Die Namen der Kandidatinnen und Kandidaten im aktuellen US-Wahlkampf haben einen Klang. Den Namen des amtierenden Präsidenten haben wir so oft gehört, dass er wie ein akustisches Markenzeichen wirkt: ein Logo, das wir hören.
Wie ist es aber, wenn wir die Namen der Politiker nicht hören, sondern lesen? Schriften erzeugen in unserem inneren Ohr den Klang der Worte, die wir auf Schildern und Plakaten sehen. Wie Farben, so rufen auch Schriften besondere Wirkungen hervor. Sie vermitteln eine Botschaft, die über den gedruckten Wortsinn hinaus reicht. Das kann Ernsthaftigkeit sein oder schwungvolle Beweglichkeit, Aufbruchstimmung oder Aggressivität.
Bei der Wahlkampfwerbung ist der größte Unterschied zwischen Deutschland und den USA schon auf den ersten Blick erkennbar. Jens Müller, Designer und Designhistoriker aus Düsseldorf: »Der erste große Unterschied zwischen den USA und der Parteiwerbung in Deutschland ist eben, dass es in den USA eigentlich keine Parteiwerbung ist, sondern Personenwerbung. Da kann ich erst mal gar nicht sehen: Sind es Republikaner oder Demokraten? Hier ist es einfach stark geprägt durch das Corporate Design der CDU oder der FDP. Die haben ihre eigenen Farben, die haben auch ihre eigenen Schriften. Und ja, die Partei gibt im Grunde vor: Ist dann die Typo auch eher konservativ oder eher modern angehaucht?
Auf deutschen Wahlplakaten geben Schriften über viele Details Auskunft: Der Name der Person, die Parteizugehörigkeit, meist auch eine Parole, eine Forderung oder ein Versprechen. Im wesentlichen fügen sich die Einzelnen in das übergreifende Erscheinungsbild der Partei ein. Die Marke ist die Partei, die von den Kandidaten lokal verkörpert werden. In den USA aber wollen die Politiker ihre eigene Marke sein. Dazu der Berliner Typograf Erik Spiekermann: »Es gibt ein Erscheinungsbild, eine Marke für jede Partei. Und die gibt es hier überhaupt nicht. Weil allen, wenn überhaupt, gemein ist, dass sie immer ein bisschen Blau, Weiß und Rot haben. Bei vielen. Weil das halt die amerikanische Flagge ist. Und dann sind immer ein paar Streifen und ein paar Sterne dabei. Das fällt als allererstes auf, dass sie wirklich sich die Mühe machen, eine eigene Marke zu kreieren. Was ein unheimlicher Aufwand ist, bei einigen hundert Leuten. Anstatt sich auf die gemeinsame Marke zu verlassen, die nämlich die gesamte Partei eigentlich bietet.
Der amerikanische Wahlkampf ähnelt einem Supermarkt, in dem sich eine unüberschaubare Zahl von Marken tummelt und um die Aufmerksamkeit der Wählerinnen und Wähler buhlt. Nun könnte man vermuten, dass das Gesamtbild ziemlich chaotisch wäre, weil jeder versucht sein müsste, sich durch visuelle Effekte vom Einheitsbrei abzusetzen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Fährt man durch die amerikanischen Vorstädte und lässt die Parade der Schilder an sich vorbeiziehen, die in den Vorgärten stehen, dann ist unübersehbar: Die Gestaltungsweisen der Schriftzüge bewegen sich innerhalb eines engen Korridors. Erik Spiekermann: »Ich finde, zum großen Teil sehen die alle aus wie Waschmittel oder sind eher so in diesem Haushaltswaren-Bereich angesiedelt. Also es ist auch keinem mal eine politische Aussage zu entnehmen, wenn man nicht auf die amerikanische Flagge abspielt.«
