Zu dieser Veröffentlichung Der Gestalter Uwe Loesch wird für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Seit 1968 arbeitet er selbständig, seit 1985 unterrichtet er auch als Professor, zuerst in Düsseldorf, dann in Wuppertal. Den Schwerpunkt seines Schaffens bilden Plakate, für die er vielfach ausgezeichnet wurde und die Bestandteil von Sammlungen und Museen geworden sind. Zuletzt widmete ihm das Deutsche Plakat-Museum in Essen eine Retrospektive. Ich muss gestehen, dass ich seine Position lange Zeit nicht nachvollziehen konnte. Er war für mich einer, der vor allem gerne mit Formen spielte. Der aufklärerische Impetus erschien mir nur vorgeschoben. Gewiss, auch Buchstaben haben Formen, und eine andere Form kann eine andere Aussage transportieren. Aber war Loesch nicht ein führender Repräsentant einer in die Sackgasse geratenen gestalterischen Richtung, deren Akteure nicht wahrhaben wollten, dass in ihren Arbeiten die ästhetische Dimension die semantische längst überdeckte und ihnen die Codierung und Verfremdung als formalistischer Selbstzweck entglitten war? Heute sehe ich das differenzierter. Seine Art der Gestaltung ist eine legitime Option, um Aufmerksamkeit für Themen zu wecken und sprachliche Aussagen zu verstärken oder auch zu brechen – und nicht nur selbstverliebte l‘art pour l‘art. Eine seiner interessantesten Arbeiten ist für mich sein Plakat »Little boy«. Es zeigt einen kleinen Jungen aus Asien. Auf den ersten Blick ist es nur die Abbildung des Wortlauts, eine banale Dopplung. Doch wenn man erfährt, dass die Atombombe, die 1945 auf Hiroshima abgeworfen wurde, auf den Codenamen »little boy« getauft worden war, wird der Zynismus der kriegerischen Handlung an selbst dieser vermeintlichen Kleinigkeit offenbar. Nur ein kleiner Junge ist ein kleiner Junge. Eine besondere Pointe, die mit dieser Arbeit verbunden ist, erzählte Loesch 1995 in einem Interview für den WDR: Weil er in Düsseldorf keinen japanischen Jungen für das Portrait gewinnen konnte, fotografierte er einen Koreaner. Später erfuhr er, dass in Hiroshima viele koreanische Gastarbeiter umgekommen waren, für die es bis dato keine Gedenkstätte gab. So erinnert das Bild des Jungen, der seltsam entrückt und beinahe geisterhaft unwirklich gezeigt wird, auch an das Schicksal seiner Landsleute. Wenn Sie dies kommentieren oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [372]
Zu dieser Veröffentlichung Der Gestalter Uwe Loesch wird für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Seit 1968 arbeitet er selbständig, seit 1985 unterrichtet er auch als Professor, zuerst in Düsseldorf, dann in Wuppertal. Den Schwerpunkt seines Schaffens bilden Plakate, für die er vielfach ausgezeichnet wurde und die Bestandteil von Sammlungen und Museen geworden sind. Zuletzt widmete ihm das Deutsche Plakat-Museum in Essen eine Retrospektive. Ich muss gestehen, dass ich seine Position lange Zeit nicht nachvollziehen konnte. Er war für mich einer, der vor allem gerne mit Formen spielte. Der aufklärerische Impetus erschien mir nur vorgeschoben. Gewiss, auch Buchstaben haben Formen, und eine andere Form kann eine andere Aussage transportieren. Aber war Loesch nicht ein führender Repräsentant einer in die Sackgasse geratenen gestalterischen Richtung, deren Akteure nicht wahrhaben wollten, dass in ihren Arbeiten die ästhetische Dimension die semantische längst überdeckte und ihnen die Codierung und Verfremdung als formalistischer Selbstzweck entglitten war? Heute sehe ich das differenzierter. Seine Art der Gestaltung ist eine legitime Option, um Aufmerksamkeit für Themen zu wecken und sprachliche Aussagen zu verstärken oder auch zu brechen – und nicht nur selbstverliebte l‘art pour l‘art. Eine seiner interessantesten Arbeiten ist für mich sein Plakat »Little boy«. Es zeigt einen kleinen Jungen aus Asien. Auf den ersten Blick ist es nur die Abbildung des Wortlauts, eine banale Dopplung. Doch wenn man erfährt, dass die Atombombe, die 1945 auf Hiroshima abgeworfen wurde, auf den Codenamen »little boy« getauft worden war, wird der Zynismus der kriegerischen Handlung an selbst dieser vermeintlichen Kleinigkeit offenbar. Nur ein kleiner Junge ist ein kleiner Junge. Eine besondere Pointe, die mit dieser Arbeit verbunden ist, erzählte Loesch 1995 in einem Interview für den WDR: Weil er in Düsseldorf keinen japanischen Jungen für das Portrait gewinnen konnte, fotografierte er einen Koreaner. Später erfuhr er, dass in Hiroshima viele koreanische Gastarbeiter umgekommen waren, für die es bis dato keine Gedenkstätte gab. So erinnert das Bild des Jungen, der seltsam entrückt und beinahe geisterhaft unwirklich gezeigt wird, auch an das Schicksal seiner Landsleute. Wenn Sie dies kommentieren oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.