Wenn man von der Handschrift eines Designers spricht, ist damit im übertragenen Sinn sein gestalterischer Stil gemeint. Es gibt nur sehr wenige Designer, deren Arbeit von ihrer Handschrift im wortwörtlichen Sinne lebt. Zum Beispiel ist die markante, eigentümliche oder einfach nur schöne, von Hand gezogene Schrift ein typisches Gestaltungselement der Kunst und des Kunsthandwerks, der Kalligraphie. Von diesen beiden Disziplinen grenzt sich das Design jedoch traditionell ab. Dennoch nutzen manche Designer kalligraphische Mittel für ihre Entwürfe, wie etwa bei den Schutzumschlägen der Romane Johannes Mario Simmels. Sie stammen von Fritz Blankenhorn. Als er 1949 mit dem Studium beginnt, ist er schon 28 Jahre alt und hat viel erlebt, worum ihn niemand beneiden möchte. Denn der Soldat der Artillerie gehörte zu den hunderttausend Deutschen, die in Königsberg eingeschlossen waren. In der russischen Kriegsgefangenschaft entwickelt Fritz Blankenhorn sein zeichnerisches Talent. Daran knüpft er 1949 an, als er an der Düsseldorfer Werkkunstschule mit dem Studium der Gebrauchsgrafik beginnt. Es interessiert ihn, seine Phantasie und sein gestalterisches Können für kommerzielle Auftraggeber einzusetzen. Im zweiten Semester gerät er in Kontakt mit dem Verleger Diederichs. Er entwirft für ihn einen Schutzumschlag, der auf weißem, nur wenig bedrucktem Papier basiert. Der Verleger entrüstet sich, man könne den Buchhändlern nicht zumuten, die weißen Bücher permanent abzustauben. Doch wenig später wird der Entwurf als einer der schönsten Entwürfe des Jahres ausgezeichnet. Fritz Blankenhorn spezialisiert sich auf die Buchbranche. Er bezieht ein Atelier in Düsseldorf beim Verlag Droste, der auch eine Druckerei und eine eigene Buchhandlung betreibt. Hier schärft er seinen Blick für die Wirkung der Umschläge auf die Käufer, wenn sie sie im Schaufenster betrachten. Nach und nach erarbeitet er sich einen Ruf unter Kollegen und Fachleuten, so daß sie die gestalterische Handschrift von »Blanki«, wie er genannt wird, bei Neuerscheinungen erkennen. Für seine Entwürfe genügt es ihm, ihren Titel zu kennen und zu wissen, ob es sich bei ihrem Genre um Politik, Belletristik, Kunst oder Humoristisches handelt. Mehr Informationen braucht er nicht, um mit seinem Gespür für das Publikum die Umschläge so gestalten, dass sich die Leser davon angezogen fühlen. Die großen deutschsprachigen Verlage gehören zu seinen Auftraggebern: Droste in Düsseldorf, Rowohlt in Hamburg, Holtzbrinck in Stuttgart, Scherz in der Schweiz und Droemer/Knaur in München. Dort soll 1962 der erste Unterhaltungs-Roman des österreichischen Autors Johannes Mario Simmel veröffentlicht werden. Simmel ist gerade mit seinen journalistischen Texten für das Magazin »Quick« unter dem Titel: »Es muß nicht immer Kaviar sein« bekannt geworden. Der Titel seines Romans steht schon fest: »Bis zur bitteren Neige«. Blankenhorns gestalterische Idee ist einfach: Er möchte den Titel plakativ von Hand schreiben, mit einem breiten Pinsel wie ein Plakatmaler. Die Worte sollen sich über die gesamte Seite verteilen, jedes Wort in einer eigenen Zeile, und jede Zeile in einer anderen Farbe. Das ist alles. Der Roman wird ein Bestseller. Der Erfolg macht auch die Konkurrenz neugierig: Plagiate tauchen auf, und Bertelsmann fragt höflich an, ob der Gestalter in dieser Art und Weise auch für ihre Werke tätig werden könnte. Fritz Blankenhorn bleibt aber Johannes Mario Simmel treu, und der dankt es ihm mit überschwänglichen Widmungen, großartigen Blumensträußen und dem Versprechen, dass seine Titel höchstens 5 Wörter lang sind. Insgesamt veröffentlicht Simmel bei Droemer/Knaur 12 Romane wie: »Und Jimmy ging zum Regenbogen«, »Der Stoff, aus dem die Träume sind« und »Hurra, wir leben noch«. Sie alle gestaltet Fritz Blankenhorn nach seinem einmal festgelegten Schema, aber er hat keinen einzigen bis zum Schluss gelesen. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [204]