In den USA hat das Center for American Politics and Design 1.003 Logos der Bewerberinnen und Bewerber für den Senat und das Repräsentantenhaus untersucht. Danach verwenden 70 Prozent moderne klare, und schnörkellose Schriften. Mit diesen sogenannten Grotesk-Schriften verbinden die meisten Menschen Unkompliziertheit und Progressivität. Drei Viertel aller demokratischen Bewerber nutzen sie. Auch die Mehrheit der Republikaner-Logos verwenden Grotesk-Schriften. Aber rund ein Drittel aus der Partei des Präsidenten arbeitet mit Antiqua-Schriften, die wir aus den Tageszeitungen kennen oder vom Titel der Reclam-Bändchen. Diese an die römische Antike erinnernden Schriften vermitteln tendenziell Seriosität und eine etablierte, konservative Grundstimmung. Aber erstaunlicherweise ist auch der berüchtigte Schriftzug Make America Great Again auf den roten Schirmmützen Donald Trumps und seiner Fans in einer Antiqua gesetzt – obwohl Trump doch vermeintlich gegen das Establishment antritt. Erik Spiekermann nennt dafür eine ganz banale Erklärung: »Die lassen sich komischerweise besser sticken. Das passt einfach zum Medium. Besser also zum Cap. Dieses Make America Great Again ist ja ziemlich viel Text. Wenn du das in so einer fetten Grotesk machen müsstest, müsste es relativ klein werden, damit es noch fett ist. Um damit groß zu werden, hat man diesen Kontrast von Fein und Fett wie bei einer Antiqua. Das lässt sich einfach besser herstellen und ist trotzdem größer am Ende.«
In der Szene der Gestalter hat es viel Häme gegeben, weil die Schrift auf diesen Kappen typografische Grundregeln missachten. Aber damit bleibt sich Trump treu. Jens Müller: »Bei Trump hat man das Gefühl, es ist eigentlich egal, wie es aussieht. Es muss nur Trump gross draufstehen und es muss laut sein und der Rest spielt eigentlich keine Rolle. Wie das Auftreten als Präsident. Da nimmt er eben wenig Rücksicht auf das, was man so an Regeln im Kopf hat. Es gibt dieses tolle Zitat von Otl Aicher, dem großen deutschen Designer: »Man ist so, wie man sich zeigt und man zeigt sich so, wie man ist.« Und wenn man da die Typographie anschaut, dann ist es bei Trump wirklich so: Möglichst laut. Sich nicht an Regeln halten, die Schrift ist immer maximal auf auf die Größe des Plakats angepasst. – Am Ende entscheidet, fürchte ich, dann doch nicht die Typografie oder das Logo.«
Design im US-Wahlkampf: Schriften
Die Namen der Kandidatinnen und Kandidaten im aktuellen US-Wahlkampf haben einen Klang. Den Namen des amtierenden Präsidenten haben wir so oft gehört, dass er wie ein akustisches Markenzeichen wirkt: ein Logo, das wir hören.
Wie ist es aber, wenn wir die Namen der Politiker nicht hören, sondern lesen? Schriften erzeugen in unserem inneren Ohr den Klang der Worte, die wir auf Schildern und Plakaten sehen. Wie Farben, so rufen auch Schriften besondere Wirkungen hervor. Sie vermitteln eine Botschaft, die über den gedruckten Wortsinn hinaus reicht. Das kann Ernsthaftigkeit sein oder schwungvolle Beweglichkeit, Aufbruchstimmung oder Aggressivität.
Bei der Wahlkampfwerbung ist der größte Unterschied zwischen Deutschland und den USA schon auf den ersten Blick erkennbar. Jens Müller, Designer und Designhistoriker aus Düsseldorf: »Der erste große Unterschied zwischen den USA und der Parteiwerbung in Deutschland ist eben, dass es in den USA eigentlich keine Parteiwerbung ist, sondern Personenwerbung. Da kann ich erst mal gar nicht sehen: Sind es Republikaner oder Demokraten? Hier ist es einfach stark geprägt durch das Corporate Design der CDU oder der FDP. Die haben ihre eigenen Farben, die haben auch ihre eigenen Schriften. Und ja, die Partei gibt im Grunde vor: Ist dann die Typo auch eher konservativ oder eher modern angehaucht?
