Die London Underground ist das älteste U-Bahn-Netz der Welt. Vor fast 150 Jahren, am 10. Januar 1863, wurde der Streckenabschnitt der Metropolitan Railway, wie dieser Teil damals genannt wurde, erstmals unterirdisch von einer Dampflokomotive befahren. Die Moderne bahnte sich damit ihren Weg auch unterhalb der Oberfläche. Knapp 40 Jahre später, 1890, begann die Elektrifizierung der Bahnen. Seit 1908 fahren nur noch elektrisch betriebene U-Bahnen, übrigens heute 45% der gesamten Wegstrecke wiederum oberirdisch. Das Orientierungsproblem ist beim U-Bahn-Fahren ein anderes als beim Fahren einer Kutsche: Der Passagier muss nicht mehr den Weg, aber die Lage der Stationen zueinander kennen, um zu wissen, wo er innerhalb des Röhrensystems umsteigen und aussteigen muss. Die ersten Karten des U-Bahn-Netzes waren noch Landkarten nachempfunden. Sie waren ein Abbild der tatsächlichen topographischen Gegebenheit. Das bedeutet, dass die Stationen im Stadtzentrum auf der Karte ebenso eng nebeneinander dargestellt wurden wie sie es in Wirklichkeit auch waren. An den Rändern hingegen lagen die Punkte, die die Stationen repräsentierten, weit auseinander. Der 1902 geborene Zeichner Harry Beck, ein Angestellter in der Signalabteilung von London Underground, war mit dieser Situation nicht zufrieden. Die topographische Genauigkeit der Karte war aus seiner Sicht für den Passagier unwichtig. Die entscheidende Information steckt vielmehr in der relativen Lage der einzelnen Stationen und ihrer Linien zueinander. Deshalb entwarf er 1933 in seiner Freizeit eine neue Karte. Er gab jeder U-Bahn-Linie einen überall gleich breiten Strich in einer eigenen Farbe. Die Linien verliefen auf einem Raster, das nur senkrechte, waagerechte und im 45-Grad-Winkel abgeknickte Wege erlaubte. Die einfachen Stationen waren nur kleine Querstriche auf den Linien. Die Stationen, in denen man umsteigen konnte, waren auf die Spitze gestellte Quadrate. Das war alles. Die Neuerung stieß bei der Firmenleitung auf Skepsis, und bei Becks Kollegen rief sie Hohn und Spott hervor. Das Ergebnis war ja keine Landkarte mehr, wie gewohnt, sondern vielmehr etwas technisch Sachliches wie der Schaltplan einer elektrischen Anlage. Probehalber wurden einige Exemplare des Entwurfs vervielfältigt und unter den Fahrgästen verteilt. Sie fanden überraschenderweise reißenden Absatz. Die weitere Bearbeitung des Plans wurde jedoch nicht Harry Beck, sondern der Marketingabteilung übertragen. Harry Beck kündigte 1947 und unterrichtete seither Design. Die Beliebtheit seines Entwurfs zeigt sich nicht nur daran, dass sich unzählige Zitate aus der Popkultur darauf beziehen. Sie diente auch den meisten anderen U-Bahn-Netzen auf der Welt als Vorlage. Und 2006 wurde die Karte in einer BBC-Sendung zum zweitbeliebtesten britischen Design des 20. Jahrhunderts gewählt. Auf Platz 1 landete übrigens die Concorde. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [179]
Die London Underground ist das älteste U-Bahn-Netz der Welt. Vor fast 150 Jahren, am 10. Januar 1863, wurde der Streckenabschnitt der Metropolitan Railway, wie dieser Teil damals genannt wurde, erstmals unterirdisch von einer Dampflokomotive befahren. Die Moderne bahnte sich damit ihren Weg auch unterhalb der Oberfläche. Knapp 40 Jahre später, 1890, begann die Elektrifizierung der Bahnen. Seit 1908 fahren nur noch elektrisch betriebene U-Bahnen, übrigens heute 45% der gesamten Wegstrecke wiederum oberirdisch. Das Orientierungsproblem ist beim U-Bahn-Fahren ein anderes als beim Fahren einer Kutsche: Der Passagier muss nicht mehr den Weg, aber die Lage der Stationen zueinander kennen, um zu wissen, wo er innerhalb des Röhrensystems umsteigen und aussteigen muss. Die ersten Karten des U-Bahn-Netzes waren noch Landkarten nachempfunden. Sie waren ein Abbild der tatsächlichen topographischen Gegebenheit. Das bedeutet, dass die Stationen im Stadtzentrum auf der Karte ebenso eng nebeneinander dargestellt wurden wie sie es in Wirklichkeit auch waren. An den Rändern hingegen lagen die Punkte, die die Stationen repräsentierten, weit auseinander. Der 1902 geborene Zeichner Harry Beck, ein Angestellter in der Signalabteilung von London Underground, war mit dieser Situation nicht zufrieden. Die topographische Genauigkeit der Karte war aus seiner Sicht für den Passagier unwichtig. Die entscheidende Information steckt vielmehr in der relativen Lage der einzelnen Stationen und ihrer Linien zueinander. Deshalb entwarf er 1933 in seiner Freizeit eine neue Karte. Er gab jeder U-Bahn-Linie einen überall gleich breiten Strich in einer eigenen Farbe. Die Linien verliefen auf einem Raster, das nur senkrechte, waagerechte und im 45-Grad-Winkel abgeknickte Wege erlaubte. Die einfachen Stationen waren nur kleine Querstriche auf den Linien. Die Stationen, in denen man umsteigen konnte, waren auf die Spitze gestellte Quadrate. Das war alles. Die Neuerung stieß bei der Firmenleitung auf Skepsis, und bei Becks Kollegen rief sie Hohn und Spott hervor. Das Ergebnis war ja keine Landkarte mehr, wie gewohnt, sondern vielmehr etwas technisch Sachliches wie der Schaltplan einer elektrischen Anlage. Probehalber wurden einige Exemplare des Entwurfs vervielfältigt und unter den Fahrgästen verteilt. Sie fanden überraschenderweise reißenden Absatz. Die weitere Bearbeitung des Plans wurde jedoch nicht Harry Beck, sondern der Marketingabteilung übertragen. Harry Beck kündigte 1947 und unterrichtete seither Design. Die Beliebtheit seines Entwurfs zeigt sich nicht nur daran, dass sich unzählige Zitate aus der Popkultur darauf beziehen. Sie diente auch den meisten anderen U-Bahn-Netzen auf der Welt als Vorlage. Und 2006 wurde die Karte in einer BBC-Sendung zum zweitbeliebtesten britischen Design des 20. Jahrhunderts gewählt. Auf Platz 1 landete übrigens die Concorde. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.