Der Erfolg mancher Design-Phänomene entzieht sich jeder rationalen Erklärung. Dazu zählt das Phänomen Weihnachtsmarkt. Es handelt sich dabei um eine deutsche Spezialität, um die uns das Ausland gewiss nicht beneidet, denn sonst strömten nicht alljährlich millionenfach Gäste aus Frankreich, England, Holland und Italien hierher. Es verhält sich wohl eher so, wie das bei Besuchen eines Vergnügungsparks oder einer Kirmes ist: Man fährt zwar mal hin und lässt sich schmunzelnd durch die merkwürdigen Kulissen treiben, aber im Grunde ist man doch auch froh, dass diese Veranstaltung nicht vor der eigenen Haustür stattfindet. Unter Design-Gesichtspunkten widerspricht der Weihnachtsmarkt eigentlich allen Lehrsätzen. Denn die Besucher wissen nicht nur ganz genau im voraus, was sie ästhetisch, kulinarisch und finanziell erwartet. Sie verlangen auch genau danach. Experimente oder Modernisierungsversuche sind gerade nicht gefragt, ein Weihnachtsmarkt muss so aussehen, wie er immer und überall aussieht. Und diese Uniformität langweilt nicht. Das steht in krassem Widerspruch zur goldenen Regel, dass Design immer dann zum Erfolg führt, wenn es etwas Eigenständiges und Neues hervorbringt. Nicht so beim Weihnachtsmarkt. Alles ist schon vorher bekannt: die Lichterketten, die Tannenzweige, die Schnee täuschend echt imitierende Watte, der zentrale Weihnachtsbaum und die Holzbuden. Die Sehnsucht der Menschen nach einer schneebedeckten, gemütlichen Abendstunde in einer romantischen erzgebirgischen Kleinstadt scheint einfach übermächtig. Deshalb diese extreme Gleichförmigkeit, die atmosphärische Austauschbarkeit aller Weihnachtsmärkte: Eine geschlossene Erlebniswelt bei Kerzenschein, Glühwein und Bratwurst. Ihr zentrales serielles Elemente ist der hölzerne Verkaufsstand, die behördlich genehmigte und anonym entworfene Bude, die ein Bild abgibt, als ob sie urtümlich an Ort und Stelle schon seit dem Mittelalter stünde, und wo man doch Sorge haben muss, ob sie dem Ansturm der besinnungswütigen Massen standhalten wird: Alleine den Kölner Weihnachtsmarkt direkt zu Füßen des Doms besuchen jährlich 5 Millionen Menschen. Hinter dem Kitsch der zusammengezimmerten Weihnachtsmarktbuden läuft der kommerzielle Motor einer perfekt durchgeplanten Konstellation aus Veranstalter, Genehmigungsbehörde, Betreibern, Dekorateuren, Mietern und Rahmenprogramm. Die Definition, was festlich ist, mag jeder für sich selbst bestimmen. Für den Weihnachtsmarkt gilt aber, was auch für jedes andere Design gilt: Wer es nicht mag, sollte nicht hingehen. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.
Publikation # [261]
Der Erfolg mancher Design-Phänomene entzieht sich jeder rationalen Erklärung. Dazu zählt das Phänomen Weihnachtsmarkt. Es handelt sich dabei um eine deutsche Spezialität, um die uns das Ausland gewiss nicht beneidet, denn sonst strömten nicht alljährlich millionenfach Gäste aus Frankreich, England, Holland und Italien hierher. Es verhält sich wohl eher so, wie das bei Besuchen eines Vergnügungsparks oder einer Kirmes ist: Man fährt zwar mal hin und lässt sich schmunzelnd durch die merkwürdigen Kulissen treiben, aber im Grunde ist man doch auch froh, dass diese Veranstaltung nicht vor der eigenen Haustür stattfindet. Unter Design-Gesichtspunkten widerspricht der Weihnachtsmarkt eigentlich allen Lehrsätzen. Denn die Besucher wissen nicht nur ganz genau im voraus, was sie ästhetisch, kulinarisch und finanziell erwartet. Sie verlangen auch genau danach. Experimente oder Modernisierungsversuche sind gerade nicht gefragt, ein Weihnachtsmarkt muss so aussehen, wie er immer und überall aussieht. Und diese Uniformität langweilt nicht. Das steht in krassem Widerspruch zur goldenen Regel, dass Design immer dann zum Erfolg führt, wenn es etwas Eigenständiges und Neues hervorbringt. Nicht so beim Weihnachtsmarkt. Alles ist schon vorher bekannt: die Lichterketten, die Tannenzweige, die Schnee täuschend echt imitierende Watte, der zentrale Weihnachtsbaum und die Holzbuden. Die Sehnsucht der Menschen nach einer schneebedeckten, gemütlichen Abendstunde in einer romantischen erzgebirgischen Kleinstadt scheint einfach übermächtig. Deshalb diese extreme Gleichförmigkeit, die atmosphärische Austauschbarkeit aller Weihnachtsmärkte: Eine geschlossene Erlebniswelt bei Kerzenschein, Glühwein und Bratwurst. Ihr zentrales serielles Elemente ist der hölzerne Verkaufsstand, die behördlich genehmigte und anonym entworfene Bude, die ein Bild abgibt, als ob sie urtümlich an Ort und Stelle schon seit dem Mittelalter stünde, und wo man doch Sorge haben muss, ob sie dem Ansturm der besinnungswütigen Massen standhalten wird: Alleine den Kölner Weihnachtsmarkt direkt zu Füßen des Doms besuchen jährlich 5 Millionen Menschen. Hinter dem Kitsch der zusammengezimmerten Weihnachtsmarktbuden läuft der kommerzielle Motor einer perfekt durchgeplanten Konstellation aus Veranstalter, Genehmigungsbehörde, Betreibern, Dekorateuren, Mietern und Rahmenprogramm. Die Definition, was festlich ist, mag jeder für sich selbst bestimmen. Für den Weihnachtsmarkt gilt aber, was auch für jedes andere Design gilt: Wer es nicht mag, sollte nicht hingehen. Wenn Sie zu dieser Publikation eine Frage haben oder mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.