Auf deutschen Wahlplakaten geben Schriften über viele Details Auskunft: Der Name der Person, die Parteizugehörigkeit, meist auch eine Parole, eine Forderung oder ein Versprechen. Im wesentlichen fügen sich die Einzelnen in das übergreifende Erscheinungsbild der Partei ein. Die Marke ist die Partei, die von den Kandidaten lokal verkörpert werden. In den USA aber wollen die Politiker ihre eigene Marke sein. Dazu der Berliner Typograf Erik Spiekermann: »Es gibt ein Erscheinungsbild, eine Marke für jede Partei. Und die gibt es hier überhaupt nicht. Weil allen, wenn überhaupt, gemein ist, dass sie immer ein bisschen Blau, Weiß und Rot haben. Bei vielen. Weil das halt die amerikanische Flagge ist. Und dann sind immer ein paar Streifen und ein paar Sterne dabei. Das fällt als allererstes auf, dass sie wirklich sich die Mühe machen, eine eigene Marke zu kreieren. Was ein unheimlicher Aufwand ist, bei einigen hundert Leuten. Anstatt sich auf die gemeinsame Marke zu verlassen, die nämlich die gesamte Partei eigentlich bietet.
Der amerikanische Wahlkampf ähnelt einem Supermarkt, in dem sich eine unüberschaubare Zahl von Marken tummelt und um die Aufmerksamkeit der Wählerinnen und Wähler buhlt. Nun könnte man vermuten, dass das Gesamtbild ziemlich chaotisch wäre, weil jeder versucht sein müsste, sich durch visuelle Effekte vom Einheitsbrei abzusetzen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Fährt man durch die amerikanischen Vorstädte und lässt die Parade der Schilder an sich vorbeiziehen, die in den Vorgärten stehen, dann ist unübersehbar: Die Gestaltungsweisen der Schriftzüge bewegen sich innerhalb eines engen Korridors. Erik Spiekermann: »Ich finde, zum großen Teil sehen die alle aus wie Waschmittel oder sind eher so in diesem Haushaltswaren-Bereich angesiedelt. Also es ist auch keinem mal eine politische Aussage zu entnehmen, wenn man nicht auf die amerikanische Flagge abspielt.«
In den USA hat das Center for American Politics and Design 1.003 Logos der Bewerberinnen und Bewerber für den Senat und das Repräsentantenhaus untersucht. Danach verwenden 70 Prozent moderne klare, und schnörkellose Schriften. Mit diesen sogenannten Grotesk-Schriften verbinden die meisten Menschen Unkompliziertheit und Progressivität. Drei Viertel aller demokratischen Bewerber nutzen sie. Auch die Mehrheit der Republikaner-Logos verwenden Grotesk-Schriften. Aber rund ein Drittel aus der Partei des Präsidenten arbeitet mit Antiqua-Schriften, die wir aus den Tageszeitungen kennen oder vom Titel der Reclam-Bändchen. Diese an die römische Antike erinnernden Schriften vermitteln tendenziell Seriosität und eine etablierte, konservative Grundstimmung. Aber erstaunlicherweise ist auch der berüchtigte Schriftzug Make America Great Again auf den roten Schirmmützen Donald Trumps und seiner Fans in einer Antiqua gesetzt – obwohl Trump doch vermeintlich gegen das Establishment antritt. Erik Spiekermann nennt dafür eine ganz banale Erklärung: »Die lassen sich komischerweise besser sticken. Das passt einfach zum Medium. Besser also zum Cap. Dieses Make America Great Again ist ja ziemlich viel Text. Wenn du das in so einer fetten Grotesk machen müsstest, müsste es relativ klein werden, damit es noch fett ist. Um damit groß zu werden, hat man diesen Kontrast von Fein und Fett wie bei einer Antiqua. Das lässt sich einfach besser herstellen und ist trotzdem größer am Ende.«
In der Szene der Gestalter hat es viel Häme gegeben, weil die Schrift auf diesen Kappen typografische Grundregeln missachten. Aber damit bleibt sich Trump treu. Jens Müller: »Bei Trump hat man das Gefühl, es ist eigentlich egal, wie es aussieht. Es muss nur Trump gross draufstehen und es muss laut sein und der Rest spielt eigentlich keine Rolle. Wie das Auftreten als Präsident. Da nimmt er eben wenig Rücksicht auf das, was man so an Regeln im Kopf hat. Es gibt dieses tolle Zitat von Otl Aicher, dem großen deutschen Designer: »Man ist so, wie man sich zeigt und man zeigt sich so, wie man ist.« Und wenn man da die Typographie anschaut, dann ist es bei Trump wirklich so: Möglichst laut. Sich nicht an Regeln halten, die Schrift ist immer maximal auf auf die Größe des Plakats angepasst. – Am Ende entscheidet, fürchte ich, dann doch nicht die Typografie oder das Logo.«
WDR 3: Kultur am Mittag
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