»Das Objekt: Ein Auto. Zwei Türen, Sechszylinder-Boxermotor, 2 Liter Hubraum, 130 PS, 5-Gang-Getriebe, 4 Meter 16 lang, 1 Meter 61 breit, 1 Meter 32 hoch. Höchstgeschwindigkeit: 210 Kilometer pro Stunde. Die Geschichte des Designs ist eine Geschichte, die in der Regel zwei Antriebskräfte kennt: die Zweckentfremdung und die Weiterentwicklung im Sinne eines Quantensprungs. Zum Beispiel wird ein Objekt aus einem Bereich, sagen wir der Seefahrt, zweckentfremdet und in einem ganz anderem Bereich genutzt. So geschehen mit der Boje, die zum Kugelgrill wurde. Oder ein bestehendes Objekt wird so klug weiterentwickelt, dass etwas Neues, ganz und gar Eigenständiges daraus entsteht. So geschehen mit dem Porsche 911. Sein Entwickler, Ferdinand Alexander Porsche, hatte eine hervorragende Grundlage: Den Sportwagen Porsche 356. Das war das erste Serienfahrzeug des kleinen Herstellers, und es war durch und durch auf Geschwindigkeit getrimmt. Schon 1948, dem ersten Produktionsjahr, nehmen diese Alu-Coupés erfolgreich an internationalen Rennen teil. In den nächsten Jahren reiht sich Sieg an Sieg. Der Ruf der technischen Spitzenleistung, von dem Porsche noch heute profitiert, wird in diesen frühen Jahren begründet. Anfang der 60er Jahre, nachdem einige Zehntausend Exemplare des 356 verkauft sind, beginnt die Kundschaft jedoch, sich an höheren Komfort in den größeren Fahrzeugen der Konkurrenz zu gewöhnen. Die Reisestrecken werden länger, Italien rückt näher. Es heißt, zur Aufgabenstellung für das Nachfolgemodell des 356 habe es gehört, dass der neue Wagen in seinem Kofferraum Platz für zumindest eine Golftasche bieten müsse. Kurz und gut – das war der alte Porsche. Größer, stärker, komfortabler – diese Eigenschaften sollten das neue Modell auszeichnen, das 1963 auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt am Main vorgestellt wurde. Ferdinand Alexander Porsche, genannt Butzi, der Enkel des Firmengründers (und Cousin des heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden von VW, Ferdinand Piech), hatte es sich zum Konzept gemacht, die Verwandtschaft des Nachfolgers mit seinem Vorgänger auf den ersten Blick erkennbar werden zu lassen. Der Fachbegriff dafür lautet Re-Design, und dass sich Porsche für diesen bescheiden anmutenden Weg entschied, zeugt von genialischer Voraussicht: Denn das Herausarbeiten eines unverwechselbaren Gesichts aller Modelle gehört heute zum Pflichtrepertoire für jeden Hersteller. Die unverwechselbaren Kennzeichen des Porsche 911, der seit 45 Jahren in einer nur behutsam modifizierten äußeren Form an den Start tritt, kann heute jedes Kind aufzählen, und diese Beständigkeit ist ein Kapital von unschätzbarem Wert: Die schräge Front, unter der sich der Kofferraum verbirgt, mit den hervorstehenden Scheinwerfern. Das kurze, steil abfallende Heck, wo der Boxermotor mit seinem charakteristischen Klang brodelt. Zum Mythos des Sportwagens zählen aber auch Eigenheiten aus dem Rennsport, die im Straßenverkehr eigentlich keinen Sinn machen, aber die Authentizität erhöhen. Das Zündschloss befindet sich zum Beispiel links neben der Lenksäule, weil es lange Zeit üblich war, dass die Rennfahrer beim Start erst zu ihren Fahrzeugen laufen mussten, und ein links angebrachtes Zündschloss spart Zeit. Weil Zeit Geld ist, können sich diese alltägliche Ersparnis von Anfang an nur solche Zeitgenossen erlauben, die die Wirtschaftswunder-Ära besonders erfolgreich meistern. Höchstgeschwindigkeit für jedermann lassen wir nächsten Montag Revue passieren: Im ICE der Deutschen Bahn.« Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [116]
