFG (in the form of an independent limited company with an Advisory Board) as a platform for annual congresses with changing directors. Wasn’t there a lot of touchiness and animosity in the way there too, as there had been before the renovation? I was hoping for a good start. I wanted to prevent Otl Aicher and Max Bill from making adverse comments and creating a bad atmosphere, and so I drew on my network. First, I spoke to Eugen Gomringer. He was to have a word with Bill, while I was to persuade Aicher that something new should be created here at Kuhberg. Gomringer reported to me in complete surprise after his meeting with Bill that he had started enthusing after only a quarter of an hour and encouraged us to put the IFG plan into practice. Bill then also appeared in person at the first conference. Aicher, mind you, published an aggressive article in the press, in which he did speak out in favour of IFG but at the same time sharply attacked Bill. That’s how we started. Who chose the changing conference directors each year? At the start, I did that together with Karl-Heinz Reisert. The first directors included Eugen Gomringer, Manfred Spieker and Karl Lehmann. Hans Zumsteg and Kurt Fried were among the further important supporters in every respect. When Reisert suddenly died, I recruited Heinz Hahn, the former director of IVECO in Turin, as an ally. There was a fundamental change in the year 2000, with the foundation appointing Sabine Süß as a full-time director. How did that come about? After a good dozen conferences, we were gradually coming to realize that the IFG events were becoming weaker. Initially, we couldn’t make out the causes or the solutions. As we went along, we got used to the idea that we would have to change the structure of the IFG concept if we were to emerge from the crisis. Professionalization was the keyword we followed. A full-time directorship was to replace a more or less voluntary office. We engaged a recruitment agency to help us fill that new position. A job description was published. We decided to appoint Sabine Süß. But at the end of 2003, after three years, we weren’t satisfied with her results and didn’t prolong her contract. What lessons did you learn from that? Firstly, we once again separated the management of the company (IFG is of course organized in the form of a limited company) from the work on design. Peter Holzer, a businessman from Ulm, took on the commercial work. For the design work, we strengthened the Advisory Board. René Spitz had already come to our attention in 2003 with his publication on the political history of HfG Ulm. We appointed him Chairman of the Advisory Board at the start of 2004 and also appointed some new members who he proposed: first Bernd Kniess and Klaus K. Loenhart, then Ruedi Baur and Christopher Dell, then, at the start of 2006, Regula Stämpfli as well. We were very pleased with that new start on the personnel front. The drafting and implementation of a new strategy for IFG’s
Publikation # [383] / Vortrag
Fred Hochstrasser,
25.9.1929-3.11.2013 Die Gedenkfeier der Stiftung Hochschule für Gestaltung zu Ehren ihres verstorbenen langjährigen Vorsitzenden hat am 23.11.2013 im Gebäude der HfG Ulm stattgefunden.
Die Wortbeiträge von Alexander Wetzig, Eugen Gomringer und mir werden im Laufe Jahres 2014 in einer eigenständigen Publikation veröffentlicht [Publikation # 383]. Bis dahin liefere ich hier das Interview, das ich letztes Jahr mit Fred Hochstrasser für mein Buch »HfG IUP IFG. Ulm 1968-2008« geführt habe [vgl. meine Publikation # 352]. Die darin gezeigten zeitgenössischen Portraits von Fred Hochstrasser (als Mitglied des Aufbaubüros und beim Abschlussfest des ersten Grundkurses mit Walter Zeischegg und Otl Aicher im Rohbau der HfG-Gebäude) und Eugen Gomringer (1953-55) hat Hans G. Conrad aufgenommen. Die Bilder der Gedenkfeier zeigen Alexander Wetzig, Eugen Gomringer und Helmut Neerfeld (Akkordeon). Fred Hochstrasser:
Der Aufbau der HfG gegen den Willen ihres Rektors Herr Hochstrasser, im Frühjahr 1953 standen Sie kurz davor, Ihr Diplom als Architekt am Technikum Winterthur abzulegen. Die HfG existierte nur in den Plänen und Absichten Inge Aicher-Scholls, Otl Aichers und Max Bills. Wie kamen Sie zu ihnen nach Ulm?
