Gute Gestaltung ist auch im Design nicht immer das Wichtigste. Manchmal ist der blendend schöne Schein viel wichtiger. Diese Wahrheit haben Francesco Franceschi und Mario Baruzzi vor 12 Jahren für sich entdeckt, als sie in ihrem kleinem Mailänder Verlag Modo & Modo ein Notizbuch auf den Markt brachten, das sie Moleskine nannten. Es ist etwa DIN-A6-groß, also 9 Zentimeter breit und 14 Zentimeter hoch, hat einen schwarzen, festen Kartonumschlag, 192 Seiten, die durch eine Fadenheftung im Leim gehalten werden und ein Lesebändchen. Mit einem praktischen Gummiband lässt sich das Büchlein verschließen und rasch wieder öffnen. Dieser Typus Notizbuch ist allerdings nicht die Erfindung der beiden Verleger. Es ist ein jahrhundertealtes Allerweltsprodukt, wie es jeder ordentliche Buchbinder in jeder Stadt der westlichen Hemisphäre zu binden versteht. Moleskine ist der französische Fachbegriff für den gewachsten Baumwollstoff, aus dem die Umschlagseiten der ursprünglichen Notizbücher hergestellt wurden. Der Schriftsteller Bruce Chatwin zum Beispiel bezog seine am liebsten von einem Pariser Schreibwarenhändler, der sie wiederum in Tours kaufte. Kurz bevor dieser Hersteller 1986 nach dem Tod des Inhabers dichtmachte, soll sich Chatwin noch mit Dutzenden Notizbüchern aus den Restbeständen versorgt haben. Weil vorher niemand auf die Idee gekommen ist, aus diesem anonymen Alltagsgegenstand einen Markenartikel zu machen, war auch der Begriff Moleskine nicht als Markenname geschützt. Bis 1998 Francesco Franceschi und Mario Baruzzi genau diesen Gedanken in die Tat umsetzten. Ihr Clou bestand zum einen darin, dass sie erfolgreich den Eindruck erwecken konnten, Moleskine sei genau der Hersteller, dessen Erzeugnissen schon so geniale Köpfe wie Vincent van Gogh, Pablo Picasso, Ernest Hemingway und Gertrude Stein ihre Gedanken und Skizzen anvertraut hätten. Tatsächlich haben sie aber nur Notizbücher verwendet, die so ähnlich aussehen wie das heutige Moleskine. Zum anderen haben sie es verstanden, aus dem einfachen Produkt ein riesiges Sortiment zu entwickeln. Unzählige Varianten der Notizbücher bedienen heute das Bedürfnis, den privaten und beruflichen Alltag fein säuberlich festzuhalten, zu strukturieren und zu organisieren. Es gibt sie in kleinen, mittleren und großen Formaten, mit liniertem, kariertem oder blanko Papier, mit hartem oder weichem Einband. Damit werden Termine, Adressen, Kosten und Reisen penibel geplant – immer mit dem guten Gefühl, im Grunde ein genauso kreativ-chaotisches Leben zu führen wie die großen Maler und Schriftsteller der Vergangenheit. Auch wenn 2006 ein französischer Investmentfonds Moleskine für 60 Millionen Euro gekauft hat, der mittlerweile in China produzieren lässt, und die gewachste Baumwolle einem künstlichen Lederimitat gewichen ist: Wer einem Moleskine einmal als Reisebegleiter vertraut hat, bleibt dabei. Immer getreu dem Ausspruch Oscar Wildes, von dem überliefert ist, er reise niemals ohne sein Notizbuch, weil es notwendig sei, stets etwas Außergewöhnliches zu Lesen dabei zu haben. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [201]
Gute Gestaltung ist auch im Design nicht immer das Wichtigste. Manchmal ist der blendend schöne Schein viel wichtiger. Diese Wahrheit haben Francesco Franceschi und Mario Baruzzi vor 12 Jahren für sich entdeckt, als sie in ihrem kleinem Mailänder Verlag Modo & Modo ein Notizbuch auf den Markt brachten, das sie Moleskine nannten. Es ist etwa DIN-A6-groß, also 9 Zentimeter breit und 14 Zentimeter hoch, hat einen schwarzen, festen Kartonumschlag, 192 Seiten, die durch eine Fadenheftung im Leim gehalten werden und ein Lesebändchen. Mit einem praktischen Gummiband lässt sich das Büchlein verschließen und rasch wieder öffnen. Dieser Typus Notizbuch ist allerdings nicht die Erfindung der beiden Verleger. Es ist ein jahrhundertealtes Allerweltsprodukt, wie es jeder ordentliche Buchbinder in jeder Stadt der westlichen Hemisphäre zu binden versteht. Moleskine ist der französische Fachbegriff für den gewachsten Baumwollstoff, aus dem die Umschlagseiten der ursprünglichen Notizbücher hergestellt wurden. Der Schriftsteller Bruce Chatwin zum Beispiel bezog seine am liebsten von einem Pariser Schreibwarenhändler, der sie wiederum in Tours kaufte. Kurz bevor dieser Hersteller 1986 nach dem Tod des Inhabers dichtmachte, soll sich Chatwin noch mit Dutzenden Notizbüchern aus den Restbeständen versorgt haben. Weil vorher niemand auf die Idee gekommen ist, aus diesem anonymen Alltagsgegenstand einen Markenartikel zu machen, war auch der Begriff Moleskine nicht als Markenname geschützt. Bis 1998 Francesco Franceschi und Mario Baruzzi genau diesen Gedanken in die Tat umsetzten. Ihr Clou bestand zum einen darin, dass sie erfolgreich den Eindruck erwecken konnten, Moleskine sei genau der Hersteller, dessen Erzeugnissen schon so geniale Köpfe wie Vincent van Gogh, Pablo Picasso, Ernest Hemingway und Gertrude Stein ihre Gedanken und Skizzen anvertraut hätten. Tatsächlich haben sie aber nur Notizbücher verwendet, die so ähnlich aussehen wie das heutige Moleskine. Zum anderen haben sie es verstanden, aus dem einfachen Produkt ein riesiges Sortiment zu entwickeln. Unzählige Varianten der Notizbücher bedienen heute das Bedürfnis, den privaten und beruflichen Alltag fein säuberlich festzuhalten, zu strukturieren und zu organisieren. Es gibt sie in kleinen, mittleren und großen Formaten, mit liniertem, kariertem oder blanko Papier, mit hartem oder weichem Einband. Damit werden Termine, Adressen, Kosten und Reisen penibel geplant – immer mit dem guten Gefühl, im Grunde ein genauso kreativ-chaotisches Leben zu führen wie die großen Maler und Schriftsteller der Vergangenheit. Auch wenn 2006 ein französischer Investmentfonds Moleskine für 60 Millionen Euro gekauft hat, der mittlerweile in China produzieren lässt, und die gewachste Baumwolle einem künstlichen Lederimitat gewichen ist: Wer einem Moleskine einmal als Reisebegleiter vertraut hat, bleibt dabei. Immer getreu dem Ausspruch Oscar Wildes, von dem überliefert ist, er reise niemals ohne sein Notizbuch, weil es notwendig sei, stets etwas Außergewöhnliches zu Lesen dabei zu haben. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.