Die Zukunft der Designlehre/The Future of Design Education: 1. Hearing der iF Design Foundation in Gmund
13. März 2019
Foto: Gisela Schenker, Copyright: iF Design Foundation
Wie sieht in Zukunft die Berufspraxis im Design aus? Was müssen Designer wissen und können, um erfolgreich zu sein? Welche Ausbildung brauchen sie dafür? Und was bedeutet das für die Hochschulen, damit sie ihnen diese Ausbildung ermöglichen können?
Diese Fragen zur Zukunft der Designausbildung standen im Mittelpunkt des ersten Hearings der iF Design Foundation vom 13. bis 15. März 2019. Dazu waren 30 Personen aus dem deutschsprachigen Raum eingeladen, ihre Beurteilungen und Erfahrungen auszutauschen. Dabei handelte es sich um eine Mischung von Akteuren aus der Wirtschaft, Lehre und Forschung.
Das Ziel dieser Veranstaltung bestand darin, unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen zu lassen und eine Plattform dafür zu bieten, die jeweiligen Argumente zu diskutieren. Diesem Ziel entsprach das Format eines Hearings: Es wurden keine Vorträge gehalten, sondern in unterschiedlichen Konstellationen Diskussionsräume geschaffen.
Kernaussagen und Themen
Die eingeladenen Akteure sind sich darin einig, dass sich die Berufspraxis im Design in Zukunft substanziell von der herkömmlichen Praxis unterscheiden wird.
Die Veränderung betrifft nicht die Grundlage der designerischen Praxis. Dazu zählen Einstellungen und Haltungen (z.B. Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung, kritische Reflexion), Werte und Ziele (z.B. Humanität, Diversität, Nachhaltigkeit, Kreativität, Interdisziplinarität bzw. Transdisziplinarität, Streben nach Verbesserung, Förderung der Persönlichkeitsbildung, Umgang mit zunehmender Ungewissheit und Komplexität). All diese Elemente zählen zum Ethos des Designs, seit sich diese Praxis vor 150 Jahren in den westlichen Industriegesellschaften etabliert hat. Im übrigen teilt das Design dieses mit allen anderen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Praxen.
Ganz anders verhält es sich bei den konkreten Ausprägungen der designerischen Praxis, die sie von anderen Tätigkeiten signifikant unterscheidet. Hier haben die Veränderungen schon längst die Konsequenzen für den beruflichen Alltag erfasst. Die Digitalisierung stellt den zentralen Antriebsfaktor für die umfassende Veränderung dar. Dieser Wandel wird in naher Zukunft noch erheblich stärker ausfallen. Er betrifft insbesondere das spezifische Wissen und Können, das für die erfolgreiche Ausübung der Berufstätigkeit notwendig sein wird. An diesem Punkt wurden die Diskussionen der Hearings-Teilnehmer vertieft geführt, weil hier unterschiedliche Standpunkte zum Ausdruck gebracht wurden, z.B.:
Ob gestalterische Grundlagen sind für die Aufnahme eines Designstudiums vorauszusetzen sind.
Welche Grundlagen zu Beginn des Studiums vermittelt werden sollen. Auf der einen Seite wurde für die Bedeutung von traditionellen, in der Kunst und dem Handwerk verwurzelte Fertigkeiten und Erfahrungen plädiert. Auf der anderen Seite wurde dafür geworben, solche unmittelbaren Grundlagen nicht allgemein propädeutisch, sondern erst dann zu vermitteln, sobald der Bedarf dafür anhand eines konkreten Anlasses entsteht.
Die Rolle des Analogen bzw. Handwerklichen, und welche Rolle das Digitale in der Ausbildung einnimmt. Es wurde auf die Gefahr der Überfrachtung des Studiums hingewiesen, wenn Designer z.B. analoge Produktionstechniken kennen oder sogar beherrschen müssen, indem sie in Werkstätten (Druck, Gips, Metall, Holz, etc.) trainiert werden, und gleichzeitig auch programmieren lernen sollten.
