Aicher führt mustergültig vor, welches humanistische Potenzial der Moderne innewohnt – aller berechtigten Kritik an den Manifestationen der Moderne zum Trotz. Aicher beharrt auf dem Primat des Politischen und verbannt jeglichen nationalistischen Anklang aus der Erscheinung.
Die Gestaltung der Olympischen Spiele 1972 bewerte ich als eine der herausragenden Designleistungen des 20. Jahrhunderts. Stilbildende Plakate ohne Schwarz. Überhaupt kein Rot. Wenn Olympische Spiele ohne Goldmedaille möglich gewesen wären, dann auch ohne Gold. Stattdessen Silber als technisch konnotierte Schmuckfarbe. Unwirklich erscheint die Effizienz: Der gesamte Entwurf kommt mit nur wenigen Seiten Handbuch aus. Kein tausendseitiges Manual, in dem haarklein jede Ausnahme kodifiziert ist. Stattdessen eine kompakte Regieanweisung, eine Aufforderung zur spielerischen Anwendung im Duktus George Brechts: „Pull start“.
Design war für Aicher nur dann legitim, wenn es moralische Werte verkörpert: Neutrales oder indifferentes Design lehnte er vehement ab. Erkenntnisse der Wissenschaft akzeptierte er nicht als Bewertungsmaßstab für die Qualität eines Entwurfs. Design war für ihn Politik, und deshalb durfte es nicht beliebig sein.
Als „die kulturelle Bewältigung der technischen Zivilisation“ hat Aicher das Programm formuliert, dem sich die HfG verschrieben hat. Diese Aufgabe ist von bestürzender Aktualität. Mehr denn je ist die gegenwärtige Technik ihrer Zeit so weit voraus, dass sie noch nicht kulturell bewältigt ist.
Aber mit Technik meinte Aicher noch die maschinelle Mechanik und Elektrik der Moderne. Unsere Zeit ist längst darüber hinaus. Wir sollten nicht mehr von Moderne sprechen, vielmehr von Digitale, denn damit ist das prägende Merkmal unserer Gegenwart benannt. Wir stehen vor der drängenden Aufgabe, die digitale Zivilisation kulturell zu bewältigen. Um hierbei Fortschritte zu erzielen, sind Aichers Mut, Rigorosität und Entschiedenheit vonnöten.
Otl Aichers Aktualität
Aicher führt mustergültig vor, welches humanistische Potenzial der Moderne innewohnt – aller berechtigten Kritik an den Manifestationen der Moderne zum Trotz. Aicher beharrt auf dem Primat des Politischen und verbannt jeglichen nationalistischen Anklang aus der Erscheinung.
Die Gestaltung der Olympischen Spiele 1972 bewerte ich als eine der herausragenden Designleistungen des 20. Jahrhunderts. Stilbildende Plakate ohne Schwarz. Überhaupt kein Rot. Wenn Olympische Spiele ohne Goldmedaille möglich gewesen wären, dann auch ohne Gold. Stattdessen Silber als technisch konnotierte Schmuckfarbe. Unwirklich erscheint die Effizienz: Der gesamte Entwurf kommt mit nur wenigen Seiten Handbuch aus. Kein tausendseitiges Manual, in dem haarklein jede Ausnahme kodifiziert ist. Stattdessen eine kompakte Regieanweisung, eine Aufforderung zur spielerischen Anwendung im Duktus George Brechts: „Pull start“.
Design war für Aicher nur dann legitim, wenn es moralische Werte verkörpert: Neutrales oder indifferentes Design lehnte er vehement ab. Erkenntnisse der Wissenschaft akzeptierte er nicht als Bewertungsmaßstab für die Qualität eines Entwurfs. Design war für ihn Politik, und deshalb durfte es nicht beliebig sein.
Als „die kulturelle Bewältigung der technischen Zivilisation“ hat Aicher das Programm formuliert, dem sich die HfG verschrieben hat. Diese Aufgabe ist von bestürzender Aktualität. Mehr denn je ist die gegenwärtige Technik ihrer Zeit so weit voraus, dass sie noch nicht kulturell bewältigt ist.
Aber mit Technik meinte Aicher noch die maschinelle Mechanik und Elektrik der Moderne. Unsere Zeit ist längst darüber hinaus. Wir sollten nicht mehr von Moderne sprechen, vielmehr von Digitale, denn damit ist das prägende Merkmal unserer Gegenwart benannt. Wir stehen vor der drängenden Aufgabe, die digitale Zivilisation kulturell zu bewältigen. Um hierbei Fortschritte zu erzielen, sind Aichers Mut, Rigorosität und Entschiedenheit vonnöten.
https://www.otlaicher.de/beitraege/otl-aicher-auch-heute-noch-aktuell/
+++
Wenn Sie dazu mehr wissen möchten, können Sie mir gerne eine E-Mail senden.