Im Alltag wie im Design sprechen wir ständig aneinander vorbei. Dass menschliche Kommunikation überhaupt gelingt, erscheint manchen Philosophen sogar als unwahrscheinlich. Vielleicht sollten wir das Reden den Maschinen überlassen, meint René Spitz. Veröffentlichung als Kolumne »Spot on Design« in md 3/2020.
Die Abbildung stammt von Geert Spekken, der sein wunderbares künstlerisches Projekt zur Dekonstruktion der Alltagsgegenstände veröffentlicht: https://www.deconstructionart.com/
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Ich liebe Künstliche Intelligenz (KI). Natürlich nicht in dem Sinn, dass ich KI heiraten und mit ihr Kinder haben möchte. Aber was heißt schon natürlich, wenn es um Intelligenz geht?
Und so abwegig ist der Gedanke an die große Liebe auch nicht. Denn immer wieder machen Berichte von Menschen die Runde, die sich auf Online-Partnerbörsen in Profile von Chat-Bots verliebt haben. Und das ist genau mein Ding: Chat-Bots.
Ich bekenne, ich stehe auf diese Form des automatisierten, maschinellen Informationsaustauschs. Und ich bin davon überzeugt, dass gerade Designerinnen und Designer irrsinnig von Chat-Bots profitieren, sobald sie sich damit beschäftigen. Warum? Weil man beim Programmieren viel über die Mehrdeutigkeiten des menschlichen Ausdrucks lernt. Dabei wird rasch bewusst, dass eine Ambiguität wie bei »irrsinnig« das Einfallstor für die verrücktesten Missverständnisse sein kann.
Unsere Sprache ist alles andere als eindeutig. Der Reichtum unseres verbalen Austauschs beruht auf der Fähigkeit, mit einem Begriff mehrere Bedeutungen zu verknüpfen. Das selbe Wort kann Anerkennung und Beschimpfung bedeuten, je nach Zusammenhang (z.B. im Bayrischen die »Sau«). Wir können die Abstraktionshöhe des Gemeinten unendlich erweitern (die berüchtigten Meta-Ebenen im philosophischen Diskurs). Auch unauflösbare Widersprüche (»Jeder Designer ist ein Lügner, sagt der Designer.«) bringen wir problemlos zur Sprache, ohne dass wir uns deswegen unendlich in einem logischen Zirkel des Wahnsinns verfangen. Diese Merkmale der menschlichen Sprache sind für uns wichtig, wenn wir soziale Konversation pflegen wollen.
Geht es aber um interaktionale Konversation, dann sind Wortspiele, Metaphern und Ironie die Pest. Mit Interaktion ist gemeint: Ich (= Mensch) begebe mich in den Austausch mit Dir (= Bot), damit etwas Praktisches, etwas eindeutig Benennbares erledigt wird. Ich möchte wissen, wie das Wetter morgen wird. Ich benötige eine fachliche Auskunft. Ich will ein Hotelzimmer reservieren.
Für diese Form des verbalen Austauschs sind Bots der Hammer. Wenn sie passend gestaltet sind, erleichtern sie meinen Alltag erheblich. Verstehe ich z.B. etwas bei einer Software nicht, dann spiele ich liebend gerne verbales Ping-Pong mit einem Bot, anstatt ewig lang in telefonischen Warteschleifen zu hängen und den gleichen Sachverhalt nacheinander drei verschiedenen Personen zu schildern. Ein hilfreicher Bot ist für mich eine großartige Bereicherung der Servicequalität.
Solch ein Bot setzt voraus, dass das Unternehmen vorher aufmerksam zugehört und daraus die richtigen Schlüsse gezogen hat. Nun wird jedes Unternehmen genau das von sich behaupten. Aber die Einrichtung eines Bots bildet die Feuerprobe. Ist es gelungen, die Rolle zu tauschen und die Perspektive der Menschen einzunehmen? Wurden ihre Anliegen wirklich verstanden? Sind ihre Interessen nachvollziehbar? Und wird darauf nicht nur mit sachlicher, sondern auch mit emotionaler Intelligenz geantwortet – sprich: mit Humor und Charme? Das klingt erneut wie ein Paradoxon, aber ich freue mich jedes Mal tierisch, wenn der Chat mit einem Bot nicht nur fix und effizient abläuft, sondern zwischendurch auch Prisen von Ironie eingestreut sind. Dann steckt hinter dem Algorithmus der künstlichen doch noch eine menschliche Intelligenz.
