Das Kaffeetrinken ist ein Genuss, der wie kein zweiter für die Demokratisierung des Luxus steht. Deshalb passt er perfekt zum Phänomen Design, weil sich seit 150 Jahren die Reformer unter den Designern der Verbesserung und Verschönerung des Alltags verschrieben haben. Ernüchternd ist nur, wie oft die entscheidenden Innovationen dafür nicht von Designern stammen, sondern von einfallsreichen Menschen wie Du und ich. Zum Beispiel die Hausfrau und Mutter, die 1873 in Dresden als Amalie Liebscher auf die Welt kommt. Mit 30 Jahren, als sie schon längst verheiratet ist und auf den Namen Melitta Bentz hört, ärgert sie sich darüber, dass es noch keine wirklich praktische Möglichkeit gibt, den gekochten Kaffee vor dem Trinken vom störenden Kaffeemehl zu trennen. Und sie macht sich selbst daran, eine neue Lösung für dieses 900 Jahre alte Problem zu finden. Die ursprüngliche Zubereitungsweise besteht ja darin, eine Portion Kaffeebohnen nach dem Rösten und Mahlen gemeinsam mit Zucker und Wasser zu kochen und diesen Sud dann komplett in Tassen zu gießen. Ludwig van Beethoven zählte angeblich jeweils genau 60 Kaffeebohnen für seine persönliche Ration ab. Als sich Melitta Bentz 1903 ans Werk macht, gibt es bereits seit 130 Jahren eine Kaffeemaschine mit zwei Behältern, die den Kaffeesatz vom fertigen Getränk trennt. Es gibt auch einfachere Filtertechniken, die mit Leinwänden, Sieben oder Löschpapieren arbeiten. Es gibt sogar einen Marktführer, denn die Firma Arndt aus Quedlinburg stellt mit großem Erfolg einen Aufsatztopf her, dessen Metallsieb als Kaffeefilter dient. Und doch führen all diese Gerätschaften dazu, dass vom Kaffeetrinken ein bitterer Nachgeschmack bleibt. Melitta Bentz experimentiert mit Löschpapier aus dem Schulheft ihres Sohnes. Sie schlägt mit Hammer und Nagel kleine Löcher in eine Konservendose und legt das von Hand passend geschnittene Löschpapier darauf. Stellt man diese zum Filter umgebaute Dose auf die Kaffeetasse, so lassen sich der gemahlene Kaffee und das gekochte Wasser so kombinieren, dass der Kaffee aromatischer und weniger bitter schmeckt als bisher. Am 20. Juni 1908 erhält Melitta Bentz ein Patent auf ihre Erfindung. Wie so oft ist es keine völlige Neuentwicklung, sondern die geschickte Kombination von bereits vorhandenen Elementen. Hinzu kommt unternehmerisches Geschick, das ihr zum Erfolg der Firma verhilft, die sie mit 73 Pfennig Startkapital gemeinsam mit ihrem Mann gründet. Zum allseits verbreiteten Alltagsgegenstand und damit zum Klassiker wird die Version des Filters, die Melitta 1936 auf den Markt bringt: Der sogenannte Schnellfilter, der nach unten schlitzförmig zuläuft und so gewölbt und gerillt ist, dass der Kaffee rasch durchfließen kann. Es werden sieben verschiedene Größen produziert, berechnet für eine bis hin zu maximal 100 Tassen. Passend dazu entwickelt Melitta die Papierform, die Filtertüte genannt wird. 30 Jahre später wird dieser Begriff sogar als Warenzeichen geschützt. Melitta Bentz stirbt 1950 im westfälischen Holzhausen, in der Nähe von Minden, wohin sie mit ihrem Unternehmen 1929 umgezogen war. Die Werbefigur des Melitta-Mannes aus den 90er Jahren hat sie nicht mehr erlebt. Er hat damit geworben, was Melitta Bentz‘ Erfindung erst ermöglicht hatte: Dass Kaffee zum Genuss wurde. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [203]