Der Anteil, den Themen aus der Designtheorie und -geschichte, der Forschung, Kritik und Selbstreflexion sowie der verbalen Ausdrucksfähigkeit in der Ausbildung einnehmen sollen.
Inwiefern das Politische im Design in der Vergangenheit aus dem Fokus geraten ist und in welchem Ausmaß das Design re-politisiert werden muss.
Welchen Anteil Kenntnisse in naturwissenschaftlichen Themen (Biologie, Physik, Chemie, etc.) in der Ausbildung erhalten sollen.
Welche sozialen und kommunikativen Kompetenzen dafür erforderlich sind, dass die interkulturelle Zusammenarbeit in zunehmend internationalen, interdisziplinären und hierarchie-übergreifenden Projekten gelingt.
Wie das Selbstbewusstsein der Designer gestärkt werden kann. Und wie es gelingt, Wirtschaft und Gesellschaft besser zu vermitteln, dass es im Design nicht um oberflächliche Verschönerungen, sondern um die Bearbeitung komplexer Probleme und die Entwicklung neuer Fragestellungen geht.
Welchen Raum die Hochschulen für die freie Aneignung, Entfaltung und Auseinandersetzung bieten, und welchen Raum die Hochschulen dafür von der Gesellschaft erhalten.
Einigkeit herrscht bei der Beschreibung der designerischen Praxis als Zusammenwirken von Denken und Entwerfen; als Integration von mentalen und körperlichen, iterativen Entwicklungsprozessen. Das Sprachbild von der »denkenden Hand« erscheint hierfür treffend. Damit wird an den internationalen Diskurs angeknüpft, der unter dem Titel »thinking with hands« geführt wird und dessen Wurzeln sich bis auf die kunsttheoretischen Ideen in der Renaissance rund um den Begriff »disegno« zurück verfolgen lassen. Für die Praxis im Design ist danach die frühzeitige Hervorbringung von gestalterischen Anschauungsmaterial bzw. Prototypen, z.B. in der Form von Skizzen, Experimenten oder Modellen, kennzeichnend. Die Teilnehmer schlagen dafür den Begriff der »Visionierung« vor.
Ausgangspunkt des Hearings
Als Ausgangspunkt des Hearings diente eine internationale Studie der iF Design Foundation zur Zukunft der Designausbildung, die auf der systematischen Auswertung von schriftlichen Quellen und 150 weltweit geführten Interviews beruht. Die Erkenntnisse dieser Studie haben zu 80 Fragen formuliert. Sie werden den Teilnehmern von mehreren regionalen Hearings gestellt, um die Studienerkenntnisse auf die Unterschiede der jeweiligen regionalen Kontext zu beziehen.
Die nächsten Schritte
Nach dem Auftakt-Hearing für Akteure aus dem deutschsprachigen Raum folgen 2019 und 2020 Hearings in Europa, Nordamerika, Südamerika, Afrika und Asien. Die gesammelten Erkenntnisse werden 2021 auf einer globalen Konferenz als Weißbuch präsentiert und der Bundesregierung, den Kultusministerien der Länder sowie allen Interessierten zur Verfügung gestellt.
Weitere Informationen dazu finden sich auf der Website der iF Design Foundation: www.ifworlddesignguide.com
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Wenn Sie dazu mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Die Zukunft der Designlehre/The Future of Design Education: 1. Hearing der iF Design Foundation in Gmund
Foto: Gisela Schenker, Copyright: iF Design Foundation
Wie sieht in Zukunft die Berufspraxis im Design aus? Was müssen Designer wissen und können, um erfolgreich zu sein? Welche Ausbildung brauchen sie dafür? Und was bedeutet das für die Hochschulen, damit sie ihnen diese Ausbildung ermöglichen können?
Diese Fragen zur Zukunft der Designausbildung standen im Mittelpunkt des ersten Hearings der iF Design Foundation vom 13. bis 15. März 2019. Dazu waren 30 Personen aus dem deutschsprachigen Raum eingeladen, ihre Beurteilungen und Erfahrungen auszutauschen. Dabei handelte es sich um eine Mischung von Akteuren aus der Wirtschaft, Lehre und Forschung.
