»Das Produkt: Eine Getränkeflasche aus Glas, 19 Zentimeter hoch, mit Längsrillen und Hüftschwung, 0,2 Liter Fassungsvermögen. Wanderer, kommst Du nach Indiana in die amerikanische Kleinstadt mit dem französischen Namen Terre Haute, dann halte einen Moment inne an der Kreuzung von Third Street und Voorhees Street. Ein Schild erinnert daran, dass an dieser Stelle auf dem Werksgelände der Root Glass Company im Jahr 1915 die Coca-Cola-Flasche erfunden wurde. Es handelt sich vermutlich um die einzige Gedenktafel weltweit, die zu Ehren eines Verpackungsdesigns aufgestellt wurde. Die Geschichte der sogenannten Konturflasche ist in gewisser Weise eine Geschichte von Zerstörung, Dunkelheit und Größenwahn. Als der Apotheker John S. Pemberton 1886 im Alter von 55 Jahren den koffeeinhaltigen Sirup erfand, den er später Coca-Cola nannte, handelte es sich noch um ein Getränk, das nur in den Soda-Bars des heißen amerikanischen Südstaats Georgia ausgeschenkt wurde. Er konnte den Absatz nur steigern, wenn seine Cola trinkfertig in Flaschen abgefüllt und mit einem Kronkorken transportsicher verschlossen wurde. Dies gelang 1899. Aus dem Zulieferer für die regionale Gastronomie war der Hersteller eines Produkts geworden, das überall in gleichbleibender Qualität verkauft wurde. Coca-Cola war zum Markenprodukt geworden. Und doch, typisch amerikanisch, gab sich das Unternehmen damit nicht zufrieden. Denn in den ersten 16 Jahren wurden nur Flaschen für die Abfüllung verwendet, die sich äußerlich von anderen Flaschen kaum unterschieden. Einzig der schon damals verwendete Schriftzug mit den ineinander verschlungenen Buchstaben findet sich als Relief auf den Flaschen. Das war als Unterscheidungsmerkmal zu wenig. Als Aufgabe für einen Design-Wettbewerb unter mehreren ihrer Glaslieferanten stellte Coca-Cola 1915 Forderungen auf, die eigentlich an Größenwahn kaum zu überbieten erscheinen: Die Flasche, die sich das Unternehmen wünschte, sollte eine so eigenständige Form erhalten, dass sie sogar im Dunkeln zu erkennen wäre. Nicht nur das: Selbst, wenn eine Flasche zu Bruch ginge, sollten ihre Bruchstücke eindeutig identifizierbar sein. Gemeinsam mit dem Designer Earl Dean entwickelte der aus Schweden stammende Alexander Samuelson einen Entwurf, der von Coca-Cola gekauft und sogar patentrechtlich geschützt wurde. Die eigentümlichen Längs-Rillen sind ein formales Zitat der ebenfalls längs gerillten Kaffeebohnen. Die Konturflasche erinnert an die Silhuette einer Frau mit schlanker Taille im enganliegenden Rock, und wenn man dieser Interpretation folgt, dann prangt auf ihrer Brust der Schriftzug von Coca-Cola. Damit bringt die Flasche alles mit, was für eine amerikanische Erfolgsgeschichte notwendig ist: Sex-Appeal, Assoziationen zur Mode und Eigenständigkeit selbst dann, wenn sie zerstört am Boden liegt.« Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [140]
»Das Produkt: Eine Getränkeflasche aus Glas, 19 Zentimeter hoch, mit Längsrillen und Hüftschwung, 0,2 Liter Fassungsvermögen. Wanderer, kommst Du nach Indiana in die amerikanische Kleinstadt mit dem französischen Namen Terre Haute, dann halte einen Moment inne an der Kreuzung von Third Street und Voorhees Street. Ein Schild erinnert daran, dass an dieser Stelle auf dem Werksgelände der Root Glass Company im Jahr 1915 die Coca-Cola-Flasche erfunden wurde. Es handelt sich vermutlich um die einzige Gedenktafel weltweit, die zu Ehren eines Verpackungsdesigns aufgestellt wurde. Die Geschichte der sogenannten Konturflasche ist in gewisser Weise eine Geschichte von Zerstörung, Dunkelheit und Größenwahn. Als der Apotheker John S. Pemberton 1886 im Alter von 55 Jahren den koffeeinhaltigen Sirup erfand, den er später Coca-Cola nannte, handelte es sich noch um ein Getränk, das nur in den Soda-Bars des heißen amerikanischen Südstaats Georgia ausgeschenkt wurde. Er konnte den Absatz nur steigern, wenn seine Cola trinkfertig in Flaschen abgefüllt und mit einem Kronkorken transportsicher verschlossen wurde. Dies gelang 1899. Aus dem Zulieferer für die regionale Gastronomie war der Hersteller eines Produkts geworden, das überall in gleichbleibender Qualität verkauft wurde. Coca-Cola war zum Markenprodukt geworden. Und doch, typisch amerikanisch, gab sich das Unternehmen damit nicht zufrieden. Denn in den ersten 16 Jahren wurden nur Flaschen für die Abfüllung verwendet, die sich äußerlich von anderen Flaschen kaum unterschieden. Einzig der schon damals verwendete Schriftzug mit den ineinander verschlungenen Buchstaben findet sich als Relief auf den Flaschen. Das war als Unterscheidungsmerkmal zu wenig. Als Aufgabe für einen Design-Wettbewerb unter mehreren ihrer Glaslieferanten stellte Coca-Cola 1915 Forderungen auf, die eigentlich an Größenwahn kaum zu überbieten erscheinen: Die Flasche, die sich das Unternehmen wünschte, sollte eine so eigenständige Form erhalten, dass sie sogar im Dunkeln zu erkennen wäre. Nicht nur das: Selbst, wenn eine Flasche zu Bruch ginge, sollten ihre Bruchstücke eindeutig identifizierbar sein. Gemeinsam mit dem Designer Earl Dean entwickelte der aus Schweden stammende Alexander Samuelson einen Entwurf, der von Coca-Cola gekauft und sogar patentrechtlich geschützt wurde. Die eigentümlichen Längs-Rillen sind ein formales Zitat der ebenfalls längs gerillten Kaffeebohnen. Die Konturflasche erinnert an die Silhuette einer Frau mit schlanker Taille im enganliegenden Rock, und wenn man dieser Interpretation folgt, dann prangt auf ihrer Brust der Schriftzug von Coca-Cola. Damit bringt die Flasche alles mit, was für eine amerikanische Erfolgsgeschichte notwendig ist: Sex-Appeal, Assoziationen zur Mode und Eigenständigkeit selbst dann, wenn sie zerstört am Boden liegt.« Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.