Einer der stärksten Antreiber für die Weiterentwicklung im Design ist das stetige Verlangen der Menschen nach alltäglicher Genuss-Steigerung. Das beginnt schon früh morgens, mit dem Kaffee. Jahrhundertelang hat die Menschheit ihren Kaffee durch Aufbrühen zubereitet. Ein gemächliches Verfahren. Als sich im Italien des beginnenden 20. Jahrhunderts die kulturelle Avantgarde dem Futurismus zuwandte, brachte die Faszination der Geschwindigkeit auch neue Formen von Schönheit hervor. Ein Rennwagen galt den Futuristen schöner als die klassischen griechischen Skulpturen. Italienische Ingenieure erfanden deshalb die Technik, Wasserdampf mit Hochdruck durch Kaffeemehl zu pressen. Die Espressomaschine war geboren. Sie vereinte alle Topoi des Futurismus, der Elektrizität ebenso glorifizierte wie Maschinen und Fabriken, Eisenbahnen und Bahnhöfe. Kein Wunder, dass ein Hersteller 1922 seine Espressomaschine mit dem Bild eines Mannes bewarb, der auf den Trittbrettstufen eines Zuges stand und im Vorbeirasen gerade noch zu einer kleinen Tasse starken Espressos greifen konnte. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich die Espressobar zum magnetischen Anziehungspunkt für die italienischen Männer, die von Geschwindigkeit, Effizienz und technischer Machbarkeit fasziniert waren. Schnell etablierte sich die dieser Ort als zweite Heimat der Männer, eine geschlossene Gesellschaft in der Öffentlichkeit. Alfonso Bialetti hatte in den 1920er Jahren die Idee, das Espressokochen nach hause an den heimischen Herd und zu den Frauen zu bringen. Die etablierten Hersteller verschwendeten an diesen Gedanken keine Zeit, denn für sie war Espresso unauflöslich mit Männern und öffentlicher Gastronomie verbunden. Der 1888 geborene Ingenieur Bialetti guckte sich jedoch von der typischen Frauenarbeit des Wäschewaschens eine Technik ab, bei der die kochende Seifenlauge durch ein Rohr in der Mitte eines Kessels nach oben abgeführt wird. Das gleiche Prinzip wandte er aufs Kaffeekochen an: Eine Kanne wird auf der Herdplatte erhitzt, der heiße Wasserdampf steigt durchs Kaffeemehl hindurch und gelangt durch ein Rohr in den oberen Teil der Kanne. Bialetti gab ihr einen achteckigen Grundriss, wie es damals bei hochwertigen Kannen aus Silber üblich war. Doch weil Bialetti schon seit 1919 eine Werkstatt für Aluminiumproduktion betrieb, fertigte er die Kanne aus Aluminium. Das verlieh seinem Produkt einen technischen, maschinenähnlichen Charakter. Aluminium wurde sowohl von den Futuristen als auch von den Faschisten als italienischer Werkstoff verherrlicht, der dazu dienen würde, die gloriosen Zeiten der römischen Antike mit modernen Mitteln wieder auferstehen zu lassen. Als Alfonso Bialettis Produktion 1933 in Serie ging, musste er sich selbst um den Verkauf auf Wochenmärkten kümmern. Kaum 10.000 Stück pro Jahr brachte er so von der »Moka Express«, wie er den Kocher nannte, an den Mann. Erst sein Sohn Renato Bialetti erzielte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durchschlagenden Erfolg mit der »Moka Express«, weil er mit aller Energie in ganz Italien Werbung schaltete. Schnell verkaufte er täglich 1.000 Stück, mittlerweile sollen es 300 Millionen weltweit sein. Bis heute wird sie nahezu unverändert produziert. Es besteht Einigkeit darüber, daß eine Bialetti in 90% aller italienischen Haushalte zu finden ist. Nur über die Frage, ob die »Moka Express« eigentlich Mokka oder Espresso hervorbringt, wird leidenschaftlich gestritten. Am liebsten bei einem guten Espresso. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [209]
