Das Produkt: Ein blaues Metallschild, 2 Meter breit, variable Höhe, beschriftet mit 14 bis 35 Zentimeter großen Buchstaben Autofahrer, verschlägt es Dich im diesjährigen Sommerurlaub nach Griechenland, so betrachte die einheimischen Autobahnschilder ein wenig genauer. Und Du wirst feststellen, dass die Deutschen und die Griechen durch die gleiche Schrift auf ihren Fernstraßenwegweisern zart verbandelt sind. Aus der griechischen Philosophie haben deutsche Dichter und Denker die Frage übernommen, ob Schönheitsideale universell, allgemeingültig, sind. Ein praktisches Ergebnis dieses Nachdenkens ist 1906 eine einheitliche, im Kosmos der Preußischen Staatseisenbahnen allgemeingültige Schrift für Schienenfahrzeuge. Sie dient ab 1925 dem Siemens-Ingenieur Ludwig Goller als Vorlage, um eine Schrift für den Gebrauch im Verkehr und in technischen Zusammenhängen zu entwickeln. Seit 1936 gibt es diese Schrift, die sogenannte DIN-Schrift oder Verkehrsschrift, geregelt in der DIN-Norm 1451. Ludwig Goller wollte eine möglichst gut lesbare Schrift erzeugen und zugleich Vereinheitlichung durch technische Vereinfachung herbeiführen. Die DIN-Schrift musste zwar von Hand, aber mithilfe von Schablonen mit dem Tuschestift geschrieben werden. Deshalb ist jeder Buchstabe an jeder Stelle gleich breit. Das Ergebnis widerspricht allerdings allen Erkenntnissen darüber, wann eine Schrift besonders gut lesbar ist. Die DIN-Schrift kann zwar von Maschinen geschrieben und gelesen werden, aber für das menschliche Auge gelten andere Regeln. Und weil unsere Welt mehr und mehr von technischen und verkehrsmäßigen Aspekten beeinflusst wird, hat auch die Verbreitung der DIN-Schrift ungeahnte Ausmaße angenommen. Sie fand sich zum Beispiel in ihrer mittelbreiten Ausprägung jahrzehntelang auf Architektenplänen, den KfZ-Kennzeichen und den Schildern am Ortseingang. Seit Konrad Adenauer am 6. August 1932 die erste öffentliche Autobahn Deutschlands, die heutige A 555 zwischen Köln und Bonn, eröffnet hat, ist das deutsche Autobahnnetz auf mehr als 12.000 Kilometer angewachsen. Seit dem 8. November 1968 wird hier dem Autofahrer gemäß dem Wiener Übereinkommen über Straßenverkehrszeichen der Weg gewiesen. Diese Unesco-Konvention fällt in eine Zeit, in der viele Designer noch davon überzeugt waren, dass sich die Schönheit vermessen und wissenschaftlich erzeugen ließe, und dass ein strenges und lückenloses Reglement Fortschritt, und zwar in Form von Sicherheit, bedeute. Die Richtlinien für Autobahnschilder, zusammengefasst im sogenannten Blauen System, unterscheiden etwa zwischen Ankündigung (1.000 Meter voraus), Vorwegweiser (500 Meter voraus) und Wegweiser (jetzt aber nichts wie raus). Typisch deutsch und überhaupt nicht allgemeingültig ist, dass die Pfeile stets nach oben in den Himmel weisen, und nicht nach unten auf die Fahrbahn zeigen. Ebenso landestypisch ist das Blau als Grundfarbe – international hat sich für Autobahnen Grün durchgesetzt – und eben die zentrierte DIN-Mittelschrift. Der Gedanke der Vereinheitlichung wird also in der Praxis ad absurdum geführt, weil optimale Lesbarkeit anscheinend für den Deutschen und den Österreicher nicht das Gleiche ist. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [161]
Das Produkt: Ein blaues Metallschild, 2 Meter breit, variable Höhe, beschriftet mit 14 bis 35 Zentimeter großen Buchstaben Autofahrer, verschlägt es Dich im diesjährigen Sommerurlaub nach Griechenland, so betrachte die einheimischen Autobahnschilder ein wenig genauer. Und Du wirst feststellen, dass die Deutschen und die Griechen durch die gleiche Schrift auf ihren Fernstraßenwegweisern zart verbandelt sind. Aus der griechischen Philosophie haben deutsche Dichter und Denker die Frage übernommen, ob Schönheitsideale universell, allgemeingültig, sind. Ein praktisches Ergebnis dieses Nachdenkens ist 1906 eine einheitliche, im Kosmos der Preußischen Staatseisenbahnen allgemeingültige Schrift für Schienenfahrzeuge. Sie dient ab 1925 dem Siemens-Ingenieur Ludwig Goller als Vorlage, um eine Schrift für den Gebrauch im Verkehr und in technischen Zusammenhängen zu entwickeln. Seit 1936 gibt es diese Schrift, die sogenannte DIN-Schrift oder Verkehrsschrift, geregelt in der DIN-Norm 1451. Ludwig Goller wollte eine möglichst gut lesbare Schrift erzeugen und zugleich Vereinheitlichung durch technische Vereinfachung herbeiführen. Die DIN-Schrift musste zwar von Hand, aber mithilfe von Schablonen mit dem Tuschestift geschrieben werden. Deshalb ist jeder Buchstabe an jeder Stelle gleich breit. Das Ergebnis widerspricht allerdings allen Erkenntnissen darüber, wann eine Schrift besonders gut lesbar ist. Die DIN-Schrift kann zwar von Maschinen geschrieben und gelesen werden, aber für das menschliche Auge gelten andere Regeln. Und weil unsere Welt mehr und mehr von technischen und verkehrsmäßigen Aspekten beeinflusst wird, hat auch die Verbreitung der DIN-Schrift ungeahnte Ausmaße angenommen. Sie fand sich zum Beispiel in ihrer mittelbreiten Ausprägung jahrzehntelang auf Architektenplänen, den KfZ-Kennzeichen und den Schildern am Ortseingang. Seit Konrad Adenauer am 6. August 1932 die erste öffentliche Autobahn Deutschlands, die heutige A 555 zwischen Köln und Bonn, eröffnet hat, ist das deutsche Autobahnnetz auf mehr als 12.000 Kilometer angewachsen. Seit dem 8. November 1968 wird hier dem Autofahrer gemäß dem Wiener Übereinkommen über Straßenverkehrszeichen der Weg gewiesen. Diese Unesco-Konvention fällt in eine Zeit, in der viele Designer noch davon überzeugt waren, dass sich die Schönheit vermessen und wissenschaftlich erzeugen ließe, und dass ein strenges und lückenloses Reglement Fortschritt, und zwar in Form von Sicherheit, bedeute. Die Richtlinien für Autobahnschilder, zusammengefasst im sogenannten Blauen System, unterscheiden etwa zwischen Ankündigung (1.000 Meter voraus), Vorwegweiser (500 Meter voraus) und Wegweiser (jetzt aber nichts wie raus). Typisch deutsch und überhaupt nicht allgemeingültig ist, dass die Pfeile stets nach oben in den Himmel weisen, und nicht nach unten auf die Fahrbahn zeigen. Ebenso landestypisch ist das Blau als Grundfarbe – international hat sich für Autobahnen Grün durchgesetzt – und eben die zentrierte DIN-Mittelschrift. Der Gedanke der Vereinheitlichung wird also in der Praxis ad absurdum geführt, weil optimale Lesbarkeit anscheinend für den Deutschen und den Österreicher nicht das Gleiche ist. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.