Es wird so viele übers Digitale gesprochen, über Facebook und Twitter und Industrie 4.0, dass der Eindruck entstehen könnte, wir lebten nur noch in virtuellen Daten-Welten. Als ob das Handgreifliche aus unserem Blickfeld geraten wären. Aber weil wir ja so viel Zeit online verbringen, wollen wir doch dabei bequem sitzen oder liegen.
Und spätestens, wenn Mitte Januar (wie jedes Jahr) die Kölner Möbelmesse IMM öffnet, wird wieder ganz offensichtlich, dass Tische, Stühle, Betten, Teppiche und Leuchten doch ziemlich viel Platz in unserem Leben einnehmen. Immerhin hat im letzten Jahr jeder Haushalt in Deutschland mehr als 800 Euro für neue Möbel ausgegeben. Im Durchschnitt. Es gibt nur wenige Nationen, denen das Einrichten ihres Zuhauses noch mehr wert ist.
Veränderung im aktuellen Design enthalten offenbar nur wenige Neuerungen. Wenn, dann sind liegen ihnen meist technische Anlässe zugrunde, vor allem neue Fertigungstechniken und neue Materialien. Die LED ist dafür ein unübersehbares Beispiel. Ästhetisch wirken die Antworten des Designs darauf leider überwiegend bemüht und verkrampft.
Da verwundert es nicht, dass die Quelle, aus der die meisten Veränderungen im Design derzeit hervorgehen, aus sentimentalen und nostalgischen Reflexen älterer Vorlagen bestehen. Genau genommen handelt es sich nur um Variationen. Als Trend wird jeweils eine andere Art der Collage angepriesen (z.B. Farben: mal Rottöne, dann Brauntöne, jetzt Blautöne).
Die Angebote, die beim Möbel das Digitale mit dem Holz oder Leder zusammenführen wollen, klingen erschütternd banal: Der »smarte« Sessel ist einer, dessen Sitzpositionen mit einer App gesteuert werden können.
Und der Ausweis digitalen Lebensstils schlechthin, das Selfie, hinterlässt deutliche Spuren bei den Vorschlägen der Industrie: Die Inszenierung des Raums durch Licht erfährt neue Aufmerksamkeit. Dabei geht es vordringlich nicht um die Gestaltung von Atmosphäre für wechselnde Nutzungen, sondern nur um ihr medial taugliches Bild, um das Vorgaukeln von Authentizität.
Dazu passt das Info-Häppchen, der Kerzenverbrauch sei in Deutschland derzeit so hoch wie nie, verbunden mit dem Deutungsangebot: Modern sei es, virtuell in der Welt unterwegs zu sein (Digital! Zukunft!), während man physisch bei Kerzenschein am Tisch säße (Vormodern! Geerdet!). In dieses Bild fügt sich die fortdauernde Trauer um die (verlorene) Glühlampe ein.
Alles in allem: Design im Groko-Modus. Scharf formulierte Profile als Ausweis eindeutiger Positionen sind Mangelware. Die vorherrschende Entwurfshaltung beruht anscheinend auf dem Wunsch, nirgendwo anzuecken. Rundum eine Stimmung gepflegter und angenehme Behaglichkeit. Selbst Fachleute können neue Entwürfe kaum mehr eindeutig ihren Herstellern zuordnen. Als Innovation wird etikettiert, was nichts anderes ist als eine Farb- oder Materialvariante des Etablierten.
Abschließend schon jetzt ein Blick ins nächste Jahr. Denn das Jubiläum zur 100-Jahr-Feier der Bauhaus-Gründung wirft bereits seine Schatten voraus. Möbel brauchen anscheinend Geschichte – und keine Zukunft mehr. Kein Sortiment ohne Story. Kaum ein Unternehmen ohne Hinweis auf seine Herkunft oder ein nahes Jubiläum. Die Zukunft ist aus dem Blick geraten. Als Legitimation der Gegenwart dient allein die Tradition (»Klassiker«, »Kult«, »Ikone«). Wir nähern uns in unseren Vorlieben dem vormodernen Feudalismus an.
