Zu dieser Publikation Seit Jahrzehnten gibt es sie schon: Geräte, die wie Drucker funktionieren – aber sie bedrucken kein Blatt Papier mit Tinte, sondern sie produzieren dreidimensionale Objekte. Jetzt werden Einsteigermodelle schon für wenige hundert Euro angeboten. Eine neue Szene ist entstanden, in der Kleinstserien von Vasen und Möbeln hervorgebracht werden. Aber auch Militär und Geheimdienste horchen auf, denn schon kursieren Berichte über die ersten Schusswaffen aus 3D-Druckern, ohne Seriennummer und unregistriert. 3D-Drucker sind eine technologische Entwicklung, die aus der Automobil- und Konsumgüterindustrie stammt. Das sogenannte Rapid Prototyping hat dort schon vor vielen Jahren die Modellbau-Werkstätten verdrängt. Feine Düsen spritzen Flüssigkeiten, die schnell hart werden. So wird Schicht für Schicht aufgetragen, bis das Objekt vollständig ausgedruckt ist. Je nachdem, welches Material verwendet wird, ergeben sich unterschiedliche Eigenschaften. So kann etwa ein Konditor mit flüssigem Zucker individuelle Dekorationen für seine Torten drucken. Eine andere Technologie arbeitet mit Lasern, die Pulver punktuell erhitzen; einmal ausgehärtet, wächst so Ebene für Ebene eine dreidimensionale Struktur im Pulverbett. Was bedeutet diese Innovation für Wirtschaft und Gesellschaft? Euphorische Stimmen sprechen von einer neuen, der dritten industriellen Revolution und prophezeien, dass wir uns nun – nach der Ära der Maschinisierung und Elektrifizierung (erste Revolution) und der Digitalisierung mit dem Personal Computer (zweite) – nun im beginnenden Zeitalter der persönlichen Fabrikation befinden. Jedermann habe nun das Zeug dazu, um sein eigener Fabrikant zu werden. Weitere Visionen beherrschen die Architekturdebatte: Nicht nur Entwürfe und Modelle könnten mit 3D-Druckern erzeugt werden, sondern ganze Häuser sollen damit gedruckt werden. In Südamerika soll 2014 das erste Gebäude mit dieser Technologie entstehen. Die technologische Avantgarde des MIT hat sich rasch an die Spitze der Entwicklung gesetzt. Schon seit 2002 betreibt das MIT ein sog. FabLab, eine Werkstatt, die jedermann offen steht und wo das Fabrizieren der nächsten Generation wie in einem Labor entwickelt wird. Hier stehen nicht nur die Geräte zur Verfügung, sondern das Wissen wird offen unter allen Interessierten und Beteiligten geteilt. An der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen wird das erste FabLab Deutschlands betrieben: Eine Mischung aus technischem Labor und experimenteller Fabrikationsstätte, das allen Interessierten offen steht. Es nennt sich »Werkstatt der Zukunft« und versprüht die Atmosphäre einer Community von Gleichgesinnten. Diese Stimmung ist typisch für die 3D-Druck-Szene, in der es um gemeinschaftlichen Austausch Gleichberechtigter jenseits kommerzieller Interessen geht. Diese Offenheit ist eine Grundhaltung der Szene: Open Source ist der bekannteste Begriff (bezogen auf Software, die von vielen Menschen unentgeltlich entwickelt und deren Ergebnisse kostenlos weitergegeben werden). Die internationale Designtheorie debattiert darüber unter dem englischen Schlagwort der gesellschaftspolitisch motivierten »Maker«, der Macher und Hervorbringer. »Maker« sind im Jargon der Szene die Menschen, die nicht mehr nur arbeitsteilig auf Gestaltung spezialisiert sind, sondern sämtliche Schritte ausführen – sozusagen de-industrialisierte Entwicklung, Gestaltung, Produktion und Vermarktung, aber nicht als Handwerker, sondern mit den Mitteln der digitalen Technologien. Allerdings gibt es auch bereits funktionierende Geschäftsmodelle, die mit 3D-Druck Geld verdienen. Bei einem Düsseldorfer Unternehmen in bester Innenstadtlage kann man sich mittels 3D-Druck hergestellte Figuren seiner selbst kaufen: Das Hochzeitspaar, die Familie, die Enkelkinder werden naturgetreu bis zu 35cm groß als Replik ausgedruckt. Welches Menschenbild haben wir heute von uns, wenn wir uns jetzt selbst als unser repliziertes Ego, als unsere eigene Heiligenfigur oder Narzissmus-Götzen maschinell produzieren? Wenn uns unser fotografisches oder gemaltes Abbild für den Schreibtisch nicht mehr genügt, sondern wir unsere Umgebung mit Mini-Me-Figuren bevölkern: Ist das eine neue Stufe auf dem Weg zur Idolisierung unserer eigenen Person?
Publikation # [360]