Zuerst wusste ich nicht so recht, was ich nach dem Studium machen sollte. Am liebsten wollte ich nach Paris gehen. Aber dann kam mir Max Bill dazwischen. Über verschiedene Kontakte, die sich durch mein Handballspiel ergeben hatten, war ich bei ihm vorstellig geworden, weil ich gehört hatte, dass er etwas Interessantes in Ulm aufbauen wollte. Unser Gespräch war jedoch schlecht verlaufen. Wir verstanden uns überhaupt nicht. Ich hatte daraufhin den Gedanken zu den Akten gelegt, dass ich mit Bill etwas nach meinem Diplom zu tun haben wollte. Einige Wochen später erhielt ich aus heiterem Himmel einen Eilbrief. Er stammte zu meiner Überraschung von Max Bill. Er enthielt keine Einladung, sondern vielmehr eine Aufforderung: Ich sollte mich in ein oder zwei Wochen im Ulmer »Langmühlenbau« (Bahnhofstraße 1, Ecke Glöcklerstraße 2) melden. Es ginge jetzt voran, und falls ich interessiert sei, bestünde die Chance, dass ich aufgenommen würde. Ich war nicht sonderlich motiviert. Ich kaufte mir eine Fahrkarte nach Paris. Am 15. Mai 1953 fuhr ich los. Dennoch haben Sie auf Ihrer Fahrt einen Zwischenhalt eingelegt. Warum?
Ich wollte mir das, was da in Ulm geschah, wenigstens kurz anschauen. Im Langmühlenbau angekommen, nahmen mich Inge Scholl, Otl Aicher und Walter Zeischegg freundlich in Empfang und brachten mich in ein Zimmer: »Der Herr Bill kommt gleich.« Max Bill tritt ein, ich stehe natürlich auf und will »Grüß Gott« sagen – da schaut er mich an und sagt: »Sie wollte ich nicht. Das muss ein Irrtum sein.« Ich antworte ihm geistesgegenwärtig: »Herr Bill, das trifft sich gut, ich wollte nämlich nach Paris.« Wie befreit gehe ich das Treppenhaus ganz gemütlich herunter und denke mir: »Das Thema hast du erledigt, das kannst du abhaken. « Aber als ich unten ankomme, halten Aicher und Zeischegg mich auf: »Sie bleiben hier!« Ich bekomme langsam eine Stinkwut und weise sie zurück: »Da irren sie sich aber grundsätzlich, ich gehe jetzt nach Paris.« Und dann erscheint Fräulein Scholl. Sie hat mich angeschaut, kurz mit mir gesprochen – und ihr vermochte kein Mensch zu widerstehen. Inge Scholl war ein unglaubliches Phänomen. Sie konnte sämtliche moralischen Kräfte in ihrem Gegenüber aktivieren. Selbst wenn man sie nicht als sympathisch empfunden haben mochte, so nötigte sie doch jedermann ungeheuren Respekt ab. Dass sie das gesamte Geld für die Gründung der HfG eingesammelt hat, war eine übermenschliche Leistung. Ich habe also kehrtgemacht und war ab sofort an der HfG eingeschrieben. Wie nahmen Sie damals die Situation wahr, im Frühjahr 1953?
Es war äußerst angespannt. Innerhalb kürzester Zeit musste die Stiftung viele Ergebnisse vorweisen, sonst hätte das gesamte gespendete Geld wieder zurückgegeben werden müssen. Zum Beispiel musste der Unterricht mit dem ersten Grundkurs schon im Sommer 1953 beginnen. Wir alle, die wir Teil des Aufbauteams in der Langmühle waren, wollten mit diesem Studium beginnen, aber es gab noch nichts. Max Bill war recht wenig präsent in Ulm. Was bedeutete das für das Aufbauteam?
Die langen Phasen, in denen Max Bill nicht in Ulm präsent war, wurden von Walter Zeischegg dominiert. Wir teilten uns in zwei Gruppen auf. Zeischeggs Interesse bestand darin, ein Forschungsinstitut für Design aufzubauen. Er scharte zwei, drei der angehenden Studenten um sich, die schon eine Berufsausbildung absolviert hatten, zum Beispiel war ein Schreinermeister darunter. Sie entwickelten Gipsmodelle für Wasch- becken und Wasserhähne, die später in der HfG montiert werden sollten. Parallel dazu gab es die sogenannte Bauabteilung unter der Leitung von Fritz Pfeil. Ihr gehörte unter anderen C. W. Voltz an. Um die Zeit bis zum ersten Grundkurs zu überbrücken, wollte ich mich hier nützlich machen. Was war Ihr Eindruck als junger Diplom-Ingenieur, der frisch von der Hochschule kam?