Wenn Sie dazu mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
imm Cologne 2018: Design im Groko-Modus
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180116_ReneSpitz_Designkritik_WDR5-Scala_immCologne
Es wird so viele übers Digitale gesprochen, über Facebook und Twitter und Industrie 4.0, dass der Eindruck entstehen könnte, wir lebten nur noch in virtuellen Daten-Welten. Als ob das Handgreifliche aus unserem Blickfeld geraten wären. Aber weil wir ja so viel Zeit online verbringen, wollen wir doch dabei bequem sitzen oder liegen.
Und spätestens, wenn Mitte Januar (wie jedes Jahr) die Kölner Möbelmesse IMM öffnet, wird wieder ganz offensichtlich, dass Tische, Stühle, Betten, Teppiche und Leuchten doch ziemlich viel Platz in unserem Leben einnehmen. Immerhin hat im letzten Jahr jeder Haushalt in Deutschland mehr als 800 Euro für neue Möbel ausgegeben. Im Durchschnitt. Es gibt nur wenige Nationen, denen das Einrichten ihres Zuhauses noch mehr wert ist.
Veränderung im aktuellen Design enthalten offenbar nur wenige Neuerungen. Wenn, dann sind liegen ihnen meist technische Anlässe zugrunde, vor allem neue Fertigungstechniken und neue Materialien. Die LED ist dafür ein unübersehbares Beispiel. Ästhetisch wirken die Antworten des Designs darauf leider überwiegend bemüht und verkrampft.
Da verwundert es nicht, dass die Quelle, aus der die meisten Veränderungen im Design derzeit hervorgehen, aus sentimentalen und nostalgischen Reflexen älterer Vorlagen bestehen. Genau genommen handelt es sich nur um Variationen. Als Trend wird jeweils eine andere Art der Collage angepriesen (z.B. Farben: mal Rottöne, dann Brauntöne, jetzt Blautöne).
Die Angebote, die beim Möbel das Digitale mit dem Holz oder Leder zusammenführen wollen, klingen erschütternd banal: Der »smarte« Sessel ist einer, dessen Sitzpositionen mit einer App gesteuert werden können.
Und der Ausweis digitalen Lebensstils schlechthin, das Selfie, hinterlässt deutliche Spuren bei den Vorschlägen der Industrie: Die Inszenierung des Raums durch Licht erfährt neue Aufmerksamkeit. Dabei geht es vordringlich nicht um die Gestaltung von Atmosphäre für wechselnde Nutzungen, sondern nur um ihr medial taugliches Bild, um das Vorgaukeln von Authentizität.
Dazu passt das Info-Häppchen, der Kerzenverbrauch sei in Deutschland derzeit so hoch wie nie, verbunden mit dem Deutungsangebot: Modern sei es, virtuell in der Welt unterwegs zu sein (Digital! Zukunft!), während man physisch bei Kerzenschein am Tisch säße (Vormodern! Geerdet!). In dieses Bild fügt sich die fortdauernde Trauer um die (verlorene) Glühlampe ein.
Alles in allem: Design im Groko-Modus. Scharf formulierte Profile als Ausweis eindeutiger Positionen sind Mangelware. Die vorherrschende Entwurfshaltung beruht anscheinend auf dem Wunsch, nirgendwo anzuecken. Rundum eine Stimmung gepflegter und angenehme Behaglichkeit. Selbst Fachleute können neue Entwürfe kaum mehr eindeutig ihren Herstellern zuordnen. Als Innovation wird etikettiert, was nichts anderes ist als eine Farb- oder Materialvariante des Etablierten.
Abschließend schon jetzt ein Blick ins nächste Jahr. Denn das Jubiläum zur 100-Jahr-Feier der Bauhaus-Gründung wirft bereits seine Schatten voraus. Möbel brauchen anscheinend Geschichte – und keine Zukunft mehr. Kein Sortiment ohne Story. Kaum ein Unternehmen ohne Hinweis auf seine Herkunft oder ein nahes Jubiläum. Die Zukunft ist aus dem Blick geraten. Als Legitimation der Gegenwart dient allein die Tradition (»Klassiker«, »Kult«, »Ikone«). Wir nähern uns in unseren Vorlieben dem vormodernen Feudalismus an.
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