Das Kaffeetrinken ist ein Genuss, der wie kein zweiter für die Demokratisierung des Luxus steht. Deshalb passt er perfekt zum Phänomen Design, weil sich seit 150 Jahren die Reformer unter den Designern der Verbesserung und Verschönerung des Alltags verschrieben haben. Ernüchternd ist nur, wie oft die entscheidenden Innovationen dafür nicht von Designern stammen, sondern von einfallsreichen Menschen wie Du und ich. Zum Beispiel die Hausfrau und Mutter, die 1873 in Dresden als Amalie Liebscher auf die Welt kommt. Mit 30 Jahren, als sie schon längst verheiratet ist und auf den Namen Melitta Bentz hört, ärgert sie sich darüber, dass es noch keine wirklich praktische Möglichkeit gibt, den gekochten Kaffee vor dem Trinken vom störenden Kaffeemehl zu trennen. Und sie macht sich selbst daran, eine neue Lösung für dieses 900 Jahre alte Problem zu finden. Die ursprüngliche Zubereitungsweise besteht ja darin, eine Portion Kaffeebohnen nach dem Rösten und Mahlen gemeinsam mit Zucker und Wasser zu kochen und diesen Sud dann komplett in Tassen zu gießen. Ludwig van Beethoven zählte angeblich jeweils genau 60 Kaffeebohnen für seine persönliche Ration ab. Als sich Melitta Bentz 1903 ans Werk macht, gibt es bereits seit 130 Jahren eine Kaffeemaschine mit zwei Behältern, die den Kaffeesatz vom fertigen Getränk trennt. Es gibt auch einfachere Filtertechniken, die mit Leinwänden, Sieben oder Löschpapieren arbeiten. Es gibt sogar einen Marktführer, denn die Firma Arndt aus Quedlinburg stellt mit großem Erfolg einen Aufsatztopf her, dessen Metallsieb als Kaffeefilter dient. Und doch führen all diese Gerätschaften dazu, dass vom Kaffeetrinken ein bitterer Nachgeschmack bleibt. Melitta Bentz experimentiert mit Löschpapier aus dem Schulheft ihres Sohnes. Sie schlägt mit Hammer und Nagel kleine Löcher in eine Konservendose und legt das von Hand passend geschnittene Löschpapier darauf. Stellt man diese zum Filter umgebaute Dose auf die Kaffeetasse, so lassen sich der gemahlene Kaffee und das gekochte Wasser so kombinieren, dass der Kaffee aromatischer und weniger bitter schmeckt als bisher. Am 20. Juni 1908 erhält Melitta Bentz ein Patent auf ihre Erfindung. Wie so oft ist es keine völlige Neuentwicklung, sondern die geschickte Kombination von bereits vorhandenen Elementen. Hinzu kommt unternehmerisches Geschick, das ihr zum Erfolg der Firma verhilft, die sie mit 73 Pfennig Startkapital gemeinsam mit ihrem Mann gründet. Zum allseits verbreiteten Alltagsgegenstand und damit zum Klassiker wird die Version des Filters, die Melitta 1936 auf den Markt bringt: Der sogenannte Schnellfilter, der nach unten schlitzförmig zuläuft und so gewölbt und gerillt ist, dass der Kaffee rasch durchfließen kann. Es werden sieben verschiedene Größen produziert, berechnet für eine bis hin zu maximal 100 Tassen. Passend dazu entwickelt Melitta die Papierform, die Filtertüte genannt wird. 30 Jahre später wird dieser Begriff sogar als Warenzeichen geschützt. Melitta Bentz stirbt 1950 im westfälischen Holzhausen, in der Nähe von Minden, wohin sie mit ihrem Unternehmen 1929 umgezogen war. Die Werbefigur des Melitta-Mannes aus den 90er Jahren hat sie nicht mehr erlebt. Er hat damit geworben, was Melitta Bentz‘ Erfindung erst ermöglicht hatte: Dass Kaffee zum Genuss wurde. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.