Der architektonische Entwurf gefiel mir, aber die technische Umsetzung war offensichtlich ungenügend. Noch dazu beruhte das Stahlbaukonzept auf dem Versprechen einer Stahlspende, die zu allem Überfluss infolge einer Intrige nicht zustande kam. Mir erschien das alles wie ein Kindergarten. Schon ab dem 1. September musste auf dem Kuhberg gebaut werden. Andernfalls hätte die Stiftung die Auflagen der USA nicht erfüllt und die gesamte Finanzierung wäre zusammengebrochen wie ein Kartenhaus. Selbst für gestandene Profis wäre das ein ungeheurer Druck gewesen. Ich stand deshalb vor der Entscheidung, mich zurückzuziehen oder mich mit Leib und Seele zu engagieren. Dazwischen gab es keinen Mittelweg. Sie haben bereits geschildert, dass Sie und Bill nicht auf einer Wellenlänge lagen. Wenn Sie sich dennoch mit aller Energie auf der Baustelle engagieren wollten, bedeutete das nicht: Krach mit Bill?
Genau so kam es. Inge Scholl und Otl Aicher forderten von Max Bill, mir die Bauleitung zu übertragen. Bill lehnte kategorisch ab: »Kommt nicht infrage. Nur über meine Leiche.« Aber ich habe es dennoch getan. Das war natürlich eine Herausforderung, die meine Erfahrung bei Weitem überstieg. Eine Nacht lang bin ich durch den Wald gelaufen, um mir zu überlegen, wie ich das mache. Ich wollte mich engagieren. Ich war überzeugt davon, dass es eine Chance gab, den Bau zu realisieren. Es hat mich auch als Abenteuer fasziniert, wenn ich ehrlich bin. Glücklicherweise schaffte Inge Scholl es, eine Zementspende zu organisieren. Gemeinsam mit einem Statiker entwickelte ich den Rohbau. Dann fing ich an, die Baustelle zu organisieren. Fairerweise muss ich daran erinnern, dass Bill mir sehr schnell vertraute und mir Kompetenzen übertrug, die mich anfangs gewaltig einschüchterten. Nur vier Wochen vor dem Beginn der Bauarbeiten startete der Unterricht in den provisorischen Räumen der Ulmer Volkshochschule am 3. August 1953 mit dem ersten Grundkurs von Walter Peterhans. War dieser Auftakt es wert, dass Sie einen Zwischenstopp auf der Fahrt nach Paris eingelegt hatten?
Unbedingt. Bis heute zählt dieser Kurs mit allem, was ich von dem Philosophen Peterhans, nicht von dem Fotografen Peterhans, gelernt habe, zu den wichtigsten Erfahrungen meines Lebens. Dazu passt folgende Episode: Als der Rohbau stand, kamen Hugo Häring und Ludwig Mies van der Rohe zu Besuch. Ich kannte Häring gut. Mies legte großen Wert darauf, dass es sich nicht um einen offiziellen Termin, sondern nur um ein privates Treffen zweier älterer Herren handelte. Die Architektur überzeugte sie nicht, und das haben sie Max Bill auch spüren lassen. Peterhans arrangierte für mich ein persönliches Gespräch mit Mies unter vier Augen. Peterhans und Mies waren tief geprägt von der Enttäuschung darüber, dass die großartige Tradition der deutschen Dichter und Denker in das Dritte Reich münden konnte. Schweizer wie Max Frisch oder Friedrich Dürrenmatt hatten darauf aufmerksam gemacht, dass wir Schweizer vom Zweiten Weltkrieg zwar materiell verschont geblieben, aber vom ungeheuren Kulturverlust betroffen waren. Deshalb sollte man nicht in der Schweiz bleiben, sondern in Deutschland beim Wiederaufbau helfen. Das betraf also auch mich persönlich. Blieben Sie auch nach dem Abschluss Ihres Studiums mit der HfG in Kontakt?
Mit einigen Dozenten blieb ich fortwährend im Gespräch, zum Beispiel mit Konrad Wachsmann, Friedrich Vordemberge-Gildewart und Horst Rittel. Ich war aus erster Hand bis 1968 informiert. Nach allem, was ich erfahren habe, hatte sich die HfG in den letzten drei Jahren ihres Bestehens grundlegend gewandelt. Es wurde kaum noch gezeichnet, entworfen oder entwickelt. Kein Gegenstand, kein Plan, kein Text. Es wurde fast nur noch politisiert. Herbert Ohl war einer der Anführer. Ganz anders hingegen der Ulmer Oberbürgermeister Theodor Pfizer. Ein unbestechlicher Mann, fast unangenehm unbestechlich, und außergewöhnlich gebildet. Er hat sich bis zum Schluss für den Erhalt der Schule eingesetzt. Als dann zum Jahresende 1968 die Stiftung den Betrieb der HfG einstellte, unterhielt ich längst zwei Architekturbüros in Zürich und Ulm. Wie war Ihr Verhältnis zur Stiftung?