Das Ziel dieser Veranstaltung bestand darin, unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen zu lassen und eine Plattform dafür zu bieten, die jeweiligen Argumente zu diskutieren. Diesem Ziel entsprach das Format eines Hearings: Es wurden keine Vorträge gehalten, sondern in unterschiedlichen Konstellationen Diskussionsräume geschaffen.
Kernaussagen und Themen
Die eingeladenen Akteure sind sich darin einig, dass sich die Berufspraxis im Design in Zukunft substanziell von der herkömmlichen Praxis unterscheiden wird.
Die Veränderung betrifft nicht die Grundlage der designerischen Praxis. Dazu zählen Einstellungen und Haltungen (z.B. Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung, kritische Reflexion), Werte und Ziele (z.B. Humanität, Diversität, Nachhaltigkeit, Kreativität, Interdisziplinarität bzw. Transdisziplinarität, Streben nach Verbesserung, Förderung der Persönlichkeitsbildung, Umgang mit zunehmender Ungewissheit und Komplexität). All diese Elemente zählen zum Ethos des Designs, seit sich diese Praxis vor 150 Jahren in den westlichen Industriegesellschaften etabliert hat. Im übrigen teilt das Design dieses mit allen anderen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Praxen.
Ganz anders verhält es sich bei den konkreten Ausprägungen der designerischen Praxis, die sie von anderen Tätigkeiten signifikant unterscheidet. Hier haben die Veränderungen schon längst die Konsequenzen für den beruflichen Alltag erfasst. Die Digitalisierung stellt den zentralen Antriebsfaktor für die umfassende Veränderung dar. Dieser Wandel wird in naher Zukunft noch erheblich stärker ausfallen. Er betrifft insbesondere das spezifische Wissen und Können, das für die erfolgreiche Ausübung der Berufstätigkeit notwendig sein wird. An diesem Punkt wurden die Diskussionen der Hearings-Teilnehmer vertieft geführt, weil hier unterschiedliche Standpunkte zum Ausdruck gebracht wurden, z.B.:
Einigkeit herrscht bei der Beschreibung der designerischen Praxis als Zusammenwirken von Denken und Entwerfen; als Integration von mentalen und körperlichen, iterativen Entwicklungsprozessen. Das Sprachbild von der »denkenden Hand« erscheint hierfür treffend. Damit wird an den internationalen Diskurs angeknüpft, der unter dem Titel »thinking with hands« geführt wird und dessen Wurzeln sich bis auf die kunsttheoretischen Ideen in der Renaissance rund um den Begriff »disegno« zurück verfolgen lassen. Für die Praxis im Design ist danach die frühzeitige Hervorbringung von gestalterischen Anschauungsmaterial bzw. Prototypen, z.B. in der Form von Skizzen, Experimenten oder Modellen, kennzeichnend. Die Teilnehmer schlagen dafür den Begriff der »Visionierung« vor.
Ausgangspunkt des Hearings
Als Ausgangspunkt des Hearings diente eine internationale Studie der iF Design Foundation zur Zukunft der Designausbildung, die auf der systematischen Auswertung von schriftlichen Quellen und 150 weltweit geführten Interviews beruht. Die Erkenntnisse dieser Studie haben zu 80 Fragen formuliert. Sie werden den Teilnehmern von mehreren regionalen Hearings gestellt, um die Studienerkenntnisse auf die Unterschiede der jeweiligen regionalen Kontext zu beziehen.
Die nächsten Schritte
Nach dem Auftakt-Hearing für Akteure aus dem deutschsprachigen Raum folgen 2019 und 2020 Hearings in Europa, Nordamerika, Südamerika, Afrika und Asien. Die gesammelten Erkenntnisse werden 2021 auf einer globalen Konferenz als Weißbuch präsentiert und der Bundesregierung, den Kultusministerien der Länder sowie allen Interessierten zur Verfügung gestellt.
Weitere Informationen dazu finden sich auf der Website der iF Design Foundation: www.ifworlddesignguide.com
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Wenn Sie dazu mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.