»Das Produkt: Ein Trinkhalm mit Knickstelle, 21 cm lang, 5 mm Durchmesser. Manchmal stammt erfolgreiches Design nicht von einem Designer. Immer dann, wenn es um die Substanz des Produktes geht, braucht man nicht bloß Geschmack, sondern auch Erfindungsgabe. Ein solcher Erfinder ist Klaus Jebens. 1925 geboren, machte er schon mit 18 Jahren seine erste Erfindung. Damals, mitten im Zweiten Weltkrieg, beschäftigte er sich mit Waffen, Munition und Raketen. Er arbeitete in Penemünde mit Wernher von Braun am berüchtigten Projekt der V2-Rakete. Nach Kriegsende tüftelte Klaus Jebens an Landwirtschaftstechnik. Ein Getränkeautomat, an dem sich die Arbeiter Milch in Tetrapack-Tüten ziehen konnten, fiel ihm im Wolfsburger Volkswagen-Werk auf. Dieser Automat erschien ihm viel zu kompliziert, das konnte er einfacher und billiger. Und so fabrizierte der Hersteller von 1958 bis 1962 3.000 Exemplare seines verbesserten Automaten. Diese wurden aber nicht nur auf dem Gelände von Fabriken aufgestellt, sondern auch an Autobahnraststätten für die wachsende Zahl von Fernreisenden. Bald kam der Automatenhersteller erneut auf ihn zu. Er wünschte sich, dass die Geräte auch Trinkhalme spendieren sollten. Die ersten Versuche schlugen fehl: Die Halme blieben im Automaten hängen, denn der in Deutschland übliche Kunststoff taugte nicht dafür. In England wurden jedoch Trinkhalme aus gewachstem Papier hergestellt. Damit funktionierte es. So wurde aus dem Erfinder Klaus Jebens der geschäftstüchtige Importeur englischer Trinkhalme. Der Direktor dieser englischen Firma fragte ihn 1962, ob er nicht eine Idee hätte, wie man biegbare Trinkhalme herstellen könnte. Er wollte damit Krankenhäuser beliefern, damit die Kranken hygienische und praktische Trinkhilfen erhielten. Auf dem Rückflug von London nach Hamburg dachte Jebens darüber nach. Ihm fiel ein, dass im 2. Weltkrieg die gasgetriebenen Laster bewegliche Rohre fürs Betanken hatten. Dafür wurden die Rohre mehrfach mit Gewindefräsungen bearbeitet und dann gestaucht. Die Rohre konnten danach an dieser Stelle hunderte Male bewegt werden, ohne abzuknicken. Zuhause angekommen, probierte Klaus Jebens dieses Gewindefräsen an normalen Trinkhalmen aus, und es funktionierte. Sein Patentanwalt fand heraus, dass schon in den 1930er Jahren ein Patent für eine ähnliche Erfindung an Joseph B. Friedman erteilt worden war: Er hatte mehrere kleine Ringe in den Trinkhalm eingefügt. Dieses Patent war zwar abgelaufen. Aber dennoch ließ sich Klaus Jebens seine Erfindung nicht patentieren, sondern nur den Namen »Flex Straw« 20 Jahre lang schützen. Im englischen Sprachraum ist es heute der Gattungsbegriff für alle knickbaren Trinkhalme, für das Original und für alle Fälschungen.« Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [156]
»Das Produkt: Ein Trinkhalm mit Knickstelle, 21 cm lang, 5 mm Durchmesser. Manchmal stammt erfolgreiches Design nicht von einem Designer. Immer dann, wenn es um die Substanz des Produktes geht, braucht man nicht bloß Geschmack, sondern auch Erfindungsgabe. Ein solcher Erfinder ist Klaus Jebens. 1925 geboren, machte er schon mit 18 Jahren seine erste Erfindung. Damals, mitten im Zweiten Weltkrieg, beschäftigte er sich mit Waffen, Munition und Raketen. Er arbeitete in Penemünde mit Wernher von Braun am berüchtigten Projekt der V2-Rakete. Nach Kriegsende tüftelte Klaus Jebens an Landwirtschaftstechnik. Ein Getränkeautomat, an dem sich die Arbeiter Milch in Tetrapack-Tüten ziehen konnten, fiel ihm im Wolfsburger Volkswagen-Werk auf. Dieser Automat erschien ihm viel zu kompliziert, das konnte er einfacher und billiger. Und so fabrizierte der Hersteller von 1958 bis 1962 3.000 Exemplare seines verbesserten Automaten. Diese wurden aber nicht nur auf dem Gelände von Fabriken aufgestellt, sondern auch an Autobahnraststätten für die wachsende Zahl von Fernreisenden. Bald kam der Automatenhersteller erneut auf ihn zu. Er wünschte sich, dass die Geräte auch Trinkhalme spendieren sollten. Die ersten Versuche schlugen fehl: Die Halme blieben im Automaten hängen, denn der in Deutschland übliche Kunststoff taugte nicht dafür. In England wurden jedoch Trinkhalme aus gewachstem Papier hergestellt. Damit funktionierte es. So wurde aus dem Erfinder Klaus Jebens der geschäftstüchtige Importeur englischer Trinkhalme. Der Direktor dieser englischen Firma fragte ihn 1962, ob er nicht eine Idee hätte, wie man biegbare Trinkhalme herstellen könnte. Er wollte damit Krankenhäuser beliefern, damit die Kranken hygienische und praktische Trinkhilfen erhielten. Auf dem Rückflug von London nach Hamburg dachte Jebens darüber nach. Ihm fiel ein, dass im 2. Weltkrieg die gasgetriebenen Laster bewegliche Rohre fürs Betanken hatten. Dafür wurden die Rohre mehrfach mit Gewindefräsungen bearbeitet und dann gestaucht. Die Rohre konnten danach an dieser Stelle hunderte Male bewegt werden, ohne abzuknicken. Zuhause angekommen, probierte Klaus Jebens dieses Gewindefräsen an normalen Trinkhalmen aus, und es funktionierte. Sein Patentanwalt fand heraus, dass schon in den 1930er Jahren ein Patent für eine ähnliche Erfindung an Joseph B. Friedman erteilt worden war: Er hatte mehrere kleine Ringe in den Trinkhalm eingefügt. Dieses Patent war zwar abgelaufen. Aber dennoch ließ sich Klaus Jebens seine Erfindung nicht patentieren, sondern nur den Namen »Flex Straw« 20 Jahre lang schützen. Im englischen Sprachraum ist es heute der Gattungsbegriff für alle knickbaren Trinkhalme, für das Original und für alle Fälschungen.« Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.