Im Unterschied zu den meisten anderen HfG-Angehörigen pflegte ich immer ein positives Verhältnis zur Stiftung. Für die anderen war die Stiftung immer die Böse, die zu wenig tut und sich zu allem Überfluss auch noch einmischt. Mir haben Menschen wie Hellmut Becker imponiert, die mit ihrer Leistung im Hintergrund dafür gesorgt haben, dass die Stiftung die HfG finanzieren konnte. Der Freiheitsbegriff, den Hellmut Becker verkörperte, hat mich angezogen: Die Stiftung war diejenige Institution, die einen Rahmen für Freiheit schuf, für Unabhängigkeit von der Bürokratie. Zugegeben, der Wirkungsgrad beträgt auch bei Motoren nicht 100 Prozent. Aber die Stiftung erzielte einen hohen Grad von Unabhängigkeit gegen die etablierten Institutionen – in dem Sinn, dass die Freiheit möglich war, ein Experiment durchzuführen, Versuch und Irrtum zuzulassen. Dieses Selbstverständnis war schon damals und ist bis heute für mich der zentrale Punkt der Stiftung. Fred Hochstrasser:
The building of HfG against the will of its Rector Mr. Hochstrasser, in spring 1953 you were about to take your degree in architecture at the Technical University of Winterthur. HfG only existed in the plans and intentions of Inge Aicher-Scholl, Otl Aicher and Max Bill. How did you come to join them in Ulm?
At first I didn’t really know what I wanted to do when I left university. What I wanted most was to go to Paris. But then Max Bill put his oar in. I had approached him through various contacts I made when playing handball because I had heard he wanted to start up something interesting in Ulm. But our meeting went badly. We didn’t get on with each other at all. I then scrapped any idea of wanting to work with Bill when I had graduated. A few weeks later, out of the blue, I received an express letter. To my surprise, it was from Max Bill. It contained not an invitation, but rather a summons: I was to report to the “Langmühlenbau” (Bahnhofstrasse 1, corner of Glöcklerstrasse 2) in Ulm in one or two weeks’ time. Things were now getting underway, and if I was interested there was a chance of my being accepted. I wasn’t particularly enthusiastic. I bought a ticket to Paris, and left on 15 May 1953. And nevertheless, you stopped over during your journey. Why?
I wanted at least to have a brief look at what was going on in Ulm. Arriving at the Langmühlenbau, Inge Scholl, Otl Aicher and Walter Zeischegg gave me a friendly reception and guided me into a room. “Mr. Bill will be here soon.” Max Bill came in. I stood up, of course, and was about to greet him when he looked at me and said, “You’re not the one I wanted. There must have been a mistake.” Quick-wittedly, I replied, “That’s a stroke of luck, Mr. Bill, because I was just on my way to Paris.” Feeling liberated, I ambled down the stairs and thought, “You’ve sorted that problem out now, it’s finished.” But when I got to the bottom, Aicher and Zeischegg stopped me: “You’re staying here!” I was slowly losing my temper, and rebutted, “That’s where you’re totally wrong. I’m going to Paris now.” And then Miss Scholl appeared. She looked at me, spoke to me briefly – and no-one could have resisted her. Inge Scholl was an incredible phenomenon. She could activate all the moral imperatives in the people she was with. Even if you didn’t find her particularly likeable, she commanded immense respect from everyone. Collecting all the money for the foundation of HfG as she did was a superhuman achievement. So I turned on my heels and was enrolled in HfG from that moment on. What did you think of the situation then, in the spring of 1953?
It was extremely tense. The foundation had to produce a lot of results within a very short time, or all the cash that had been donated would have to have been returned. Teaching of the first basic course, for example, had to start as early as summer 1953. All of us who were part of the founding team at Langmühle wanted to get on with that course, but there wasn’t anything there yet. Max Bill was more absent than present in Ulm. How did that affect the founding team?