Wenn man von der Handschrift eines Designers spricht, ist damit im übertragenen Sinn sein gestalterischer Stil gemeint. Es gibt nur sehr wenige Designer, deren Arbeit von ihrer Handschrift im wortwörtlichen Sinne lebt. Zum Beispiel ist die markante, eigentümliche oder einfach nur schöne, von Hand gezogene Schrift ein typisches Gestaltungselement der Kunst und des Kunsthandwerks, der Kalligraphie. Von diesen beiden Disziplinen grenzt sich das Design jedoch traditionell ab. Dennoch nutzen manche Designer kalligraphische Mittel für ihre Entwürfe, wie etwa bei den Schutzumschlägen der Romane Johannes Mario Simmels. Sie stammen von Fritz Blankenhorn. Als er 1949 mit dem Studium beginnt, ist er schon 28 Jahre alt und hat viel erlebt, worum ihn niemand beneiden möchte. Denn der Soldat der Artillerie gehörte zu den hunderttausend Deutschen, die in Königsberg eingeschlossen waren. In der russischen Kriegsgefangenschaft entwickelt Fritz Blankenhorn sein zeichnerisches Talent. Daran knüpft er 1949 an, als er an der Düsseldorfer Werkkunstschule mit dem Studium der Gebrauchsgrafik beginnt. Es interessiert ihn, seine Phantasie und sein gestalterisches Können für kommerzielle Auftraggeber einzusetzen. Im zweiten Semester gerät er in Kontakt mit dem Verleger Diederichs. Er entwirft für ihn einen Schutzumschlag, der auf weißem, nur wenig bedrucktem Papier basiert. Der Verleger entrüstet sich, man könne den Buchhändlern nicht zumuten, die weißen Bücher permanent abzustauben. Doch wenig später wird der Entwurf als einer der schönsten Entwürfe des Jahres ausgezeichnet. Fritz Blankenhorn spezialisiert sich auf die Buchbranche. Er bezieht ein Atelier in Düsseldorf beim Verlag Droste, der auch eine Druckerei und eine eigene Buchhandlung betreibt. Hier schärft er seinen Blick für die Wirkung der Umschläge auf die Käufer, wenn sie sie im Schaufenster betrachten. Nach und nach erarbeitet er sich einen Ruf unter Kollegen und Fachleuten, so daß sie die gestalterische Handschrift von »Blanki«, wie er genannt wird, bei Neuerscheinungen erkennen. Für seine Entwürfe genügt es ihm, ihren Titel zu kennen und zu wissen, ob es sich bei ihrem Genre um Politik, Belletristik, Kunst oder Humoristisches handelt. Mehr Informationen braucht er nicht, um mit seinem Gespür für das Publikum die Umschläge so gestalten, dass sich die Leser davon angezogen fühlen. Die großen deutschsprachigen Verlage gehören zu seinen Auftraggebern: Droste in Düsseldorf, Rowohlt in Hamburg, Holtzbrinck in Stuttgart, Scherz in der Schweiz und Droemer/Knaur in München. Dort soll 1962 der erste Unterhaltungs-Roman des österreichischen Autors Johannes Mario Simmel veröffentlicht werden. Simmel ist gerade mit seinen journalistischen Texten für das Magazin »Quick« unter dem Titel: »Es muß nicht immer Kaviar sein« bekannt geworden. Der Titel seines Romans steht schon fest: »Bis zur bitteren Neige«. Blankenhorns gestalterische Idee ist einfach: Er möchte den Titel plakativ von Hand schreiben, mit einem breiten Pinsel wie ein Plakatmaler. Die Worte sollen sich über die gesamte Seite verteilen, jedes Wort in einer eigenen Zeile, und jede Zeile in einer anderen Farbe. Das ist alles. Der Roman wird ein Bestseller. Der Erfolg macht auch die Konkurrenz neugierig: Plagiate tauchen auf, und Bertelsmann fragt höflich an, ob der Gestalter in dieser Art und Weise auch für ihre Werke tätig werden könnte. Fritz Blankenhorn bleibt aber Johannes Mario Simmel treu, und der dankt es ihm mit überschwänglichen Widmungen, großartigen Blumensträußen und dem Versprechen, dass seine Titel höchstens 5 Wörter lang sind. Insgesamt veröffentlicht Simmel bei Droemer/Knaur 12 Romane wie: »Und Jimmy ging zum Regenbogen«, »Der Stoff, aus dem die Träume sind« und »Hurra, wir leben noch«. Sie alle gestaltet Fritz Blankenhorn nach seinem einmal festgelegten Schema, aber er hat keinen einzigen bis zum Schluss gelesen. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.