»Das Objekt: Ein Grill. Porzellanemaillierter Metallkessel mit Deckel, 52 cm Durchmesser, 83 cm Höhe, auf drei verstrebten Metallbeinen, zwei davon mit Rollen. Der Metallarbeiter George Stephen grillt ganz gerne mit Frau und Kindern in seiner sparsam bemessenen Freizeit. In den frühen Fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, ist auch in den USA das Fleisch teuer. Umso ärgerlicher ist es, wenn das Fleisch außen anbrennt, weil die Flammen emporlodern, aber es innen noch roh ist. Wenn der Wind die Asche übers Fleisch weht. Oder wenn Regen dem Grillen ein plötzliches Ende setzt. Die Firma Weber Brothers Metal Works, bei der George Stephen angestellt ist, stellt unterschiedlichste Metallprodukte her, unter anderem auch Bojen. Eine solche schneidet er in zwei Hälften, umgürtet eine davon mit einen Haltering, stellt sie auf drei Beine und setzt dem ganzen einen Deckel auf. Die Nachbarschaft spottet und tauft das Konstrukt auf den Namen »Sputnik« nach den sowjetischen Raumkapseln, die der westlichen Welt einen Schock versetzten und einen Forschungswettlauf auslösten. Um ehrlich zu sein, das Ding, das da 1952 in einem amerikanischen Hinterhof gelandet ist, sieht tatsächlich aus wie von einem anderen Stern, wenn man bedenkt: Ein Grill ist zu dieser Zeit eine offene, rechteckige, gemauerte Außenküche. Punkt. Ganz bestimmt keine metallene Halbkugel mit Deckel auf drei dünnen Beinchen. Verglichen mit Ziegelsteinen ist das High-Tech. George Stephen bricht mit allen Gewohnheiten. Wir nennen so etwas heute eine Innovation, und Design ohne Innovation ist so blutleer wie Grillen ohne Steak. Der Handwerker ist von seiner Idee besessen. Sein Sendungsbewusstsein treibt ihn in den nächsten Jahren durch alle Hinterhöfe der USA, um die grillbegeisterten Amerikaner zu missionieren. Keine leichte Aufgabe, kostet doch ein haushaltsüblicher Kessel zu dieser Zeit 7 Dollar, während George Stephen rund 50 Dollar für seinen Grillkessel haben will. Auch das war schon immer typisch für gutes Design: Qualität fordert ihren Preis. Zuerst kaufen ihm seine Nachbarn den Grill ab, denn die Resultate überzeugen. Und dann beginnt George Stephens Arbeitgeber damit, die Grills in Serie zu produzieren. An zwei Beine werden Räder montiert, um die Geräte leichter zu transportieren. Damit ist die bis heute gültige Form gefunden. Ende der 1950er Jahre wird der Firmenname geändert in »Weber-Stephen Products Company«. Stephen übernimmt die Fabrik und wird alleiniger Eigentümer. Auch das ist ein Teil des amerikanischen Traums, der bekanntlich mit Tellerwaschen anfängt. In unserem Falle: Mit Grilltellern. Seit den 1970er Jahren ist das Unternehmen Markenhersteller: Die Marke »Weber« steht für ein Original, das die gesamte Branche durch eine neue Form und den damit verbundenen Nutzen revolutioniert hat. Längst gibt es unzählige billige Baumarkt-Imitate, die das äußere Erscheinungsbild nachahmen. Und längst stellt das Unternehmen eine Vielzahl von Grills her, die rechteckig sind und mit Gas betrieben werden. Aber der Kugelgrill von 1952, mit Holzkohle befeuert, ist heute, mehr als 50 Jahre nach seiner Erfindung, weltweit Kult, und das ist die höchste Auszeichnung, die der launische Konsument vergibt. Mit der goldenen Zitrone hingegen beschäftigen wir uns am nächsten Montag.« Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [113]
»Das Objekt: Ein Grill. Porzellanemaillierter Metallkessel mit Deckel, 52 cm Durchmesser, 83 cm Höhe, auf drei verstrebten Metallbeinen, zwei davon mit Rollen. Der Metallarbeiter George Stephen grillt ganz gerne mit Frau und Kindern in seiner sparsam bemessenen Freizeit. In den frühen Fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, ist auch in den USA das Fleisch teuer. Umso ärgerlicher ist es, wenn das Fleisch außen anbrennt, weil die Flammen emporlodern, aber es innen noch roh ist. Wenn der Wind die Asche übers Fleisch weht. Oder wenn Regen dem Grillen ein plötzliches Ende setzt. Die Firma Weber Brothers Metal Works, bei der George Stephen angestellt ist, stellt unterschiedlichste Metallprodukte her, unter anderem auch Bojen. Eine solche schneidet er in zwei Hälften, umgürtet eine davon mit einen Haltering, stellt sie auf drei Beine und setzt dem ganzen einen Deckel auf. Die Nachbarschaft spottet und tauft das Konstrukt auf den Namen »Sputnik« nach den sowjetischen Raumkapseln, die der westlichen Welt einen Schock versetzten und einen Forschungswettlauf auslösten. Um ehrlich zu sein, das Ding, das da 1952 in einem amerikanischen Hinterhof gelandet ist, sieht tatsächlich aus wie von einem anderen Stern, wenn man bedenkt: Ein Grill ist zu dieser Zeit eine offene, rechteckige, gemauerte Außenküche. Punkt. Ganz bestimmt keine metallene Halbkugel mit Deckel auf drei dünnen Beinchen. Verglichen mit Ziegelsteinen ist das High-Tech. George Stephen bricht mit allen Gewohnheiten. Wir nennen so etwas heute eine Innovation, und Design ohne Innovation ist so blutleer wie Grillen ohne Steak. Der Handwerker ist von seiner Idee besessen. Sein Sendungsbewusstsein treibt ihn in den nächsten Jahren durch alle Hinterhöfe der USA, um die grillbegeisterten Amerikaner zu missionieren. Keine leichte Aufgabe, kostet doch ein haushaltsüblicher Kessel zu dieser Zeit 7 Dollar, während George Stephen rund 50 Dollar für seinen Grillkessel haben will. Auch das war schon immer typisch für gutes Design: Qualität fordert ihren Preis. Zuerst kaufen ihm seine Nachbarn den Grill ab, denn die Resultate überzeugen. Und dann beginnt George Stephens Arbeitgeber damit, die Grills in Serie zu produzieren. An zwei Beine werden Räder montiert, um die Geräte leichter zu transportieren. Damit ist die bis heute gültige Form gefunden. Ende der 1950er Jahre wird der Firmenname geändert in »Weber-Stephen Products Company«. Stephen übernimmt die Fabrik und wird alleiniger Eigentümer. Auch das ist ein Teil des amerikanischen Traums, der bekanntlich mit Tellerwaschen anfängt. In unserem Falle: Mit Grilltellern. Seit den 1970er Jahren ist das Unternehmen Markenhersteller: Die Marke »Weber« steht für ein Original, das die gesamte Branche durch eine neue Form und den damit verbundenen Nutzen revolutioniert hat. Längst gibt es unzählige billige Baumarkt-Imitate, die das äußere Erscheinungsbild nachahmen. Und längst stellt das Unternehmen eine Vielzahl von Grills her, die rechteckig sind und mit Gas betrieben werden. Aber der Kugelgrill von 1952, mit Holzkohle befeuert, ist heute, mehr als 50 Jahre nach seiner Erfindung, weltweit Kult, und das ist die höchste Auszeichnung, die der launische Konsument vergibt. Mit der goldenen Zitrone hingegen beschäftigen wir uns am nächsten Montag.« Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.