Das Fahrrad ist nach der Nähmaschine das zweite technische Alltagsprodukt, das den Siegeszug der industriellen Serienfertigung im 19. Jahrhundert repräsentiert. Als erstes mechanisches Verkehrsmittel, das sich breite Schichten leisten konnten, verkörpert es den Grundgedanken des modernen Designs, das tägliche Leben auch der einfachen Menschen durch technischen Fortschritt zu verbessern. Den Urtyp des Fahrrads hatte Karl Freiherr Drais von Sauerbronn 1817 in Mannheim in der Form eines hölzernen Laufrads erfunden. Schon kurz danach begeisterten sich die Engländer für dieses neue Gerät. Sie verwendeten bald Metall statt Holz, um die Laufmaschinen zu bauen. Rasch bürgerte sich dafür der französische Name Veloziped oder vélocipède bicycle ein, also »schneller Fuß auf zwei Rädern». Die Engländer nannten es kurz Bicycle, Zweirad, oder auch hobby horse, Steckenpferd, und veranstalten 1819 in Ipswich das erste Wettrennen. In den folgenden 70 Jahren baute eine Vielzahl technischer Erfindungen Schritt für Schritt aufeinander auf: Der Pedalantrieb löste das Laufen ab, an die Stelle des Vorderradantriebs trat der Hinterradantrieb mittels einer Kette, Kugellager und Luftreifen verbesserten die Laufruhe und den Federungskomfort, der rautenförmige Diamantrahmen aus Stahlrohr verlieh die notwendige Stabilität, und 1907 waren die ersten Fahrräder mit Freilauf, Gangschaltung und Rücktrittbremse auf dem Markt. Eines der besten Erfolgsrezepte im Design lautet: Lieber klug abgekupfert als mühsam das Rad neu selbst erfunden. Auch für das Hollandrad gilt dieses Prinzip, denn das erste Hollandrad war ein Plagiat. Der Schmied Henricus Burgers hatte 1869 sein aus England importiertes Vorbild einem durchreisenden Händler abgekauft und sich dazu entschlossen, eine Fahrradfabrik zu gründen. Schon zehn Jahre später musste er sich mit vielen Konkurrenten auseinandersetzen, denn die Holländer aller Schichten fanden großen Gefallen an dieser Form der individuellen Fortbewegung. Das flache Land und der dichte Ausbau des Straßennetzes begünstigten ihre Vorliebe. Anfangs haben die holländischen Hersteller unverhohlen ihre englischen Vorbilder kopiert. Weitere Entwicklungen übernahmen sie jedoch nur zögerlich, wenn überhaupt. Durch diese Trägheit und Kontinuität entstand der Typus des Hollandrads. Seit den 1920er Jahren wird es als eigenständiges Produkt beworben, und bis heute hat es seine eigentümliche Antiquiertheit konserviert. Es ist ein konservativer, robuster und langlebiger Gegenstand. Die Sitzposition ist aufrecht, die Verarbeitung solide, der Materialaufwand beträchtlich und das Gewicht enorm. Und jahrzehntelang hielten sich alle holländischen Hersteller an die Maxime Henry Fords, des amerikanischen Begründers des motorisierten Individualverkehrs, und produzierten ebenso wie Ford ihre Fahrräder in allen Farben, solange es Schwarz war. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [162]
Das Fahrrad ist nach der Nähmaschine das zweite technische Alltagsprodukt, das den Siegeszug der industriellen Serienfertigung im 19. Jahrhundert repräsentiert. Als erstes mechanisches Verkehrsmittel, das sich breite Schichten leisten konnten, verkörpert es den Grundgedanken des modernen Designs, das tägliche Leben auch der einfachen Menschen durch technischen Fortschritt zu verbessern. Den Urtyp des Fahrrads hatte Karl Freiherr Drais von Sauerbronn 1817 in Mannheim in der Form eines hölzernen Laufrads erfunden. Schon kurz danach begeisterten sich die Engländer für dieses neue Gerät. Sie verwendeten bald Metall statt Holz, um die Laufmaschinen zu bauen. Rasch bürgerte sich dafür der französische Name Veloziped oder vélocipède bicycle ein, also »schneller Fuß auf zwei Rädern». Die Engländer nannten es kurz Bicycle, Zweirad, oder auch hobby horse, Steckenpferd, und veranstalten 1819 in Ipswich das erste Wettrennen. In den folgenden 70 Jahren baute eine Vielzahl technischer Erfindungen Schritt für Schritt aufeinander auf: Der Pedalantrieb löste das Laufen ab, an die Stelle des Vorderradantriebs trat der Hinterradantrieb mittels einer Kette, Kugellager und Luftreifen verbesserten die Laufruhe und den Federungskomfort, der rautenförmige Diamantrahmen aus Stahlrohr verlieh die notwendige Stabilität, und 1907 waren die ersten Fahrräder mit Freilauf, Gangschaltung und Rücktrittbremse auf dem Markt. Eines der besten Erfolgsrezepte im Design lautet: Lieber klug abgekupfert als mühsam das Rad neu selbst erfunden. Auch für das Hollandrad gilt dieses Prinzip, denn das erste Hollandrad war ein Plagiat. Der Schmied Henricus Burgers hatte 1869 sein aus England importiertes Vorbild einem durchreisenden Händler abgekauft und sich dazu entschlossen, eine Fahrradfabrik zu gründen. Schon zehn Jahre später musste er sich mit vielen Konkurrenten auseinandersetzen, denn die Holländer aller Schichten fanden großen Gefallen an dieser Form der individuellen Fortbewegung. Das flache Land und der dichte Ausbau des Straßennetzes begünstigten ihre Vorliebe. Anfangs haben die holländischen Hersteller unverhohlen ihre englischen Vorbilder kopiert. Weitere Entwicklungen übernahmen sie jedoch nur zögerlich, wenn überhaupt. Durch diese Trägheit und Kontinuität entstand der Typus des Hollandrads. Seit den 1920er Jahren wird es als eigenständiges Produkt beworben, und bis heute hat es seine eigentümliche Antiquiertheit konserviert. Es ist ein konservativer, robuster und langlebiger Gegenstand. Die Sitzposition ist aufrecht, die Verarbeitung solide, der Materialaufwand beträchtlich und das Gewicht enorm. Und jahrzehntelang hielten sich alle holländischen Hersteller an die Maxime Henry Fords, des amerikanischen Begründers des motorisierten Individualverkehrs, und produzierten ebenso wie Ford ihre Fahrräder in allen Farben, solange es Schwarz war. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.