Der öffentliche Raum ist voll von Gestaltung, die einmal entwickelt und dann serienmäßig reproduziert wird. Oft bemerken wir dieses Public Design überhaupt nicht mehr, weil es uns so vertraut ist. Meist ist es ja auch nicht bemerkenswert, aber insbesondere bei der Gestaltung des Straßenverkehrs geht es darum, aufzufallen. Den Zebrastreifen zum Beispiel sollte man auf keinen Fall übersehen. Von Amts wegen gibt es in Deutschland keinen Zebrastreifen, es gibt im Behördendeutsch nur sogenannte »Querungsanlagen für Fußgänger, Rollstuhlfahrer und Begleittiere«. Dass der Fußgänger einen eigenen Bereich auf der Straße reserviert bekommt, wo er sicher von einer Seite zur anderen gelangen kann, weil der Autoverkehr warten muss, ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Seit der Patentierung des Motorwagens von Carl Benz 1886 vergingen mehr als 50 Jahre, bis etwa in England überhaupt das Fahren eines Autos mit dem Bestehen einer Führerscheinprüfung verbunden war. Seitdem Autos relativ kostengünstig in Serie gefertigt wurden, stiegen die Unfallzahlen rasant. Anfang der Dreißiger Jahre beklagte die englische Öffentlichkeit mehr als 7.000 Tote und mehr als 20.000 Verletzte pro Jahr als Opfer von Unfällen im Straßenverkehr – überwiegend Fußgänger. Aber erst als selbst Regierungsmitglieder und andere hochrangige Persönlichkeiten nur knapp einem Unfall beim Überqueren der Straße entgehen konnten, wurden Gesetze erlassen. An 20 Meilen pro Stunde Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften hielt sich keiner, dieses Limit wurde auf 30 Meilen erhöht. Aber die Kennzeichnung von Stellen, wo die Autos halten mussten, damit Fußgänger dort über die Straße gehen konnten, ohne um Leib und Leben zu fürchten, war von Anfang an ein Erfolg. Die erste Kennzeichnung erfolgte mit Hilfe von hohen Metallstangen, die in die Fahrbahn am Bürgersteig gesteckt wurden. 1934 sorgte der englische Verkehrsminister Leslie Hore-Belisha dafür, dass leuchtende Ballons auf die Stangen gesteckt wurden. Sie heißen in England seither Belisha-Beacons. Die Stangen wurden nach kurzer Zeit in gleichmäßigen breiten Abständen weiß angestrichen, um ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. Nach dem Zweiten Weltkrieg, 1949, wurde in England an 1.000 Stellen in einer Aktionswoche untersucht, was geschieht, wenn die Straßen zwischen den gestreiften Stangen ebenfalls mit Streifen bemalt wurden. Das Experiment ergab ganz einfach, dass sich die Sicherheit der Fußgänger erhöhte. Im gleichen Jahr wurden die Zebrastreifen Teil eines internationalen Abkommens zur Regulierung des Straßenverkehrs. Während England sie sofort gesetzlich verankerte, dauerte es in Deutschland noch bis 1953, bis die Streifen auch hier zum gesetzlich gestalteten Straßenbild gehörten. Fußgänger mussten dann immer noch 11 Jahre warten, bis sie 1964 die Macht hatten, an Zebrastreifen Autos zum Stehen zu bringen. Dann erst wurde es selbstverständlich, dass die Menschen in Ruhe über die Straße gehen konnten wie die Beatles am 8. August 1969 auf dem berühmtesten Zebrastreifen der Welt: London, Grove End Road, Ecke Abbey Road. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [260]
Der öffentliche Raum ist voll von Gestaltung, die einmal entwickelt und dann serienmäßig reproduziert wird. Oft bemerken wir dieses Public Design überhaupt nicht mehr, weil es uns so vertraut ist. Meist ist es ja auch nicht bemerkenswert, aber insbesondere bei der Gestaltung des Straßenverkehrs geht es darum, aufzufallen. Den Zebrastreifen zum Beispiel sollte man auf keinen Fall übersehen. Von Amts wegen gibt es in Deutschland keinen Zebrastreifen, es gibt im Behördendeutsch nur sogenannte »Querungsanlagen für Fußgänger, Rollstuhlfahrer und Begleittiere«. Dass der Fußgänger einen eigenen Bereich auf der Straße reserviert bekommt, wo er sicher von einer Seite zur anderen gelangen kann, weil der Autoverkehr warten muss, ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Seit der Patentierung des Motorwagens von Carl Benz 1886 vergingen mehr als 50 Jahre, bis etwa in England überhaupt das Fahren eines Autos mit dem Bestehen einer Führerscheinprüfung verbunden war. Seitdem Autos relativ kostengünstig in Serie gefertigt wurden, stiegen die Unfallzahlen rasant. Anfang der Dreißiger Jahre beklagte die englische Öffentlichkeit mehr als 7.000 Tote und mehr als 20.000 Verletzte pro Jahr als Opfer von Unfällen im Straßenverkehr – überwiegend Fußgänger. Aber erst als selbst Regierungsmitglieder und andere hochrangige Persönlichkeiten nur knapp einem Unfall beim Überqueren der Straße entgehen konnten, wurden Gesetze erlassen. An 20 Meilen pro Stunde Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften hielt sich keiner, dieses Limit wurde auf 30 Meilen erhöht. Aber die Kennzeichnung von Stellen, wo die Autos halten mussten, damit Fußgänger dort über die Straße gehen konnten, ohne um Leib und Leben zu fürchten, war von Anfang an ein Erfolg. Die erste Kennzeichnung erfolgte mit Hilfe von hohen Metallstangen, die in die Fahrbahn am Bürgersteig gesteckt wurden. 1934 sorgte der englische Verkehrsminister Leslie Hore-Belisha dafür, dass leuchtende Ballons auf die Stangen gesteckt wurden. Sie heißen in England seither Belisha-Beacons. Die Stangen wurden nach kurzer Zeit in gleichmäßigen breiten Abständen weiß angestrichen, um ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. Nach dem Zweiten Weltkrieg, 1949, wurde in England an 1.000 Stellen in einer Aktionswoche untersucht, was geschieht, wenn die Straßen zwischen den gestreiften Stangen ebenfalls mit Streifen bemalt wurden. Das Experiment ergab ganz einfach, dass sich die Sicherheit der Fußgänger erhöhte. Im gleichen Jahr wurden die Zebrastreifen Teil eines internationalen Abkommens zur Regulierung des Straßenverkehrs. Während England sie sofort gesetzlich verankerte, dauerte es in Deutschland noch bis 1953, bis die Streifen auch hier zum gesetzlich gestalteten Straßenbild gehörten. Fußgänger mussten dann immer noch 11 Jahre warten, bis sie 1964 die Macht hatten, an Zebrastreifen Autos zum Stehen zu bringen. Dann erst wurde es selbstverständlich, dass die Menschen in Ruhe über die Straße gehen konnten wie die Beatles am 8. August 1969 auf dem berühmtesten Zebrastreifen der Welt: London, Grove End Road, Ecke Abbey Road. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.