The long phases in which Max Bill was away from Ulm were dominated by Walter Zeischegg. We divided up into two groups. Zeischegg’s interest was in establishing a research institute for design. He gathered two or three of the prospective students who had already completed an apprenticeship around him – one of them, for example, was a master carpenter. They developed plaster models for washbasins and taps that were later to be installed at HfG. In parallel, there was the so-called construction department headed by Fritz Pfeil. C.W. Voltz was one of its members. I wanted to make myself useful there to bridge the time until the first course started. What was your impression as a young graduate engineer fresh from university?
I liked the architectural design, but its technical implementation was obviously unsatisfactory. If that weren’t enough, the structural steelwork design was based on the promise of steel being donated, and as a result of an intrigue it never was. It all seemed like a kindergarten to me. Construction work at Kuhberg had to start by the first of September at the latest. If not, the foundation would not have fulfilled the conditions set by the Americans, and the entire financing would have collapsed like a house of cards. That would have put tremendous pressure on, even for seasoned professionals. I was therefore faced with the decision either to leave or to get down to work with heart and soul. There was no middle course. You have already indicated that you and Max Bill were not on the same wavelength. If you wanted to put all your energy into the building site in spite of that, didn’t that mean crossing swords with Bill?
That’s exactly what happened. Inge Scholl and Otl Aicher wanted Max Bill to make me the construction manager. Bill categorically refused: “Out of the question. Over my dead body.” But I did it anyway. Of course, it was a challenge far beyond my experience. A whole night long I walked through the forest thinking how I could do it. I wanted to make a contribution. I was convinced there was a chance of getting the building done. To be honest, I also thought it was a fascinating adventure. Fortunately, Inge Scholl managed to arrange for a donation of cement. Together with a structural engineer, I worked on the shell of the building, and then I started to organize the construction site. In all fairness I have to say that Bill came to trust me very quickly and gave me responsibilities which I found extremely intimidating at the start. Only four weeks before the building work started, the first basic course taught by Walter Peterhans commenced on 03 August 1953 at provisional premises in the Ulm Volkshochschule. Was that start worth the stopover you had made on your journey to Paris?
Definitely. Even now, that course with everything I learned from Peterhans the philosopher, not Peterhans the photographer, ranks among the most important experiences of my life. The following episode is indicative. When the shell of the building was complete, Hugo Häring and Ludwig Mies van der Rohe came for a visit. I knew Häring well. Mies made a point of insisting that it wasn’t an official visit, but only a private meeting with two elderly gentlemen. They were not impressed by the architecture, and they let Max Bill know it. Peterhans arranged a personal private meeting with Mies for me. Peterhans and Mies were deeply marked by their disappointment that the great tradition of German poets and philosophers had led to the Third Reich. Swiss like Max Frisch and Friedrich Dürrenmatt had pointed out that although we Swiss had been spared the physical destruction of the Second World War, we were nevertheless affected by the immense loss of culture. That’s why we shouldn’t stay in Switzerland, but rather help the reconstruction efforts in Germany. It was something, then, that concerned me personally too. Did you stay in touch with HfG after you had completed your studies?
I was constantly in touch with some of the lecturers, for example with Konrad Wachsmann, Friedrich Vordemberge-Gildewart and Horst Rittel. I was kept up to date at first hand until 1968. Everything I heard indicated to me that HfG was thoroughly transformed in the last three years of its existence. There was hardly any drawing, designing or developing any more. Not an object, not a drawing, not a text. Just about everything was politicized. Herbert Ohl was one of the ringleaders. Ulm’s mayor Theodor Pfizer, though, was quite different. An incorruptible man, almost unpleasantly incorruptible, and extremely erudite. He campaigned for the school to be preserved right up to the end. When the foundation finally closed down HfG at the end of 1968, I had long been running two architectural firms in Zurich and Ulm. What kind of relationship did you have with the foundation?
In contrast to most of the other members of HfG, I always maintained a good relationship with the foundation. To the others, the foundation was always the bad guy, who does very little and then to cap it all meddles in the school’s affairs. I was impressed by people like Hellmut Becker, who worked in the background to ensure that the foundation was able to finance HfG. I was attracted by the concept of freedom that Hellmut Becker epitomized: The foundation was the institution that created a framework for freedom, for independence from bureaucracy. Admittedly, even engines aren’t 100 percent efficient. But the foundation achieved a great degree of independence from the established institutions – in the sense that there was freedom to conduct an experiment, to permit trial and error. To me, that principle was and still is the real point of the foundation. Fred Hochstrasser:
Die Septembertagungen des IFG. Von der Sanierung der HfG-Gebäude zum Verhältnis von Politik und Design Herr Hochstrasser, wie sind Sie als ehemaliger HfG-Student und Bauleiter des Gebäudekomplexes zur Stiftung gekommen?