Einer der stärksten Antreiber für die Weiterentwicklung im Design ist das stetige Verlangen der Menschen nach alltäglicher Genuss-Steigerung. Das beginnt schon früh morgens, mit dem Kaffee. Jahrhundertelang hat die Menschheit ihren Kaffee durch Aufbrühen zubereitet. Ein gemächliches Verfahren. Als sich im Italien des beginnenden 20. Jahrhunderts die kulturelle Avantgarde dem Futurismus zuwandte, brachte die Faszination der Geschwindigkeit auch neue Formen von Schönheit hervor. Ein Rennwagen galt den Futuristen schöner als die klassischen griechischen Skulpturen. Italienische Ingenieure erfanden deshalb die Technik, Wasserdampf mit Hochdruck durch Kaffeemehl zu pressen. Die Espressomaschine war geboren. Sie vereinte alle Topoi des Futurismus, der Elektrizität ebenso glorifizierte wie Maschinen und Fabriken, Eisenbahnen und Bahnhöfe. Kein Wunder, dass ein Hersteller 1922 seine Espressomaschine mit dem Bild eines Mannes bewarb, der auf den Trittbrettstufen eines Zuges stand und im Vorbeirasen gerade noch zu einer kleinen Tasse starken Espressos greifen konnte. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich die Espressobar zum magnetischen Anziehungspunkt für die italienischen Männer, die von Geschwindigkeit, Effizienz und technischer Machbarkeit fasziniert waren. Schnell etablierte sich die dieser Ort als zweite Heimat der Männer, eine geschlossene Gesellschaft in der Öffentlichkeit. Alfonso Bialetti hatte in den 1920er Jahren die Idee, das Espressokochen nach hause an den heimischen Herd und zu den Frauen zu bringen. Die etablierten Hersteller verschwendeten an diesen Gedanken keine Zeit, denn für sie war Espresso unauflöslich mit Männern und öffentlicher Gastronomie verbunden. Der 1888 geborene Ingenieur Bialetti guckte sich jedoch von der typischen Frauenarbeit des Wäschewaschens eine Technik ab, bei der die kochende Seifenlauge durch ein Rohr in der Mitte eines Kessels nach oben abgeführt wird. Das gleiche Prinzip wandte er aufs Kaffeekochen an: Eine Kanne wird auf der Herdplatte erhitzt, der heiße Wasserdampf steigt durchs Kaffeemehl hindurch und gelangt durch ein Rohr in den oberen Teil der Kanne. Bialetti gab ihr einen achteckigen Grundriss, wie es damals bei hochwertigen Kannen aus Silber üblich war. Doch weil Bialetti schon seit 1919 eine Werkstatt für Aluminiumproduktion betrieb, fertigte er die Kanne aus Aluminium. Das verlieh seinem Produkt einen technischen, maschinenähnlichen Charakter. Aluminium wurde sowohl von den Futuristen als auch von den Faschisten als italienischer Werkstoff verherrlicht, der dazu dienen würde, die gloriosen Zeiten der römischen Antike mit modernen Mitteln wieder auferstehen zu lassen. Als Alfonso Bialettis Produktion 1933 in Serie ging, musste er sich selbst um den Verkauf auf Wochenmärkten kümmern. Kaum 10.000 Stück pro Jahr brachte er so von der »Moka Express«, wie er den Kocher nannte, an den Mann. Erst sein Sohn Renato Bialetti erzielte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durchschlagenden Erfolg mit der »Moka Express«, weil er mit aller Energie in ganz Italien Werbung schaltete. Schnell verkaufte er täglich 1.000 Stück, mittlerweile sollen es 300 Millionen weltweit sein. Bis heute wird sie nahezu unverändert produziert. Es besteht Einigkeit darüber, daß eine Bialetti in 90% aller italienischen Haushalte zu finden ist. Nur über die Frage, ob die »Moka Express« eigentlich Mokka oder Espresso hervorbringt, wird leidenschaftlich gestritten. Am liebsten bei einem guten Espresso. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.