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Wenn Sie dazu mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Spot on Design: Design spricht Maschine
Im Alltag wie im Design sprechen wir ständig aneinander vorbei. Dass menschliche Kommunikation überhaupt gelingt, erscheint manchen Philosophen sogar als unwahrscheinlich. Vielleicht sollten wir das Reden den Maschinen überlassen, meint René Spitz. Veröffentlichung als Kolumne »Spot on Design« in md 3/2020.
Die Abbildung stammt von Geert Spekken, der sein wunderbares künstlerisches Projekt zur Dekonstruktion der Alltagsgegenstände veröffentlicht: https://www.deconstructionart.com/
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Ich liebe Künstliche Intelligenz (KI). Natürlich nicht in dem Sinn, dass ich KI heiraten und mit ihr Kinder haben möchte. Aber was heißt schon natürlich, wenn es um Intelligenz geht?
Und so abwegig ist der Gedanke an die große Liebe auch nicht. Denn immer wieder machen Berichte von Menschen die Runde, die sich auf Online-Partnerbörsen in Profile von Chat-Bots verliebt haben. Und das ist genau mein Ding: Chat-Bots.
Ich bekenne, ich stehe auf diese Form des automatisierten, maschinellen Informationsaustauschs. Und ich bin davon überzeugt, dass gerade Designerinnen und Designer irrsinnig von Chat-Bots profitieren, sobald sie sich damit beschäftigen. Warum? Weil man beim Programmieren viel über die Mehrdeutigkeiten des menschlichen Ausdrucks lernt. Dabei wird rasch bewusst, dass eine Ambiguität wie bei »irrsinnig« das Einfallstor für die verrücktesten Missverständnisse sein kann.
Unsere Sprache ist alles andere als eindeutig. Der Reichtum unseres verbalen Austauschs beruht auf der Fähigkeit, mit einem Begriff mehrere Bedeutungen zu verknüpfen. Das selbe Wort kann Anerkennung und Beschimpfung bedeuten, je nach Zusammenhang (z.B. im Bayrischen die »Sau«). Wir können die Abstraktionshöhe des Gemeinten unendlich erweitern (die berüchtigten Meta-Ebenen im philosophischen Diskurs). Auch unauflösbare Widersprüche (»Jeder Designer ist ein Lügner, sagt der Designer.«) bringen wir problemlos zur Sprache, ohne dass wir uns deswegen unendlich in einem logischen Zirkel des Wahnsinns verfangen. Diese Merkmale der menschlichen Sprache sind für uns wichtig, wenn wir soziale Konversation pflegen wollen.
Geht es aber um interaktionale Konversation, dann sind Wortspiele, Metaphern und Ironie die Pest. Mit Interaktion ist gemeint: Ich (= Mensch) begebe mich in den Austausch mit Dir (= Bot), damit etwas Praktisches, etwas eindeutig Benennbares erledigt wird. Ich möchte wissen, wie das Wetter morgen wird. Ich benötige eine fachliche Auskunft. Ich will ein Hotelzimmer reservieren.
Für diese Form des verbalen Austauschs sind Bots der Hammer. Wenn sie passend gestaltet sind, erleichtern sie meinen Alltag erheblich. Verstehe ich z.B. etwas bei einer Software nicht, dann spiele ich liebend gerne verbales Ping-Pong mit einem Bot, anstatt ewig lang in telefonischen Warteschleifen zu hängen und den gleichen Sachverhalt nacheinander drei verschiedenen Personen zu schildern. Ein hilfreicher Bot ist für mich eine großartige Bereicherung der Servicequalität.
Solch ein Bot setzt voraus, dass das Unternehmen vorher aufmerksam zugehört und daraus die richtigen Schlüsse gezogen hat. Nun wird jedes Unternehmen genau das von sich behaupten. Aber die Einrichtung eines Bots bildet die Feuerprobe. Ist es gelungen, die Rolle zu tauschen und die Perspektive der Menschen einzunehmen? Wurden ihre Anliegen wirklich verstanden? Sind ihre Interessen nachvollziehbar? Und wird darauf nicht nur mit sachlicher, sondern auch mit emotionaler Intelligenz geantwortet – sprich: mit Humor und Charme? Das klingt erneut wie ein Paradoxon, aber ich freue mich jedes Mal tierisch, wenn der Chat mit einem Bot nicht nur fix und effizient abläuft, sondern zwischendurch auch Prisen von Ironie eingestreut sind. Dann steckt hinter dem Algorithmus der künstlichen doch noch eine menschliche Intelligenz.
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Wenn Sie dazu mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.