Als die HfG Ende 1968 geschlossen wurde, hat sich die Stiftung zuerst um sich selbst gekümmert und mit Theodor Pfizer, Ernst Ludwig und Hans Zumsteg personell konsolidiert. Das war auch dringend nötig, denn von außen wurde die Stiftung mit den wildesten Überlegungen konfrontiert, zum Beispiel: die maroden Bauten auf dem Kuhberg nicht zu sanieren, sondern gleich abzureißen und durch sozialen Wohnungsbau zu ersetzen. Auf solche Fragen brauchte es eine qualifizierte Antwort. Weil ich schon das Universitäts-Bauamt des Landes Baden-Württemberg in der Frage beraten habe, wie mit den Gebäuden und dem Gelände umgegangen werden sollte, bat mich auch die Stiftung um meinen Rat als Architekt. So kam ich zur Teilnahme an Sitzungen, in denen die verschiedensten Pläne entwickelt und verworfen wurden. Die Konstellation der Personen und Institutionen, die in die Sanierung der Gebäude involviert waren, muss doch nach 1968 unverändert kompliziert gewesen sein?
Allerdings. Ich befand ich mich in einer Zwickmühle. Das Land wollte auf keinen Fall mit Max Bill zusammenarbeiten. Ich bin nach Rotis zu Otl Aicher gefahren und wollte von ihm hören, was er darüber dachte. Er meinte, der Gebäudekomplex sei ein Gesamtkunstwerk, an dem wir alle beteiligt gewesen seien: nicht nur Max Bill, sondern auch Walter Zeischegg, er und ich. Ich sollte das Werk retten. Dann fuhr ich zu Zeischegg, der mich fragte, wie lange ich in meinem Leben noch auf Max Bill Rücksicht nehmen wollte? Ich sollte die Sanierung übernehmen. Daraufhin schrieb ich Bill. Er antwortete mir, dass er dazu bereit sei, den Auftrag mit mir gemeinsam auszuführen. Das Ministerium aber lehnte das ab. Entweder ich sollte es alleine machen oder ein Stuttgarter Architekt. Da sagte ich zu. Wie ging es nach der Sanierung der Gebäude weiter?
Dann kam die Stiftung wieder auf mich zu. Theodor Pfizer war mittlerweile 84 Jahre alt, er wollte den Stiftungsvorsitz abgeben. Ernst Ludwig war Oberbürgermeister und konnte diese Aufgabe neben all seinen vielfältigen Verpflichtungen nicht wahrnehmen. Darum haben sie mir den Vorsitz angeboten. Was interessierte Sie daran, den Stiftungsvorsitz zu übernehmen? Es handelt sich ja um ein ehrenamtliches Engagement, bei dem Ärger programmiert ist und man es niemals allen recht machen kann.
Mein Standpunkt war, dass die Stiftung als Garant der Freiheit erhalten werden sollte. Dafür wollte ich mich einsetzen. Wenn die Stiftung aber das nicht leisten konnte, konnte sie mir auch gleichgültig sein. Wie gelangten Sie zum Konzept für das IFG?
Zuerst habe ich die bisherigen Mitglieder des Stiftungsrats gefragt, welche Vorschläge sie für mögliche neue Aktivitäten auf dem Kuhberg hätten. Was ich von ihnen zu hören bekam, überzeugte mich nicht. Im Wesentlichen drehte es sich um Varianten des alten HfG-Modells. Gemeinsam mit Karl-Heinz Reisert, dem stellvertretenden Leiter des Universitäts- Bauamts, habe ich dann über Nacht einen eigenen Vorschlag entwickelt: die Grundzüge des IFG (in der Form einer eigenständigen GmbH mit einem Fachbeirat) als Plattform für jährlich stattfindende Kongresse mit wechselnden Intendanten. Gab es hier nicht ebenfalls, wie schon zuvor bei der Sanierung, viele Empfindlichkeiten und Animositäten, die im Wege standen?
Ich setzte auf einen guten Start. Ich wollte verhindern, dass Otl Aicher und Max Bill mit negativen Äußerungen eine schlechte Stimmung erzeugten. Dafür griff ich auf mein Netzwerk zurück. Zuerst sprach ich mit Eugen Gomringer. Er sollte mit Bill reden, während ich Aicher davon überzeugen wollte, dass hier auf dem Kuhberg etwas Neues entstehen sollte. Gomringer berichtete mir nach seinem Termin mit Bill völlig überrascht, er habe ihn schon nach einer Viertelstunde begeistert dazu ermuntert, dass wir dieses IFG-Konzept realisieren sollten. Bill erschien dann auch persönlich bei der ersten Tagung. Aicher allerdings veröffentlichte einen aggressiven Artikel in der Presse, in dem er sich zwar fürs IFG aussprach, aber scharf gegen Bill wandte. So sind wir gestartet. Wer hat die jährlich wechselnden Intendanten ausgewählt?
