Peter Behrens im MAKK: Zum 150. Geburtstag zwischen Teekesselchen und lächelnder Kaffeekanne
16. März 2018
Vielleicht wird in 100 Jahren unsere gegenwärtige Diskussion über die Rolle von Algorithmen im Design so betrachtet, wie wir den vor 100 Jahren geführten Typenstreit sehen. Mit Typenstreit ist die Auseinandersetzung über die Frage gemeint, ob Gestalter für die Industrie Typen entwerfen sollten, um diese als Serienprodukte auf Lager herzustellen, oder ob ihre Aufgabe in der individuellen Maßanfertigung auf höchstem, gesamtkünstlerischen Niveau zu sehen sei. Einerseits die Massenproduktion mit universalem Anspruch, andererseits das einzelne Werk, das wie seit Jahrhunderten nach einem Muster angefertigt wird.
Dieser Typenstreit wurde auf der Tagung des Deutschen Werkbunds in Köln 1914 von den beiden Antagonisten Hermann Muthesius und Henry van de Velde zwar vorgetragen, aber nicht abschließend ausgetragen. Peter Behrens hat sich dazu bei dieser Gelegenheit bekanntlich nicht geäußert. Sein Werk sprach da schon Bände: Seit 1907 war er bei der AEG für die Antworten auf sämtliche gestalterischen Fragen verantwortlich, vom Briefbogen bis zur Fabrik.
Es wird oft und zurecht gesagt: Peter Behrens war der erste, der ein Corporate Design im späteren Sinn der 1960er Jahre für ein großes Industrieunternehmen realisierte. Zugleich wird leider oft vergessen, den Maßstab der Modernität seines Handelns zu erwähnen: Die AEG war das, was gegenwärtig Google und Apple zusammen sind, also das vollständig neue Phänomen eines Konzerns, welcher nicht nur elektrischen Strom produziert, sondern auch die stromverbrauchenden Produkte auf den Markt brachte, vom Wasserkocher bis zur Straßenbeleuchtung. Ersetzen wir »Strom« durch »Daten« und »Werkbund« durch »TED«, dann befinden wir uns in der Gegenwart.
Wie nur wenige Gestalter verkörpert Peter Behrens die rasante Veränderung der Moderne zur Jahrhundertwende, vom Ende des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Das Museum für Angewandte Kunst MAKK wirft nun unter dem Titel #alleskönner einen scharfen, präzisen Blick auf diese Entwicklung. Zugleich erfordert die Ausstellung den genauen Blick des Betrachters. Im Vorbeigehen bleibt nicht viel hängen, wer sich aber ein wenig Zeit nimmt und den 221 Exponaten etwas Aufmerksamkeit schenkt, wird belohnt.
Es wird zum einen nachvollziehbar, mit welcher Könnerschaft der Autodidakt Behrens sämtliche gestalterischen Ausdrucksformen beherrschte, von der Visitenkarte bis zur Rheinbrücke. Zum anderen erschließt sich auch seine stilistische Entwicklung, vom frühen Gemälde, das impressionistisch anmutet, über Spielarten des Jugendstil bis zu Formen, die von euklidischer Elementargeometrie (rechter Winkel, Kreis und Quadrat) dominiert sind.
Besonders deutlich wird dies an den beiden Musikinstrumenten, die zu den Höhepunkten der Ausstellung zählen. Der Salonflügel aus dem grau-blauen Musikzimmer von Behrens’ Haus auf der Darmstädter Mathildenhöhe von 1900 wird verziert durch Motive (Strahlen, Adlerschwingen, Diamant), die als sog. Zarathustra-Stil auf die Verehrung Nietzsches und seiner Verherrlichung des Strebens nach Perfektion verweisen – wir nennen es heute: Selbst-Optimierung. Und dann ein Klavier, das 1905 für das Berliner Luxuskaufhaus Wertheim hergestellt wurde, dessen Korpus völlig orthogonal ausgeführt ist und dessen Oberfläche nur noch von wenigen geometrischen Mustern strukturiert wird (man traut sich kaum, es Dekoration zu nennen).
Als Ehrenfelder freue ich mich über die vielen Gläser aus der Rheinischen Glashütte, die in Ehrenfeld stand (heute ein Kölner Stadtteil, damals vor den Toren der Stadt). Sie repräsentieren die Phase, als Behrens z.B. unter dem Thema des gedeckten Tischs sein Ideal eines Gesamtkunstwerks in Entwürfe von Mustern übersetzte, die das Kaufhaus Wertheim seiner gehobenen Kundschaft zur Bestellung zeigte: Serviette und Tischdecke, Geschirr und Besteck, Tisch und Stuhl, Kerzenleuchter und Wandbespannung. Doch bei allem Respekt für die Raffinesse des Geschmacks und der Ausführung: Die lächelnde Kaffeekanne von Kaiser’s (1914) ist mir sympathischer.