»Das Objekt: Ein Auto. Zwei Türen, Sechszylinder-Boxermotor, 2 Liter Hubraum, 130 PS, 5-Gang-Getriebe, 4 Meter 16 lang, 1 Meter 61 breit, 1 Meter 32 hoch. Höchstgeschwindigkeit: 210 Kilometer pro Stunde. Die Geschichte des Designs ist eine Geschichte, die in der Regel zwei Antriebskräfte kennt: die Zweckentfremdung und die Weiterentwicklung im Sinne eines Quantensprungs. Zum Beispiel wird ein Objekt aus einem Bereich, sagen wir der Seefahrt, zweckentfremdet und in einem ganz anderem Bereich genutzt. So geschehen mit der Boje, die zum Kugelgrill wurde. Oder ein bestehendes Objekt wird so klug weiterentwickelt, dass etwas Neues, ganz und gar Eigenständiges daraus entsteht. So geschehen mit dem Porsche 911. Sein Entwickler, Ferdinand Alexander Porsche, hatte eine hervorragende Grundlage: Den Sportwagen Porsche 356. Das war das erste Serienfahrzeug des kleinen Herstellers, und es war durch und durch auf Geschwindigkeit getrimmt. Schon 1948, dem ersten Produktionsjahr, nehmen diese Alu-Coupés erfolgreich an internationalen Rennen teil. In den nächsten Jahren reiht sich Sieg an Sieg. Der Ruf der technischen Spitzenleistung, von dem Porsche noch heute profitiert, wird in diesen frühen Jahren begründet. Anfang der 60er Jahre, nachdem einige Zehntausend Exemplare des 356 verkauft sind, beginnt die Kundschaft jedoch, sich an höheren Komfort in den größeren Fahrzeugen der Konkurrenz zu gewöhnen. Die Reisestrecken werden länger, Italien rückt näher. Es heißt, zur Aufgabenstellung für das Nachfolgemodell des 356 habe es gehört, dass der neue Wagen in seinem Kofferraum Platz für zumindest eine Golftasche bieten müsse. Kurz und gut – das war der alte Porsche. Größer, stärker, komfortabler – diese Eigenschaften sollten das neue Modell auszeichnen, das 1963 auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt am Main vorgestellt wurde. Ferdinand Alexander Porsche, genannt Butzi, der Enkel des Firmengründers (und Cousin des heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden von VW, Ferdinand Piech), hatte es sich zum Konzept gemacht, die Verwandtschaft des Nachfolgers mit seinem Vorgänger auf den ersten Blick erkennbar werden zu lassen. Der Fachbegriff dafür lautet Re-Design, und dass sich Porsche für diesen bescheiden anmutenden Weg entschied, zeugt von genialischer Voraussicht: Denn das Herausarbeiten eines unverwechselbaren Gesichts aller Modelle gehört heute zum Pflichtrepertoire für jeden Hersteller. Die unverwechselbaren Kennzeichen des Porsche 911, der seit 45 Jahren in einer nur behutsam modifizierten äußeren Form an den Start tritt, kann heute jedes Kind aufzählen, und diese Beständigkeit ist ein Kapital von unschätzbarem Wert: Die schräge Front, unter der sich der Kofferraum verbirgt, mit den hervorstehenden Scheinwerfern. Das kurze, steil abfallende Heck, wo der Boxermotor mit seinem charakteristischen Klang brodelt. Zum Mythos des Sportwagens zählen aber auch Eigenheiten aus dem Rennsport, die im Straßenverkehr eigentlich keinen Sinn machen, aber die Authentizität erhöhen. Das Zündschloss befindet sich zum Beispiel links neben der Lenksäule, weil es lange Zeit üblich war, dass die Rennfahrer beim Start erst zu ihren Fahrzeugen laufen mussten, und ein links angebrachtes Zündschloss spart Zeit. Weil Zeit Geld ist, können sich diese alltägliche Ersparnis von Anfang an nur solche Zeitgenossen erlauben, die die Wirtschaftswunder-Ära besonders erfolgreich meistern. Höchstgeschwindigkeit für jedermann lassen wir nächsten Montag Revue passieren: Im ICE der Deutschen Bahn.« Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.