Anfangs habe ich das gemeinsam mit Karl-Heinz Reisert getan. Zu den ersten Intendanten zählten Eugen Gomringer, Manfred Spieker und Karl Lehmann. Weitere wichtige Unterstützer in jeglicher Hinsicht waren unter anderen Hans Zumsteg und Kurt Fried. Als plötzlich Reisert starb, gewann ich Heinz Hahn, den ehemaligen Geschäftsführer von IVECO in Turin, als Mitstreiter. Im Jahr 2000 gab es eine grundlegende Veränderung: Die Stiftung bestellte eine hauptamtliche Geschäftsführerin, Sabine Süß. Wie kam es dazu?
Nach einem guten Dutzend Tagungen reifte in uns allmählich die Erkenntnis, dass die Veranstaltungen des IFG schwächer wurden. Wir sahen anfangs weder Ursachen noch Lösungen. Nach und nach freundeten wir uns mit dem Gedanken an, dass wir die Struktur des IFG-Konzeptes ändern mussten, um aus der Krise zu kommen. Professionalisierung war das Stichwort, dem wir folgten. An die Stelle einer mehr oder weniger ehrenamtlichen Geschäftsstelle sollte eine hauptberufliche Geschäftsführung treten. Um diese neue Position zu besetzen, ließen wir uns von einer Personalberatung betreuen. Eine Stellenausschreibung wurde veröffentlicht. Wir entschieden uns für Sabine Süß. Aber Ende 2003, nach drei Jahren, waren wir mit ihren Resultaten nicht zufrieden und verlängerten ihren Vertrag nicht. Welche Konsequenzen zogen Sie daraus?
Erstens trennten wir wieder die Geschäftsführung der Gesellschaft (das IFG ist ja in der Form einer GmbH organisiert) von der inhaltlichen Arbeit. Der Ulmer Kaufmann Peter Holzer übernahm diese kaufmännische Aufgabe. Für das Inhaltliche stärkten wir den Fachbeirat. Durch seine Veröffentlichung über die politische Geschichte der HfG Ulm waren wir schon 2003 auf René Spitz aufmerksam geworden. Wir übertrugen ihm Anfang 2004 den Vorsitz im Fachbeirat und beriefen einige neue Mitglieder, die er vorschlug: zuerst Bernd Kniess und Klaus K. Loenhart, dann Ruedi Baur und Christopher Dell und Anfang 2006 auch Regula Stämpfli. Dieser personelle Neustart hat uns sehr gut gefallen. Allerdings ging uns die Formulierung und Realisierung eines neuen Konzeptes für die IFG-Aktivitäten nicht schnell genug. Das Thema »Designing Politics – The Politics of Design« ist aus meiner Sicht hervorragend geeignet für einen längeren Zyklus. Dazu ist es aus verschiedenen Gründen bisher nicht so gekommen, wie es gedacht war und wie es inhaltlich angemessen wäre. Einer der Gründe ist, dass René Spitz 2007 nach einer Auseinandersetzung mit dem damaligen Geschäftsführer Dieter Bosch zurücktrat und ihm Kniess, Loenhart und Dell folgten. Dass darüber viel Potenzial des Neubeginns verloren gegangen ist, hat mich sehr enttäuscht. Denn der Zusammenhang von Politik und Design ist ein Thema, anhand dessen die substanziellen Gedanken über Architektur und Design präsent gemacht werden können. Das Wesentliche nachvollziehbar machen, nicht abgelenkt werden: Das ist eine Design-Aufgabe. Fred Hochstrasser:
The IFG September conferences. From the renovation of the HfG building to the relationship between politics and design Mr. Hochstrasser, how did you, as a former HfG student and construction manager of the building complex, come to be a member of the foundation?