#alleskönner. Peter Behrens zum 150. Geburtstag Museum für Angewandte Kunst Köln MAKK 17. März bis 1. Juli 2018
Peter Behrens im MAKK: Zum 150. Geburtstag zwischen Teekesselchen und lächelnder Kaffeekanne
Vielleicht wird in 100 Jahren unsere gegenwärtige Diskussion über die Rolle von Algorithmen im Design so betrachtet, wie wir den vor 100 Jahren geführten Typenstreit sehen. Mit Typenstreit ist die Auseinandersetzung über die Frage gemeint, ob Gestalter für die Industrie Typen entwerfen sollten, um diese als Serienprodukte auf Lager herzustellen, oder ob ihre Aufgabe in der individuellen Maßanfertigung auf höchstem, gesamtkünstlerischen Niveau zu sehen sei. Einerseits die Massenproduktion mit universalem Anspruch, andererseits das einzelne Werk, das wie seit Jahrhunderten nach einem Muster angefertigt wird.
Dieser Typenstreit wurde auf der Tagung des Deutschen Werkbunds in Köln 1914 von den beiden Antagonisten Hermann Muthesius und Henry van de Velde zwar vorgetragen, aber nicht abschließend ausgetragen. Peter Behrens hat sich dazu bei dieser Gelegenheit bekanntlich nicht geäußert. Sein Werk sprach da schon Bände: Seit 1907 war er bei der AEG für die Antworten auf sämtliche gestalterischen Fragen verantwortlich, vom Briefbogen bis zur Fabrik.
Es wird oft und zurecht gesagt: Peter Behrens war der erste, der ein Corporate Design im späteren Sinn der 1960er Jahre für ein großes Industrieunternehmen realisierte. Zugleich wird leider oft vergessen, den Maßstab der Modernität seines Handelns zu erwähnen: Die AEG war das, was gegenwärtig Google und Apple zusammen sind, also das vollständig neue Phänomen eines Konzerns, welcher nicht nur elektrischen Strom produziert, sondern auch die stromverbrauchenden Produkte auf den Markt brachte, vom Wasserkocher bis zur Straßenbeleuchtung. Ersetzen wir »Strom« durch »Daten« und »Werkbund« durch »TED«, dann befinden wir uns in der Gegenwart.
Wie nur wenige Gestalter verkörpert Peter Behrens die rasante Veränderung der Moderne zur Jahrhundertwende, vom Ende des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Das Museum für Angewandte Kunst MAKK wirft nun unter dem Titel #alleskönner einen scharfen, präzisen Blick auf diese Entwicklung. Zugleich erfordert die Ausstellung den genauen Blick des Betrachters. Im Vorbeigehen bleibt nicht viel hängen, wer sich aber ein wenig Zeit nimmt und den 221 Exponaten etwas Aufmerksamkeit schenkt, wird belohnt.
Es wird zum einen nachvollziehbar, mit welcher Könnerschaft der Autodidakt Behrens sämtliche gestalterischen Ausdrucksformen beherrschte, von der Visitenkarte bis zur Rheinbrücke. Zum anderen erschließt sich auch seine stilistische Entwicklung, vom frühen Gemälde, das impressionistisch anmutet, über Spielarten des Jugendstil bis zu Formen, die von euklidischer Elementargeometrie (rechter Winkel, Kreis und Quadrat) dominiert sind.
Besonders deutlich wird dies an den beiden Musikinstrumenten, die zu den Höhepunkten der Ausstellung zählen. Der Salonflügel aus dem grau-blauen Musikzimmer von Behrens’ Haus auf der Darmstädter Mathildenhöhe von 1900 wird verziert durch Motive (Strahlen, Adlerschwingen, Diamant), die als sog. Zarathustra-Stil auf die Verehrung Nietzsches und seiner Verherrlichung des Strebens nach Perfektion verweisen – wir nennen es heute: Selbst-Optimierung. Und dann ein Klavier, das 1905 für das Berliner Luxuskaufhaus Wertheim hergestellt wurde, dessen Korpus völlig orthogonal ausgeführt ist und dessen Oberfläche nur noch von wenigen geometrischen Mustern strukturiert wird (man traut sich kaum, es Dekoration zu nennen).
Als Ehrenfelder freue ich mich über die vielen Gläser aus der Rheinischen Glashütte, die in Ehrenfeld stand (heute ein Kölner Stadtteil, damals vor den Toren der Stadt). Sie repräsentieren die Phase, als Behrens z.B. unter dem Thema des gedeckten Tischs sein Ideal eines Gesamtkunstwerks in Entwürfe von Mustern übersetzte, die das Kaufhaus Wertheim seiner gehobenen Kundschaft zur Bestellung zeigte: Serviette und Tischdecke, Geschirr und Besteck, Tisch und Stuhl, Kerzenleuchter und Wandbespannung. Doch bei allem Respekt für die Raffinesse des Geschmacks und der Ausführung: Die lächelnde Kaffeekanne von Kaiser’s (1914) ist mir sympathischer.
#alleskönner. Peter Behrens zum 150. Geburtstag
Museum für Angewandte Kunst Köln MAKK
17. März bis 1. Juli 2018
www.makk.de
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