When HfG was closed at the end of 1968, the foundation first looked after itself and reduced its staff to Theodor Pfizer, Ernst Ludwig and Hans Zumsteg. That was also absolutely necessary, as the foundation was facing really wild ideas from outside, for example not to renovate the derelict buildings on the Kuhberg hill, but to demolish them and replace them with a public housing project. There needed to be a professional response to ideas like that. Because I had already advised the University Building Authority of the State of Baden-Württemberg on what to do with the buildings and the site, the foundation also asked me for my advice as an architect. That was how I came to attend meetings at which a host of different plans were developed and rejected. The constellation of people and institutions involved in the renovation of the buildings must surely still have been just as complicated after 1968 as it was before?
Indeed. I was caught on the horns of a dilemma. The state government didn’t want to work with Max Bill on any account. I travelled to Rotis to see Otl Aicher and listen to what he thought about it. His view was that the building complex was a Gesamtkunstwerk that we had all been involved in – not only Max Bill, but also Walter Zeischegg, himself and I. I was supposed to rescue the work. Then I went to see Zeischegg, who asked me how much of my life I wanted to spend being deferential to Max Bill. He thought I should manage the renovation. I then wrote to Bill, and he replied that he was prepared to do the job together with me. But the ministry wouldn’t accept that. Either I should do it alone, or an architect from Stuttgart would. So I accepted. How did it go on after the buildings had been renovated?
The foundation approached me again. Theodor Pfizer was 84 years old by then, and he wanted to resign from the foundation’s chairmanship. Ernst Ludwig was Mayor of Ulm and couldn’t take on that job in addition to all his other obligations. So they offered me the chairmanship. What motivated you to take the chairmanship on? After all, it’s an honorary appointment guaranteed to bring a lot of trouble, where you can never please everybody.
My standpoint was that the foundation should be preserved as a guarantor of freedom. I wanted to champion that cause. But if the foundation couldn’t do that I wouldn’t have cared about it at all. How did you arrive at the plan for IFG?
Firstly, I asked the previous members of the foundation’s board what suggestions they had for possible new activities at Kuhberg. I wasn’t convinced by what they had to say. Basically, it all had to do with variations of the old HfG model. Together with Karl-Heinz Reisert, the deputy head of the University Building Authority, I then developed my own proposal over night: the general outline of IFG (in the form of an independent limited company with an Advisory Board) as a platform for annual congresses with changing directors. Wasn’t there a lot of touchiness and animosity in the way there too, as there had been before the renovation?
I was hoping for a good start. I wanted to prevent Otl Aicher and Max Bill from making adverse comments and creating a bad atmosphere, and so I drew on my network. First, I spoke to Eugen Gomringer. He was to have a word with Bill, while I was to persuade Aicher that something new should be created here at Kuhberg. Gomringer reported to me in complete surprise after his meeting with Bill that he had started enthusing after only a quarter of an hour and encouraged us to put the IFG plan into practice. Bill then also appeared in person at the first conference. Aicher, mind you, published an aggressive article in the press, in which he did speak out in favour of IFG but at the same time sharply attacked Bill. That’s how we started. Who chose the changing conference directors each year?
At the start, I did that together with Karl-Heinz Reisert. The first directors included Eugen Gomringer, Manfred Spieker and Karl Lehmann. Hans Zumsteg and Kurt Fried were among the further important supporters in every respect. When Reisert suddenly died, I recruited Heinz Hahn, the former director of IVECO in Turin, as an ally. There was a fundamental change in the year 2000, with the foundation appointing Sabine Süß as a full-time director. How did that come about?
After a good dozen conferences, we were gradually coming to realize that the IFG events were becoming weaker. Initially, we couldn’t make out the causes or the solutions. As we went along, we got used to the idea that we would have to change the structure of the IFG concept if we were to emerge from the crisis. Professionalization was the keyword we followed. A full-time directorship was to replace a more or less voluntary office. We engaged a recruitment agency to help us fill that new position. A job description was published. We decided to appoint Sabine Süß. But at the end of 2003, after three years, we weren’t satisfied with her results and didn’t prolong her contract. What lessons did you learn from that?
Firstly, we once again separated the management of the company (IFG is of course organized in the form of a limited company) from the work on design. Peter Holzer, a businessman from Ulm, took on the commercial work. For the design work, we strengthened the Advisory Board. René Spitz had already come to our attention in 2003 with his publication on the political history of HfG Ulm. We appointed him Chairman of the Advisory Board at the start of 2004 and also appointed some new members who he proposed: first Bernd Kniess and Klaus K. Loenhart, then Ruedi Baur and Christopher Dell, then, at the start of 2006, Regula Stämpfli as well. We were very pleased with that new start on the personnel front. The drafting and implementation of a new strategy for IFG’s